Vorwort zum Dezember-Rundbrief

Liebe Gläubige,

in einer Geschichte wird von einer alten Frau berichtet, welcher der liebe Gott versprochen hatte, sie heute noch zu besuchen. Darauf war sie natürlich nicht wenig stolz. Sie scheuerte und putzte, kochte und tischte auf. Und dann fing sie an, auf den lieben Gott zu warten. Auf einmal klopfte es an die Tür. Geschwind öffnete die alte Frau. Aber als sie sah, dass draußen nur ein armer Bettler stand, sagte sie: „Nein, in Gottes Namen, geh heute deiner Wege! Ich warte gerade auf den lieben Gott, ich kann dich nicht aufnehmen“. Und sie ließ den Bettler stehen und warf die Türe hinter ihm zu. Es klopfte noch ein zweites und ein drittes Mal. Die alte Frau sprang jedesmal auf zur Türe. Beim­ zwei­ten Mal war es erneut ein armer, alter Mann, beim dritten Mal wiederum ein zerlumpter und hungriger Bettler. Jedesmal schloss sie wieder die Haustüre und wartete. Die Zeit verging, Stunde um Stunde. Es ging schon auf den Abend zu und immer noch war der liebe Gott nicht zu sehen. Die Alte wurde immer bekümmerter. Wo mochte der liebe Gott nur geblieben sein? Zu guter letzt mußte sie betrübt zu Bett gehen. Bald schlief sie ein. Im Traum aber erschien ihr der liebe Gott und sprach zu ihr: „Dreimal habe ich dich aufgesucht, und dreimal hast du mich hinausgewiesen.“

So wie die Frau den lieben Gott verpasst hatte, so laufen auch heute viele Menschen Gefahr, die Ankunft des Herrn zu verpassen. Sie lassen sich blenden von dem Schein dieser Welt und verlieren so den Blick für Den, der gesagt hat: “Ich bin das Licht der Welt!”

Die Adventszeit ist für uns alle eine gute Gelegenheit, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen. Das kann aber nur gelingen, wenn wir uns nicht hineinziehen lassen in den allgemeinen­ Weih­nachtsrummel, bei dem es hauptsächlich um das Kaufen und Verkaufen geht, aber nicht mehr um den eigentlichen Sinn von Weihnachten, dem Fest der Menschwerdung Gottes.

In diesen Tagen des Advents ist in den Texten der heiligen Liturgie der hl. Johannes der Täufer unser ständiger Begleiter. Seine Worte: “Er muss wachsen, ich aber abnehmen” (Joh. 3,30) gelten jedem von uns. Unser Herr und Gott soll für uns immer mehr die Mitte unseres Lebens werden. Im selben Maße werden rein innerweltliche Dinge an Bedeutung verlieren. Mit den Augen des Glaubens können wir gelassener auf die Dinge schauen, welche die öffentliche Diskussion beherrschen. Freilich bedrücken auch uns die Kriege, aktuell im Heiligen Land und in der Ukraine. Auch wir sind besorgt über die vielen Flüchtlinge vor allem aus muslimischen Ländern, welche viele Probleme ins Land bringen, unsere Sozialsysteme überfordern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Doch all diese berechtigten Sorgen dürfen nicht die eine große Sorge überlagern, die Sorge um unser ewiges Heil. Auch wir laufen Gefahr, wie die alte Frau in unserer Geschichte die „Zeit der Gnade“ zu verpassen und Gott zu verlieren, weil wir mit zu vielen nebensächlichen Dingen beschäftigt sind. Die Adventszeit ist vor allem eine Einladung, „nach innen“ zu gehen, die Stille zu suchen, uns in Gebet und geistlicher Lesung auf das Fest der Menschwerdung Gottes vorzubereiten.

Ich lade Sie herzlich dazu ein, in der Adventszeit – insofern es Ihre Zeit und Standespflichten möglich machen – zusätzlich eine Werktagsmesse zu besuchen. Ebenso lade ich Sie zur Teilnahme am Einkehrtag am 2. Adventssonntag nach Maria Hilf ein. Kommen Sie in den Familien am Abend vor den brennenden Adventskerzen zusammen, um gemeinsam zu beten und zu singen. Pflegen wir unsere christliche Kultur, denn nur so wird es auch in den nächsten Generationen noch gläubige Christen in unserem Land geben!

Ihnen allen eine frohe und gnadenreiche Adventszeit wünschend, grüßt Sie herzlich, auch von meinen Mitbrüdern P. Andreas Fuisting und P. Josef Unglert

Ihr P. Bernhard Gerstle