Die hl. Martina

(30. Januar)
von P. Marc Brüllingen


Die Kirche SS. Luca e Martina in Rom an der Via del Foro wurde im 8. Jahrhundert als Doppelkirche, nämlich mit Ober- und Unterkirche, gebaut und der hl. Martina, Bekennerin und Märtyrin der Frühzeit, geweiht. Sixtus V. (1585-1590) schenkte Gebäude und Platz der Lukasakademie, in der die Künstler Roms zusammengeschlossen waren. Als Pietro da Cortona 1634 zum Vorsteher dieser Akademie ernannt wurde, erbaute er auf Grund einer eigenen Stiftung eine neue Oberkirche und bezog die Unterkirche dabei seiner Neugestaltung ein. Der 1650 vollendete Bau erhielt dann den heutigen Namen SS. Luca e Martina. Die Urne der Heiligen steht auf dem von Pietro da Cortona geschaffenen Bronzealtar in der Unterkirche (A. Henze). Derselbe Künstler schuf – wohl zum Schmucke dieser Kirche – Bilder mit Szenen aus dem Leben der hl. Martina, die sich zum Teil im Pariser Louvre und im Pitti-Palast in Florenz befinden. Papst Urban VIII. verfaßte zu Ehren der Heiligen, die zu den Schutzheiligen der Stadt Rom gehört, klassische Hymnen.

Darstellung der hl. Martina: mit Palme und offenem Buch, zerbrochenem Götterbild, Marterwerkzeugen, manchmal auch mit Löwen.

Die hl. Jungfrau Martina lebte zur zeit des Kaisers Alexanders Severus und starb etwa um das Jahr 226 den Martertod für Christus. Martina wurde schon im frühen Christentum hoch verehrt. Ihren außergewöhnlichen Bekennermut bewundern zahlreiche Gläubige noch heute. In ihrer „Passio“ mischen sich Geschichtliches und Legendäres.


Legende

Martina war die Tochter eines angesehen Römers, der dreimal das hohe Amt des Konsuls bekleidet hatte. In frühester Jugend verlor sie beide Eltern. Da sie ganz erfüllt war von der Liebe zum Heiland, wollte sie arm sein wie er und verteilte ihr reiches Erbgut unter die Armen. Dann ließ sie sich unter die Diakonissinnen aufnehmen, welche in den Gemeinden den caritativen Dienst als ihre Pflicht erhoben hatten. Martina war ungewöhnlich schön und hatte viele Verehrer, darunter den Kaiser selbst, der sie sogar zu seiner Gattin erheben wollte. Aber sie schlug alle Bewerber aus, denn sie wollte ganz für ihren Glauben im Dienste Gottes und ihrer Mitmenschen leben.

Als Severus erfuhr, daß Martina Christin sei und ihr Glaube der Grund ihrer Absage gewesen war, wurde er wütend. Sie wurde vor Gericht geladen und aufgefordert, ihrem Glauben abzuschwören. Die Jungfrau wandte sich in ihrer Not an Gott und bat um Standhaftigkeit, denn sie kannte die Folterungsmethoden, mit denen man sie gefügig machen wollte. Während sie betete, erschütterte ein Erdbeben die ganze Stadt; das Standbild des Apoll und mit ihm ein großer Teil des Tempels stürzten ein.

Nun ergrimmte der Kaiser derartig, daß er befahl, die schöne Christin den grausamen Folterknechten zu überantworten. Die Schergen quälten Martina bis zur völligen Erschöpfung. Aber das schwache Mädchen bewies, was ein Mensch mit Gottes Hilfe aushalten kann und blieb standhaft. Zuletzt schleppte man Martina vor die Stadt und enthauptete sie.


(nach: Das große Buch der Heiligen – Geschichte und Legende im Jahreslauf; Erna und Hans Melchers, Bearbeitung: Carlo Melchers; Südwest Verlag München, 9. Auflage 1986)

Die hl. Cäcilia

(22. November)
von P. Marc Brüllingen


Seit dem 4. Jahrhundert wird die hl. Cäcilia im Kanon der Messe erwähnt; so früh also genoß diese jungfräuliche Märtyrin schon eine große Verehrung. Nur wenige Einzelheiten sind über sie in den Märtyrerakten festgehalten. Wir finden darin einen Satz, der wohl wörtlich genommen ist und auf den es zurückgehen mag, daß sie zur Schutzherrin der Musik wurde. Er lautet: „Während die Musikinstrumente erklangen“ – nämlich anläßlich ihrer Hochzeitsfeier – „bat Cäcilia den Herrn, er möge ihr Herz und ihren Leib unbefleckt erhalten.“ Meist findet man sie mit einer tragbaren Kleinorgel oder anderen Musikinstrumenten abgebildet. „Vielleicht ist keine Schutzpatronin in der Welt zu ihrem Amt unschuldiger gekommen als Cäcilia. Sie kam dazu, weil sie auf die Musik nicht achtete, ihre Gedanken davon abwandte, mit etwas Höherem beschäftigt, sich von ihren Reizen nicht verführen ließ.“ So hat auch Raffael sie verstanden und gemalt: „Indem die Heilige die Orgel senkt, zu den übrigen am Boden liegenden, verworfenen Instrumenten fallen läßt, anerkennt sie“, wie Willibald Gurlitt es ausdrückt, „die Ohnmacht aller sinnlich wahrnehmbaren Musik vor jener absoluten Musik, die keines Menschen Ohr je vernommen, die im Musizieren nur Engeln, im Hören nur Heiligen zugänglich ist“.

Cäcilia stammte aus dem erlauchten römischen Geschlecht der Meteller oder Cäcilier und erlitt im 3. Jahrhundert den Tod für Christus. Früh schon als Christin erzogen, gelobte sie in ihrer großen Liebe zum Herrn diesem ewige Jungfräulichkeit. Als ein edler Jüngling um sie warb, versprachen ihre Eltern, die von ihrem Entschluß nichts wußten, sie ihm zur Gemahlin. Cäcilia erzählte ihrem Bräutigam am Hochzeitstage, daß sie Christin sei und das Gelübde der Jungfräulichkeit abgelegt habe. Valerian wurde durch sie bekehrt und nahm mit seinem Bruder Tiburtius den Christenglauben an. Nachdem aber die beiden Jünglinge sich in edler Begeisterung todesmutig in der Öffentlichkeit ihres Christentums gerühmt hatten, wurden sie verhaftet und hingerichtet.

Als man ihre Güter einziehen wollte, hatte Cäcilia schon alles unter die Armen verteilt. Hierüber wütend, vergaß der Präfekt, welch vornehmer und geachteter Familie Cäcilia entstammte und ließ sie vor sich kommen. Der Richter staunte über die Festigkeit und Furchtlosigkeit ihrer Antworten. Da die Jungfrau seinem Ansinnen, den Göttern zu opfern, widerstand, wurde auch sie zum Tode verurteilt. In ihrer Villa sollte sie durch heiße Dämpfe im Bade erstickt werden. Wunderbarerweise ging sie aber unversehrt daraus hervor. Nun holte man den Scharfrichter. Der Henker tat drei Streiche, traf sie aber erst mit dem letzten. Doch konnter er ihr Haupt vom Rumpfe nicht trennen und ließ sie einfach liegen. Die Heilige lebte noch drei Tage. Da sie selbst nicht mehr reden konnte, bat sie die herbeigeeilten Christen durch Zeichen alles, was sie noch besaß, an die Armen zu verteilen. Das geschah unter der Regierung Kaiser Marc Aurels.

Ihr Leib wurde von den Christen in den Katakomben beigesetzt. Er wurde im 5. Jahrhundert in die ihr zu Ehren erbaute Cäcilienkirche übertragen, die man in Tratevere über dem Haus, wo sie ihr Martyrium erlitten hatte – es war vermutlich das haus ihres gatten Valerian – errichtete. Papst Paschalis I. (817-824) ließ die Kirche erneuern. 1599 wurde anläßlich einer Restaurierung der Kirche die vermauerte Gruft geöffnet, in der sie beigesetzt war. Da zeigte sich ein ergreifendes Bild: der Leichnam der Jungfrau lag unverwest auf der rechte Seite, eingehüllt in ein langes Gewand aus Goldbrokat. Der Hals zeigte eine tiefe Wunde, das Gewand trug Blutspuren und zu ihre Füßen lagen blutgetränkte Leintücher. So wie sie damals aufgefunden wurde, hat der Bildhauer Maderno die wie schlafend daliegende Gestalt der Heiligen in Marmor nachmodelliert. Man stellte diese Statue in einer offenen Nische des Hochaltars auf. Neben der Kirche wird heute noch das Caldarium der antiken Thermenanlage gezeigt, wo die hl. Cäcilia eingesperrt war, um den Erstickungstod zu finden, und hier auch soll der Henker sie schließlich erschlagen haben.

(nach: Das große Buch der Heiligen – Geschichte und Legende im Jahreslauf, von: Erna und Hans Melchers, Bearbeitung: Carlo Melchers; Südwest Verlag München, 9. Auflage 1986)

Der hl. Antonius von Padua

geb. 1195 in Lissabon, gest. 13.06.1231 in Arcella bei Padua (13. Juni)
von P. Marc Brüllingen


Die Italiener nennen den hl. Antonius wie die über seinem Grabe errichtete Basilika in Padua einfach ‚Il Santo‘; denn er ist für sie der Heilige schlechthin. Die Kirche erteilte ihm als dem ‚Doctor evangelicus‘ die Würde eines Kirchenlehrers. Das Antoniusbrot, für das in allen katholischen Kirchen ein eigener Opferstock aufgestellt ist, ist ein Almosen zu Ehren des Heiligen und erinnert an sein soziales Wirken. Er genießt bis heute eine Beliebtheit wie außer der Gottesmutter kaum ein anderer Heiliger. Das katholische Volk hat ein unbegrenztes Vertrauen auf seine Fürbitte; unter anderem wird er angerufen, wenn man etwas verloren hat, und er hat sich unstreitig fast immer noch hilfreich erwiesen.

Aber er steht auch in dem Rufe, daß er nichts umsonst tut: der Gläubige muß für seine Hilfe ein Opfer bringen, und am liebsten ist ihm eine Geldspende für die Armen! Seine oftmals etwas süßliche Darstellung als Jüngling in Franziskanertracht, in der Rechten eine Lilie, auf dem linken Arm das Jesuskind tragend, bezeichnet das Volk als ‚Kindltoni‘. Manchmal hat er anstelle der Lilie ein flammendes Herz als Attribut, so an der Bronzestatue des Donatello in Sant‘ Antonio in Padua und auf dem Mantegnabild an der Fassade derselben Kirche. Weitere Attribute des Heiligen sind Fische, Esel oder Pferd, Buch – als Symbol der Weisheit. Vom hl. Antonius von Padua gibt es unzählige Darstellungen, auch mit anderen Heiligen zusammen, oder solche, die Einzelheiten aus den vielen Legenden wiedergeben, die sich um seine Person ranken.

Seine Patronate sind vielseitig: außer dem Wiederfinden verlorener Gegenstände ist er Schutzheiliger der Reisenden, der Liebenden, für eine gute Ehe, gegen Unfruchtbarkeit, Fieber, Viehseuchen, teuflische Mächte, Katastrophen, ferner der Bergleute, Bäcker, Haustiere (Pferde und Esel).

Antonius war Portugiese und wurde 1195 in Lissabon geboren. Ursprünglich hieß er Fernando Bullone und stammte aus dem Geschlechte Gottfrieds von Bouillon, des ersten Eroberers des Heiligen Grabes. Mit fünfzehn Jahren trat er in den Orden der Augustiner-Chorherren ein. Hier bildete er sich in zehn Studienjahren „zum tiefen Kenner der Heiligen Schrift“. Auch diesen Heiligen traf der Anstoß Gottes: als fünf Franziskanermönche, die auf ihrer Missionsreise in Marokko von den Mauren getötet worden waren, in Coimbra feierlich bestattet wurden, befand sich Fernando mitten in der ergriffenen Menge. Er hatte die Minderbrüder selbst gekannt, wollte er sie doch seinerzeit begleiten. Er faßte den Entschluß, den Bettelmönchen beizutreten, um ebenfalls den Heiden zu predigen. Mit 25 Jahren trat Fernando 1220 in das Franziskanerkloster in Coimbra ein und legte seinen Namen ab, um den Namen Antonius anzunehmen. Auf seine inständige Bitte erlaubte man dem neuen Minderbruder, noch im gleichen Jahr als Missionar nach Marokko zu reisen. Als er jedoch das afrikanische Ufer erreichte, wurde der junge Mönch, der das Märtyrertum so sehr ersehnte, sterbenskrank. Körperlich und seelisch geschwächt, mußte er sich schweren Herzens entschließen, in die Heimat zurückzukehren.

Das Schiff jedoch, dem er sich anvertraute, wurde durch einen Sturm an die sizilianische Küste verschlagen. In Messina vernahm er, daß der Ordensstifter einen Aufruf zur Versammlung der Franziskaner in Assisi erlassen hatte. Sofort machte er sich auf den Weg dorthin. Aber unter den vielen Franziskanern, die dort im Jahre 1221 zusammengekommen waren, bemerkte niemand den schweigsamen Mönch. Zuletzt nahm sich der Provinzial der Romagna, Bruder Gratian, seiner an. Demütig verschwieg Antonius seine Erziehung und sein enormes Wissen der Hl. Schrift. Von nun an diente Antonius wie der Geringsten einer in dem einsamen Bergkloster bei Forlí. Hier verbrachte er sein stilles Dasein ganz in Demut und Buße. Den schweigsamen Bruder hielt man sogar für schwachsinnig.

Durch einen Zufall wurde seine große Rednergabe offenbar. Als anläßlich einer Primizfeier keiner der anwesenden Patres unvorbereitet eine Rede halten konnte, wies einer scherzend auf Bruder Antonius, der solle es doch versuchen. Aber nun war die Verwunderung der Mitbrüder grenzenlos, denn der stille Mönch sprach mit solcher Kraft und Begeisterung, verfügte über so bezaubernde und ergreifende Worte und bezeugte zudem ein außergewöhnliches Wissen, daß man ihn allgemein als einen Meister der rede erkannte. Als der hl. Franziskus hiervon hörte, ernannte er den bis dahin so Unbeachteten zum ersten Lektor der Franziskaner für Theologie und berief ihn zum Prediger auf die Kanzeln der Städte. Nun strömte das Volk zu Tausenden herbei, um ihn zu hören.

Antonius verkündete das Evangelium in allen Gegenden Italiens und in Südfrankreich. Schon zur Nachtzeit versammelten sich die Hörer und warteten geduldig, bis er die Kanzel bestieg. Unerhört war die Kraft und der Erfolg seiner Predigten. Sooft er auftrat, umringten ihn sofort die Gläubigen. Seine Zunge brauchte er nur als Organ zur Verherrlichung der Ehre Gottes, um den heiligen Willen Gottes zu lehren, um unsterbliche Seelen aus dem Verderben des Irrtums zu retten und die Wahrheit und beseligende Gerechtigkeit zu gewinnen. Auch zeichnete er seine Gedanken in Büchern auf, die für uns ein unsterbliches Zeugnis seiner Weisheit und Gottesliebe bedeuten. Die Predigten des Heiligen waren eine Hauptwaffe zur Bekämpfung der Katharer, einer Sekte, die damals besonders in Oberitalien viele Anhänger gewonnen hatte. Antonius war ihnen durch seine gründliche Schulung überlegen und konnte sich ihnen in öffentlichen Streitgesprächen stellen. Er hatte solche Macht über die Ketzer, daß man ihm schließlich den Beinamen „Hammer der Ketzer“ gab. Doch seine großartigen Predigten waren es nicht allein, die ihm immer wieder Kraft für neue Taten spendeten. Vor allem sein großer Bußeifer und seine nächtelangen Gebete verliehen ihm die Stärke, der er so nötig bedurfte.

Der hl. Antonius wurde später zum Provinzialoberen der Romagna ernannt, aber auf dem Kapitel des Jahres 1230 stellte er einen Antrag auf Amtsenthebung. An Ämtern lag ihm nicht, er wollte nur predigen, wo immer er es konnte. Antonius suchte sogar den wilden Ezzelin von Verona auf und sprach zu ihm: „Das Maß Deiner Greuel ist voll. Wenn Du nicht Buße tust, wird Dich der Zorn Gottes zermalmen.“ Entgegen aller Erwartung war Ezzelin so beeindruckt, daß er fortan abließ von seinen grauenvollen Taten.

Die Anstrengungen des Heiligen gingen über Menschenkraft. Noch in der Fastenzeit des Jahres 1231 verzehrte er sich fast in der Glut seiner Predigten. Am 13. Juni fühlte er sein nahes Ende kommen. Der entkräftete Heilige wurde in das kleine Klarissenkloster Acella gebracht, wo er am gleichen Tage erst sechsunddreißigjährig starb. Seine letzten Worte waren: „Ich sehe meinen Herrn Jesus Christus!“ Gänzlich verbraucht und erschöpft von der Arbeit im Weinberg des Herrn, schonungslos gegen sich selbst bis zum letzten Atemzuge, war der Heilige von Padua viel zu früh von dieser Welt gegangen.

(nach: Das große Buch der Heiligen – Geschichte und Legende im Jahreslauf, von: Erna und Hans Melchers, Bearbeitung: Carlo Melchers; Südwest Verlag München, 9. Auflage 1986)

Der hl. Papst Gregor VII.

geb. um 1020; gest. 25.5.1085 in Salerno (25. Mai)
von P. Marc Brüllingen


Was über ihn und seinen Kampf mit dem deutschen König Heinrich IV. von Freunden und Gegnern geschrieben wurde, füllt eine ganze Bibliothek. Die Gründe und Hintergründe dieses Kampfes werden ewig umstritten bleiben, nicht aber die Persönlichkeit des Papstes, dem Gott die schwere Aufgabe zuteilte, die Freiheit der Kirche gegen staatliche Lebensnotwendigkeiten und Machtansprüche abzugrenzen und zu verteidigen. Er ist, äußerlich gesehen, in dem ungleichen Ringen unterlegen, aber noch im Untergang wächst seine Gestalt zu einer heroischen Größe, die auch seine oft mißverstandene kirchenpolitische Haltung aus der Enge persönlichen Ehrgeizes in die Weite geistig-sittlichen Verantwortungsbewußtseins rückt.

Gregor oder Hildebrand, wie er vor seiner Erhebung zum Papst hieß, kam aus dem Volk. Zu Savona in Toskana war er um das Jahr 1020 geboren. Eigentliche Heimat aber wurde ihm Rom, wo er wahrscheinlich im Marienkloster auf dem Aventin lebte und von dem nachmaligen Papst Gregor VI. in den strengen Traditionen der Kirche erzogen wurde. Ob er auch Mönch von Cluny war, ist nicht sicher bezeugt. Wichtiger ist, daß er den Reformideen, die von Cluny ausgingen, mit ganzer Seele anhing und in dem deutschen Papst Leo IX. einen väterlichen Freund fand, der ihm die Erneuerung des römischen Paulusklosters anvertraute. Schon jetzt gewann er tätigen Anteil an der Leitung der Kirche. Mehrmals ging er als Legat des Papstes nach Frankreich und an den deutschen Hof, um im Sinne der Reform zu wirken. Alexander II. machte den eifrigen Anwalt der kirchlichen Interessen zum Archidiakon und Kanzler der römischen Kirche. Solch ein rascher Aufstieg ist selten, aber Hildebrand hatte sich durch Können und Charakter einer noch höheren Würde wert erwiesen: am 22. April 1073 wurde er während der Leichenfeier für seinen Vorgänger durch einmütigen, stürmischen Zuruf von Volk, Klerus und Kardinälen zum Papst gewählt.

Gregor VII., wie er sich in Erinnerung an den Lehrer seiner Jugend nannte, nahm die Wahl nicht leichten Herzens an. Seine Reisen hatten ihm zur Genüge gezeigt, welch gewaltige Arbeit in allen Ländern der Christenheit noch zu leisten war. Niemand konnte höher von der Sendung der Kirche denken als er. Das Reich Gottes unter den sündigen Menschen wiederherzustellen, war das erste Ziel seiner Regierung. Um dieses Ziel zu erreichen, mußte er zwei Grundübel beseitigen: die Käuflichkeit der Kirchenämter und die Sittenverderbnis im Klerus. Beides stand in engem Zusammenhang; denn wer ein Bischofsamt oder die Abtswürde lediglich der Einkünfte und des politischen Einflusses wegen mit Geld erworben hatte, zeigte in der Regel wenig Neigung, ein echt priesterliches Leben zu führen. Vorschriften und Synoden allein genügten nicht, die Schuldigen zu bessern; man mußte das Übel an der Wurzel erfassen und die kirchliche Stellenbesetzung neu regeln. Es gehörte zu den wichtigsten Maßnahmen des neuen Papstes, daß er die Vergabe des kirchlichen Amtes durch einen Laien für unstatthaft erklärte und jede Übertretung mit schweren Kirchenstrafen bedrohte. Ohne es zu wollen, geriet der Papst gerade durch diese für die Genesung der Kirche entscheidenden Dekrete in den Konflikt mit Heinrich IV., der sein ferneres Leben bestimmte.

Der junge deutsche König glich in nichts seinem bedeutenden Vater. Hemmungslos in seinen Leidenschaften, ohne Bedenken in der Wahl seiner Mittel, ohne Achtung vor der päpstlichen Würde und ohne Sinn für die religiöse Mission der Kirche war er bereits von Alexander II. wegen Verschacherung der Kirchenämter gebannt worden. Gregor war geneigt, des Königs Fehler mit seiner Jugend und seinen schlechten Ratgebern zu entschuldigen, unterstützte ihn gegen die siegreichen Sachsen und befreite ihn vom Bann, als Heinrich in seinem Brief Besserung der Mißstände gelobte. Sobald aber Gregor auf mehreren Synoden Ernst machte mit seinem Willen zur Reform und die widerspenstigen Bischöfe kurzerhand absetzte, brach in Deutschland eine offene Revolte aus, und Heinrich IV. machte sich zu ihrem Sachverwalter. Für ihn sprach der Umstand, daß damals die deutschen Bischöfe und Äbte zugleich Reichsfürsten und Inhaber der wichtigsten Kronlehen waren, so daß also der König ihrer Treue unbedingt sicher sein mußte. Deshalb auch sein zähes Festhalten an dem traditionellen Anspruch, erledigte Bischofsstühle nach seinem Gutdünken neu zu besetzen. Hätte er nur würdige und geistlich gesinnte Männer ernannt, wäre es jedoch kaum zwischen ihm und der Kirche zum Bruch gekommen.

Von der Sachsennot befreit und von seinen Räten gegen den Papst aufgestachelt, setzte Heinrich unbekümmert um Gregors Einspruch Bischöfe ein und ab. Als der Papst ihn mehrmals brieflich und durch Gesandtschaften mahnte, erhielt er ein Schreiben des Reichstags zu Worms „An den Bruder Hildebrand“, in welchem die Bischöfe ihm den Gehorsam aufkündigten und der König ihm zurief: „Steig herab von deinem Sitz, befehle ich dir.“ Das war die offene Kampfansage, und Gregor konnte darauf nicht anders antworten als mit der Absetzung und Bannung des Königs. Während aber Heinrich in maßlosem Haß den Papst öffentlich beschimpfen läßt, bleibt Gregor der Priester, dem es nur auf das klare Recht der Kirche, ihre Freiheit von staatlicher Bevormundung und auf die unbehinderte Entfaltung ihrer religiösen Sendung ankommt. Er ist jederzeit bereit zu verzeihen, wenn der König ehrlich einen Ausgleich der kirchlichen und staatlichen Interessen herbeizuführen sucht. Tatsächlich spricht Heinrich, von seinen Fürsten verlassen und der Liebe des Volkes beraubt, in Canossa vor dem Papst das Schuldbekenntnis und wird des Bannes enthoben. Da aber dieser Schritt nur aus äußerem Zwang geschieht, um Reich und Krone zu retten, kann der Friede nicht von Bestand sein.

In der Folgezeit erlebt Gregor eine Enttäuschung nach der anderen. Die deutschen Fürsten haben Rudolf von Schwaben zum König gewählt. Diesem fehlt es nicht an Gründen, den Papst zu bestürmen, den wankelmütigen und arglistigen Heinrich endlich fallen zu lassen. Daß Gregor trotzdem drei Jahre zögert, über Heinrich den Stab zu brechen, ist ein untrüglicher Beweis für seinen Gerechtigkeitswillen. Seit er dem König zu Canossa mit eigener Hand den Leib des Herrn gereicht hat, bringt er es kaum über sich, ihn erneut zu bannen und abzusetzen. Als es schließlich doch geschieht, führt Heinrich sofort den Gegenschlag: er stellt mit den ihm ergebenen Bischöfen zu Brixen einen Gegenpapst auf und zieht mit Heeresmacht gegen Rom. Nachdem er Rudolf von Schwaben vernichtet hat, will er sich auch des lästigen Mahners auf dem Stuhl des heiligen Petrus entledigen. Nach langer Belagerung fällt die Stadt in seine Hand. Gregor rettet sich in die Engelsburg und muß die Normannen aus Unteritalien zu Hilfe rufen, um befreit zu werden. So entsetzlich aber sind die Greuel dieser Straßenkämpfe, daß nun auch die Römer sich gegen den Papst empören. Im Gefolge der Normannen verläßt Gregor die Petrusstadt.

Unbeachtet und von allen Freunden verlassen, ist er am 25. Mai 1085 in Salerno gestorben, bis zum letzten Augenblick überzeugt vom Recht und von der Notwendigkeit seines Kampfes. Er hätte sich durch ein willfähriges Wort von allen Leiden und Verfolgungen retten können, aber er hat lieber Verbannung und frühen Tod ertragen als wider sein Gewissen zu handeln. Mag auch das Wort, das man dem Dulder in den Mund legt, historisch nicht erwiesen sein, es spiegelt doch wie kein anderes die sittliche Größe dieses Mannes wider: „Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehaßt, deshalb sterbe ich in der Verbannung.“ Auch im Tode kehrte der große Papst nicht nach Rom zurück. Das ferne Salerno hütet sein Grab.

Der hl. Joseph

Bräutigam der allerseligsten Jungfrau Maria, Schutzpatron der Kirche (19. März)
von P. Marc Brüllingen


Am 19. März feiert die hl. Katholische Kirche das Fest eines Heiligen, dessen Verehrung weit verbreitet ist und dessen Fürbitte und Beistand inständig angerufen wird – das Fest des hl. Joseph.

Die Vielzahl der Heiligen mit Namen Joseph gehen alle auf den Pflegevater Jesu zurück. Joseph heißt in der Übersetzung aus dem Hebräischen „der Vermehrer“. Er ist der Heilige des schweigenden Gehorsams und der gewissenhaften Pflichterfüllung. Als mächtiger Fürbitter und Helfer in allen Nöten wurde er zum Schutzpatron der ganzen Kirche (seit 1870) wie der einzelnen Familie und vor allem auch des werktätigen Volkes.

Die früheste Erwähnung des hl. Joseph findet sich im Martyrologium von Reichenau um 850. Seit dem 9. Jahrhundert nahm seine liturgische und volkstümliche Verehrung immer mehr zu. Sie wurde besonders gefördert von Seiten der Franziskaner, durch den hl. Bernhard von Clairvaux, die hl. Theresia von Avila und den hl. Franz von Sales. 1479 führte der Franziskanerpapst Sixtus IV. Sein Fest in der Kirche ein, 1621 wurde der Josephstag gebotener Feiertag, 1729 kam sein Name in die Allerheiligenlitanei, seit 1919 gibt es die Josephspräfation. Ein Vergleich mit dem römischen Kalender zeigt die alte Feier des Festes der Minerva, der Göttin der Handwerker, am 19. März. Papst Pius XII. Führte 1956 das am 1. Mai zu feiernde Missalefest des hl. Joseph „des Werkmannes“ für die Weltkirche ein, auf daß „der 1. Mai sozusagen die christliche Weihe empfange und nicht einer Einladung an die moderne Gesellschaft, das zu vollbringen, was dem sozialen Frieden noch fehlt…“

In der Heiligen Schrift finden wir nur wenig über Joseph! Sie sagt daß er „gerecht“ war (Matth. 1,9), d.h., daß Joseph ein reiner, tugendhafter und heiliger Mann war. Wir kennen die Geschichte des Zimmermanns aus Nazareth. Die Braut war Maria, die Mutter Jesu. Joseph stammte aus dem Geschlechte König Davids, doch war er selbst nur ein einfacher und bescheidener Handwerker. Der scheinbare Gegensatz von äußerer Bedeutungslosigkeit und höchstem inneren Adel zeichnete Joseph aus und ließ ihn zum Vorbild für viele Heilige werden. Wie tief erschreckt muß dieser fromme Mann gewesen sein, als er erfuhr, daß seine reine Braut Maria sich Mutter fühlte, wußte er doch zunächst noch nicht, daß sie durch die Kraft des Heiligen Geistes den Sohn Gottes, den Heiland der Welt, empfangen hatte. Er befand sich in der größten Unruhe. Da er von Maria nichts Arges denken und sie nicht ins Gerede bringen wollte, gedachte er sie heimlich zu entlassen. Aber nicht lange ließ Gott ihn in dieser Unruhe. Jetzt erscheint ihm Gottes Engel zum erstenmal, sagt ihm die Wahrheit und bedeutet ihm, daß er sie zu sich nehmen solle. Joseph gehorcht: mit großer Ehrfurcht und Liebe führt er Maria als seine Ehefrau in sein Haus und wird ihr Beschützer und der Nährvater des Erlösers.

Als der Erlaß des Kaisers Augustus erging, alle Völker seines Reiches sollten aufgeschrieben und gezählt werden, gehorcht Joseph, obgleich er zu diesem Zwecke eine beschwerliche Reise machen muß, die mit Kosten und Opfern verbunden war. Er gehorcht ebenfalls, als mitten in der nacht der Engel befiehlt: „Joseph steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten!“ – Es kommt keine Frage, kein Wort der Auflehnung von seinen Lippen. Immerhin wußte er ja, daß es ein göttliches Kind war und hätte denken können, daß Gott dieses Kind vor Herodes bewahren würde. Aber er stand auf, verließ alles und gehorchte. Zwei Jahre später in Ägypten erscheint ihm der Engel wiederum und befiehlt ihm: „Joseph zieh zurück in das Land Israel. Sie sind alle gestorben, die dem Kinde nach dem Leben trachteten.“ – Und noch einmal muß Joseph alles verlassen, was er sich in dem fremden Lande neu aufgebaut hat, wiederum gehorcht er schweigend und klaglos und unternimmt die weite Reise in die Heimat, wie ihm geboten wurde. Joseph hat das öffentliche Auftreten Jesu und seine Passion anscheinend nicht mehr erlebt, da später von ihm in den Evangelien nicht die Rede ist.

Darstellung: Jesuskind tragend, Stab mit Lilienblüte in der Hand, mit Zimmermannswerkzeugen oder Wanderstab.

(nach: Erna und Hans Melchers, Das große Buch der Heiligen, Geschichte und Legende im Jahreslauf, Bearbeitung – Carlo Melchers, Südwest Verlag München, 9. Auflage 1986)


Bild: Ikone des hl. Joseph | Foto: Heike Hannah Lux

Die Vorfastenzeit

Septuagesima, Sexagesima, Quinquagesima
von P. Marc Brüllingen


confessional, cross, priest, religionMit dem Sonntag Septuagesima beginnt die sogenannte Vorfastenzeit. Die Vorfastenzeit verbindet sozusagen das Ende der Weihnachtszeit mit dem Beginn der Fastenzeit, welche mit dem Aschermittwoch beginnt. Die Namen der Sonntage Septuagesima (=70), Sexagesima (=60) und Quinquagesima (=50) bezeichnen nicht die genauen Abstände bis zum Osterfest, sondern sind aufgerundet.

Schon die Vorfastenzeit deutet auf den Ernst der eigentlichen 40tägigen Fastenzeit hin. Dies wird schon durch das Tragen des violetten Meßgewandes deutlich. Ebenso verstummt der „Alleluia-Ruf“ (bis zur Feier der Osternacht) und wird durch den Tractus ersetzt, der auf das Graduale (=Gesänge zwischen Lesung und Evangelium) folgt. Jedoch ist sie noch nicht so ernst wie die eigentliche Fastenzeit, da noch die Orgel erklingen darf und Blumen den Altar schmücken. Sie ist vielmehr eine behutsame Hinführung zur Fastenzeit, die uns an den Zweck der Menschwerdung Christi erinnern soll.

Der Sinn der Vorfastenzeit kommt sehr treffend im Evangelium von Septuagesima zum Ausdruck – das Gleichnis vom Hausvater, der ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg zu dingen. Denn hier geht es um die Mitwirkung am eigenen Seelenheil, und jeder ist dazu aufgerufen, daran mitzuwirken, in den Weinberg des Herrn einzutreten, um für seine Arbeit, seine Bemühungen dann den Lohn zu erhalten. Im Gleichnis ist es der Tageslohn am Abend, in unserem Leben ist es der ewige Lohn am Ende unseres Lebens, wenn wir von Gott für unsere Anstrengungen um das Heil der Seele mit dem ewigen Leben belohnt werden.

Bemühen wir uns somit, daß auch wir zu denjenigen gehören, die sich in diesem Leben auf Erden angestrengt haben, um von Christus am Lebensabend den einen Denar zu erhalten, d.h. in die ewige Glückseligkeit einzugehen. Wer in diesem irdischen Leben sich mit Christus und für Christus anstrengt, der wird in der Ewigkeit auch dafür belohnt werden.


Bild: Fotolia – ID 31611819

Zum Fest Epiphanie – Erscheinung des Herrn

(6. Januar)
von P. Marc Brüllingen


„Wir haben Seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, Ihn anzubeten.“

Am 6. Januar feiert die Kirche das Fest der Erscheinung des Herrn (griechisch: EPIPHANIE).

Während am hohen und heiligen Weihnachtsfest (25. Dezember) die stille Geburt Jesu Christi gefeiert wird, begeht die katholische Kirche am Fest Epiphanie das Fest des öffentlichen Bekanntwerdens des neugeborenen Königs, sozusagen das zweite Hochfest in der Weihnachtszeit, das altchristliche Christkönigsfest. Die ganze Welt soll die Geburt des neuen Königs erfahren.

Die Liturgie der Kirche feiert am Fest Epiphanie drei Offenbarungen:

  1. die Anbetung und Huldigung Christi durch die Weisen aus dem Morgenland

  2. die feierliche Verkündigung des himmlischen Vaters bei der Taufe Christi (Fest: 13. Januar)

  3. das erste öffentliche Wunder bei der Hochzeit zu Kana, um seine Herrschermacht zu offenbaren
    (Evangelium am 2. Sonntag nach Epiphanie)

Der Tag der Erscheinung des Herrn ist jedoch nicht nur ein Königsfest, sondern zugleich auch ein Vermählungsfest, da Christus sich mit seiner Braut, der heiligen Kirche vermählt.

Ebenso vermählt Christus sich mit uns, weil wir in den Weisen, die am heutigen Festtag kommen, um Christus, den König anzubeten und ihm ihre Geschenke darzubringen, die ersten Vertreter aus der Heidenwelt erblicken. Christus ist den Heiden erschienen (daher: epiphanein=erscheinen), um zu zeigen , daß auch sie durch ihn erlöst worden sind. Epiphanie ist somit auch das Fest der Berufung der Heiden.

Wir sind folglich auch dazu aufgerufen, Christus, dem König, entgegenzugehen, ihn anzubeten, so wie es die Weisen getan haben. Anstelle von Gold, Weihrauch und Myrrhe sollen wir Ihm uns selbst schenken mit Leib und Seele. Wir sollen unserem König angehören, ihm nachfolgen und ihm allein dienen. Wie die Weisen sollen wir uns auf den Weg machen, um Gott zu suchen, nach ihm zu fragen und ihn zu finden. Die Weisen sind vor allem daher ein schönes Vorbild des Sich-Mühe-Gebens bei der Suche nach Gott, keine Ruhe zu haben, bis man ihn endlich gefunden hat und dann ebenso diese große Freude zu haben, ihn anzubeten und ihm zu huldigen.


Foto: Heike Hannah Lux

Die heilige Lucia – Märtyrin in Syrakus

(13. Dezember)
P. Marc Brüllingen


Steht aber nicht am Lucientag über unseren Dörfern und Städten schon der Stern von Bethlehem? Nur noch zwölf Nächte trennen uns von dem Wunder der Menschwerdung Gottes; diese „heiligen zwölf Nächte“ sollen uns nicht schrecken, sondern alt und jung hinführen zur Krippe des Gottessohnes. Nur noch zwölf Nächte – das kündet uns der Lucientag. So hat auch Sankt Lucia selbst des Tages geharrt, an dem sie ihren Gott von Angesicht zu Angesicht schauen durfte. Sie starb als eines der letzten Opfer der römischen Verfolgungszeit. Eine Innschrift aus der Giovanni-Katakombe in Syrakus sichert ihre historische Existenz und erwähnt schon um das Jahr 400 ihr Fest. Als die nordischen Eroberer das Reich der Cäsaren zertraten, ging auch das Gedächtnis der Märtyrin Lucia unter. Erst Jahrhunderte später entsann man sich wieder ihres Namens, und die sinnende Legende wußte zu erzählen, was weder Stein noch Urkunde aufbewahrt hatten:

Sankt Lucia pilgerte mit ihrer Mutter Euthicia, die am Blutfluß litt, zum Grabe der heiligen Agatha nach Catania, rief fromm die große Heilige an und ward von ihr erhört. Voll Freude über die wiedererlangte Gesundheit gab ihr die Mutter die Erlaubnis, ihre Mitgift an die Armen der Stadt zu verschenken. Das erzürnte den Bräutigam wider sie, und er ging hin und klagte seine Braut Lucia bei dem Richter Paschasius an, sie sei eine Christin und des Todes schuldig. Paschasius befahl, Lucia ins Haus der Schande zu bringen; doch konnten tausend Leute sie so wenig von der Stelle bringen wie ein Joch Ochsen, das die Knechte anspannten. Auch Feuer und siedendes Pech taten ihr nichts zuleide. Während Paschasius in großer Verlegenheit dastand, wie er die Jungfrau vom Leben zum Tode bringen könne, sprang einer von seinen Freunden herzu und stieß Sankt Lucia den Dolch bis zum Heft in die Kehle. Sie lebte noch, bis sie den Leib des Herrn empfangen.

Die Legende will auch wisen, daß sie vor dem Tode ihre Augen, die ihr Bräutigam immer gepriesen, ihm als Dank für seinen Helferdienst zu Gott übersandt habe; denn sie schaute jetzt mit den Augen des Geistes. Mit den Augen des Geistes sollten auch wir diese Umdichtung streng vom schlichten Martertod unterscheiden.

Die heilige Lucia ist die Schutzheilige von Syrakus; ferner der Blinden, Bauern, reuigen Dirnen, Glaser, Kutscher, Näherinnen u. a. Im Dom von Syrakus, jener eindrucksvollen Basilika, die in einen antiken Tempel eingebaut ist, ist ihr eine Kapelle geweiht. Dort steht eine gekrönte Silberstatue der Heiligen mit Palmzweig und Öllämpchen. Oft sieht man sie aber auch mit einer Schüssel dargestellt, auf der zwei Augen liegen.

(nach: Hans Hümmeler, Helden und Heilige, 1964; Verlag Haus Michaelsberg, Siegburg; und: Erna und Hans Melchers, Das große Buch der Heiligen – Geschichte und Legende im Jahreslauf; Bearbeitung: Carlo Melchers; Südwest Verlag München, 8. Auflage 1985)

Der heilige Andreas Avellinus

(Fest: 10. November)
von P. Marc Brüllingen


* 1521 in Castronuovo, + 10. 11. 1608 in Neapel

Als Jüngling schon ein Bild auffallender Schönheit, leidenschaftlich und klug, hätte Lancelot Avellinus nicht im üppigen, sinnenfrohen Zeitalter der Renaissance leben dürfen, um nicht aller Augen auf sich zu ziehen. Mehr als einmal erging es ihm wie dem ägyptischen Joseph im Hause Potiphars; aber der Gedanke an seine inniggeliebte Mutter, eine Frau von seltener Tugend, bewahrte ihn vor dem Fall. Gern floh er aus den heißen Straßen seiner Vaterstadt Castronuovo hinaus aufs Land, sammelte dort die Kinder um sich und lehrte sie die Lauretanische Litanei, die ihm das schönste aller Gebete schien. Eine Verleumdung, als habe er die Tochter einer angesehenen Familie verführt, und die Racheschwüre der beleidigten Sippe trieben ihn nach Neapel. Wieder erneuerten sich die Versuchungen. Um vor den Liebesabenteuern vornehmer Damen Ruhe zu haben, mußte der junge Student sehr häufig seine Wohnung wechseln. Die Gelüste des eigenen Blutes bezähmte er durch anstrengende Arbeit und genaue Tageseinteilung. So errang er schon früh und mit Auszeichnung den Doktorhut in den Rechtswissenschaften.

Den Würden und Reichtümern des Diesseits war er nicht abgeneigt, und wenn er sich nach dem Abschluß seiner Studien zum Priester weihen ließ, so stand die Hoffnung auf ein geachtetes und bequemes Leben mittels einer guten Pfründe dabei nicht an letzter Stelle. Wozu das Priestertum in Wirklichkeit verpflichtet, das erfuhr er erst durch die vertraute Freundschaft mit seinem heiligmäßigen Beichtvater Peter Foscarenus aus dem Theatinerorden. Lancelot Avellinus kam ins Nachdenken; eine trübe Erfahrung vor Gericht sollte ihm den entscheidenden Anstoß zur Umkehr geben. Aus Eitelkeit und Ehrgeiz machte er auch als Priester gern den Anwalt bei irgendwelchen Rechtshändeln seiner Freunde. Dabei geschah es ihm eines Tages, daß er wider Recht und bessere Erkenntnis mit falschen Beweismitteln auftrat, nur um den Prozeß nicht zu verlieren. Von Gewissensängsten gequält, schwor er sich, niemals mehr eines Laienamtes zu walten, und wurde fortan ein Priester, den ganz Neapel wegen seines frommen Wandels achtete.

Deshalb vertraute ihm auch der Erzbischof die schwere, undankbare Aufgabe an, ein zuchtloses Frauenkloster zu reformieren. Die Helfershelfer der aufsässigen Nonnen aber überfielen ihn und verwundeten ihn schwer. Mit knapper Not rettete er sich in das Theatinerkloster. Kaum genesen, bat er kniefällig um Aufnahme in die strenge Genossenschaft, begann mit sechsunddreißig Jahren noch das Noviziat und nahm statt des romanhaften Ritternamens Lancelot den Namen Andreas an. Der Märtyrer des Kreuzes sollte sein besonderer Patron sein.

Mit einer heiligen Rücksichtslosigkeit kreuzigte er nun sich selbst, aber je mehr er der Eigenliebe abstarb und je gewissenhafter er der Regel folgte, um so tiefer drang er in die Weisheit Gottes ein, so daß viele Kardinäle und auch der heilige Karl Borromäus sich bei ihm Rat holten. Lange Zeit freilich sandte ihm Gott die Prüfung der Seelennacht; solange sie andauerte, ordnete er sich wie ein Kind den Weisungen derer unter, die bisher seine erleuchtete Kunst der Seelenführung bewundert hatten. Oder der Satan beängstigte und quälte ihn mit groben Mißhandlungen, konnte ihn aber nicht abschrecken, bis in sein hohes Greisenalter mit Anspannung aller Kräfte durch Gründung von Theatinerklöstern, Predigt und geistliche Übungen für die Erneuerung des verweltlichten Klerus aus dem Geiste des Urchristentums tätig zu sein. In seinem achtundachtzigsten Lebensjahr verschied er am 10. November 1608, eben im Begriff, das heilige Opfer darzubringen, an den Stufen des Altares mit dem dreimal wiederholten: „Introibo ad altare dei“ – „Zum Altare Gottes will ich treten …“.

Der heilige Andreas Avellinus wird als Patron gegen einen plötzlichen Tod verehrt.

(nach: Hans Hümmeler, Helden und Heilige, 1964; Verlag Haus Michaelsberg, Siegburg)

Das Fest der Mutterschaft der allerseligsten Jungfrau Maria

von P. Marc Brüllingen


ma03aDas Fest der Mutterschaft Mariä wurde im Jahre 1931 von Papst Pius XI. (1922-1939) feierlich eingeführt und auf den 11. Oktober festgelegt. Anlaß für dieses Fest war die 1500. Jahresfeier der Dogmatisierung der Gottesmutterschaft Mariens, die im Jahre 431 feierlich auf dem Konzil von Ephesus verkündet wurde.

Bei der Verkündigung des Dogmas lehrte das Konzil von Ephesus, daß „der Emmanuel (=Jesus Christus) wahrhaft Gott und deshalb die hl. Jungfrau Gottesgebärerin ist“. Hintergrund für die Dogmatisierung war die Irrlehre des Nestorius, der sog. Nestorianismus.

Nestorius, ein Syrer von Geburt, erhielt seine theologische Ausbildung in Antiochien, wo er Mönch und Priester war und wegen seiner Beredsamkeit großes Ansehen erlangte. Im Jahre 428 wurde er durch kaiserliche Huld Patriarch von Konstantinopel und erregte bald darauf durch seine Predigten, die beim Volk auf heftigen Widerspruch stießen, großes Aufsehen.

Er predigte gegen den Titel der „Gottesgebärerin“. Maria sei nur „Menschengebärerin“ oder besser „Christusgebärerin“, da sie den Menschen gebar, mit dem der göttliche Logos innig vereint war, in dem er wie in seinem Tempel wohnte. Nestorius lehrte also eine Zweiheit der Personen in Christus, d.h. in Christus seien nicht nur zwei Naturen, nämlich die göttliche und die menschliche Natur, sondern auch zwei Personen, die göttliche und die menschliche Person!

Das Dogma von der hypostatischen Union lehrt jedoch, daß die beiden Naturen in Christus, die göttliche und die menschliche, in einer Person und zwar in der zweiten göttlichen Person vereinigt sind (= hypostatische Union).

Gegen Nestorius trat der hl. Cyrill von Alexandrien (Fest am 9. Februar) auf, der in einem Schreiben den Titel theotókos (=Gottesgebärerin) verteidigte und Papst Cölestin I. um eine Entscheidung ersuchte. Cölestin I. gab Cyrill daraufhin uneingeschränkte Vollmacht zur Erledigung der Angelegenheit.

Inzwischen hatte Kaiser Theodosius II. für Pfingsten 431 ein allgemeines Konzil nach Ephesus einberufen, um die Frage zu klären. Bischof Johannes von Antiochien verzögerte absichtlich seine Ankunft, weil er ein Freund des Nestorius war. Mit 16-tägiger Verspätung eröffnete Cyrill – trotz des Einspruchs des Vertreters des Kaisers – am 22. Juni das Konzil, auf dem er die beherrschende Persönlichkeit war. Nestorius war zwar in Ephesus, erschien aber nicht auf dem Konzil. Vier Tage später erschienen die Antiochener und zeigten sich verletzt, da man nicht auf sie gewartet und ohne sie eine Entscheidung gefällt hatte. Begünstigt vom kaiserlichen Vertreter hielten sie ein Gegenkonzil unter Johannes von Antiochien ab, das die Lehre Cyrills verurteilte und ihn absetzte. Noch später erschienen die päpstlichen Legaten, die sich gleich auf die Seite von Cyrill stellten. Auch Johannes von Antiochien wurde exkommuniziert.

Beide Parteien wandten sich nun an den Kaiser, der zuerst beide Absetzungen bestätigte, dann aber die Rechtmäßigkeit der Absetzung des Nestorius anerkannte. Dieser wurde in ein Kloster verbannt. Nachträgliche Verhandlungen führten 433 zu einer Einigung zwischen Cyrill und den Orientalen, die vom Papst mit Freude begrüßt wurde.

Das Konzil von Ephesus (431) setzte Nestorius ab und folgte der Lehre des hl. Cyrill von Alexandrien, die darauf hin zielte, daß Christus nicht nur einer, sondern eins ist, ein Wesen, d.h. das zwei Naturen in einer Person vereinigt sind (= hypostatische Union).

So kam es also zur Dogmatisierung der „Gottesmutterschaft“ Mariens auf dem Konzil von Ephesus, daß Maria im wahren und eigentlichen Sinn Mutter Gottes ist. Dieser Satz besagt selbstverständlich nicht, daß Maria ihrem Sohn die göttliche Natur mitgeteilt hat, sondern daß ihr Sohn Gott ist. Maria hat nicht eine menschliche Natur geboren, sondern eine Person, nämlich den Gottsohn. Die Mutterschaft bezieht sich auf die Person. Nur wenn Maria einen Menschen geboren hätte, der erst später Sohn Gottes geworden wäre, wäre die Bezeichnung Gottesmutter falsch.

Die Gottesmutterschaft ist eine unverdiente Gnade. Maria konnte sie nicht verdienen, denn die Inkarnation (= Menschwerdung) ist das Prinzip aller Verdienste. Maria übertrifft alle geschaffenen Personen an Würde. Sie ist als Gottesmutter in ein einzigartiges Verhältnis zu Gott getreten. Sie hat Gott selbst die menschliche Natur geschenkt und ist seiner Menschheit nach mit ihm blutsverwandt.

Aufgrund der Erhabenheit dieses Dogmas von der Gottesmutterschaft Mariens hat Papst Pius XI. anläßlich der 1500-Jahrfeier der Dogmatisierung das Fest der Mutterschaft der allerseligsten Jungfrau Maria eingeführt.

Unser Herr Jesus Christus hat, als er sterbend am Kreuz hing, seine Mutter auch uns zur Mutter gegeben. Daher dürfen wir Maria als unsere Mutter verehren und in jeglichen Anliegen um ihren Schutz und ihre Fürbitte anrufen. Danken wir ihr täglich dafür.


Foto: Heike Hannah Lux

Der Erzengel Michael

von P. Miguel Stegmaier


Leben und Sterben des Menschen sind ständig umlauert vom Engel der Nacht. Sie sind auch bewacht vom Engel, der den Drachen besiegte. Die Kirche feiert zweimal jährlich ein Fest zu Ehren des Erzengels Michael, das Hauptfest am 29. September; das Fest seiner Erscheinung auf dem Berg Gargano am 8. Mai. Sie bittet ihn auch bei jeder heiligen Messe im Confiteor („Ich bekenne“), als den Vertreter der ganzen Engelwelt, daß er zusammen mit den Heiligen für uns Sünder bitte. Beim feierlichen Hochamt bietet sie ihm als dem großen Anbeter Gottes auch die Weihrauchschale an: „Auf die Fürsprache des heiligen Erzengels Michael, der zur Rechten des Rauchopferaltares stand, und all Seiner Auserwählten möge der Herr diesen Weihrauch segnen und als lieblichen Wohlgeruch annehmen. Durch Christus unsern Herrn.“ (Römisches Missale, Offertorium). Die Kirche hält in unserer vom Teufel umdrohten Zeit auch am zusätzlichen Gebete nach der heiligen Messe zum Erzengel Michael fest.

Mit ihr falten wir die Hände und bitten wider alle Teufel, die unser Leben und Sterben bedrohen, zum machtvollen Engel:

 „HEILIGER ERZENGEL MICHAEL, BESCHÜTZE UNS IM KAMPFE! BEHÜTE UNS GEGEN DIE NACHSTELLUNGEN DES BÖSEN FEINDES! IHM MÖGE GOTT GEBIETEN, SO FLEHEN WIR INSTÄNDIG!

DU ABER, FÜRST DER HIMMLISCHEN HEERSCHAREN, WOLLEST DEN SATAN UND ALLE ANDERN BÖSEN GEISTER, DIE ZUM VERDERBEN DER SEELEN IN DER WELT UMHERGEHEN, MIT GOTTES KRAFT IN DIE HÖLLE HINABSTOSSEN. AMEN.“

(Otto Hophan, Die Engel, Luzern, 1956)


Bild: Koptische Ikone | Foto: Heike Hannah Lux

Die Überreichung des Rosenkranzes an den hl. Dominikus

von P. Miguel Stegmaier


„Du bist als Frau so groß und giltst so viel
daß, wer nach Gnade dürstend dich nicht anruft,
umsonst zu fliegen suchte, ohne Flügel.“
(Dante, Die göttliche Komödie, XXXIII, 13 – 15)

Im Anfang des 13. Jahrhunderts waren die religiöse und politische Verhältnisse in nördlichem Italien, Spanien und südlichen Frankreich überaus dekadent. Eine neue Sekte von Häretikern blühte in Languedoc (eine große Provinz im Süden Frankreichs), bekannte als Albigenser oder Katharer. Der fromme und kluge Papst Innozenz III. schickte Bischöfe, Prälaten und Priester nach Südfrankreich, um die zerstreute Herde der Gläubigen zu sammeln und zu suchen, was verloren war. Unter diesen Missionaren war der hl. Dominikus aus Spanien. Er war ein Förderer und Verbreiter des Rosenkranzgebetes, deswegen ist ihm der allergrößten Wahrscheinlichkeit nach die Einführung des Rosenkranzgebetes zu Ehren der Allerseligsten Jungfrau Maria zuzuschreiben.

Er war ein Mensch des intensiven Gebetes; täglich während der Nacht kniete er vor dem Bilde Mariens und flehte mit Bitten, mit Tränen, mit strengen Bußen ihre Mutterliebe um Erbarmen gegen das verirrte Volk an. Nach einer Legende und Tradition der Kirche im Jahr 1208 erschien ihm die Muttergottes, während des Gebets in der Kirche „Notre Dame de Prouille“ und tröstete ihn liebreich und sprach: „Dein Werk wird gelingen, halte nur die Leute mehr zum Beten an und erkläre ihnen die Glaubenslehre in recht einfacher, leicht verständlicher Sprache“; sie lehrte ihm angeblich den Psalter oder den großen Rosenkranz in 15 Gesetzlein mit 15 Betrachtungen über das Leben, Leiden und die Verherrlichung Jesu und seiner Mutter, ihm zu sagen, diese Waffe zu verwenden, um die Albigenser zu besiegen. Dank dieses Gebetes finden nach wie vor viele Sünder zum katholischen Glauben und rezitieren es, um Fürsprache zu erbitten und Gnade zu empfangen. Selbst die betrogenen Irrgläubigen (sog. Albigenser oder Katharer) verließen zum größten Teile das Irrtum und kehrten in den Schoß der katholischen Kirche zurück.

Ihre weltliche Macht wurde im Jahre 1213 in der blutigen Schlacht bei Muret (Garonne) durch den tapferen Grafen Simon IV von Montfort vernichtet. Unmittelbar nach dieser Schlacht errichteten die Bewohner von Muret in ihrer dem hl. Jakobus geweihten Kirche eine Kapelle und zierten dieselbe mit einem Muttergottesbild. Darauf erblickte man zur Linken der Muttergottes den Bischof Fulco von Toulouse und Simon von Montfort, während zu ihrer Rechten der hl. Dominikus kniet, der in seiner rechten Hand ein von Pfeilen durchbohrtes Kruzifix hält und mit der Linken den von Maria dargereichten Rosenkranz empfängt.

Dies ist der Ursprung des hl. Rosenkranzes, den wir heute noch unverändert besitzen und beten. Er stammt vom Himmel, er ist ein Geschenk unserer Mutter Maria; er ist beglaubigt durch seine übernatürliche Kraft, Wunden zu heilen, Trost zu verbreiten, mit Freude zu beglücken. Darum in jeder Mariens Erscheinung empfiehlt sie ihren Kindern dieses teure Gebet zum Lobpreis, zur Danksagung und für die Bitte um die Stützung und die Gnade Jesu. Endlich, im Rosenkranzgebet erweist der Betende Gott und der Gottesmutter seine Ehre.

Weihnachten

von P. Marc Brüllingen


Keiner hat das hehre Geheimnis der Menschwerdung Gottes, das wir an diesem Tage feiern, so tief erfaßt und so ergreifend ausgesprochen, wie der hl. Evangelist Johannes, der im Evangelium der dritten Weihnachtsmesse spricht: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt! Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, wie die des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit!“

Jeden Tag betet der Priester im Auftrag der Kirche zum Schluß der hl. Messe dieses erhebende Bekenntnis, im „letzten Evangelium“, womit der hl. Johannes das seinige beginnt. Und um seine Ehrfurcht vor dem Geheimnis zu bekunden, das in diesen wenigen Worten zum Ausdruck kommt, beugt der Priester dabei das Knie und mit ihm die versammelten Gläubigen.

An keinem Tag des Jahres kommt es uns aber auch so lebendig zum Bewußtsein, was es heißen will: Gott unter den Menschen, dieses unaussprechlich erhabene und himmlische Geheimnis unseres hl. Glaubens, als heute, am Geburtsfest des Sohnes Gottes, des himmlischen Königs, wo die seligen Geister gesungen haben: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind (Gloria in excelsis Deo)!“

Gleich den Hirten, die freudigen Herzens bei der Kunde, die sie aus dem Engelsmund vernahmen, sich auf den Weg gemacht haben, in hoffnungsvoller Erwartung dessen, was der Herr ihnen offenbaren wollte, dürfen auch wir uns ihre Worte zu eigen machen: „Laßt uns nach Bethlehem eilen und sehen, was der Herr uns kundgetan hat!“ Denn es ist ein wahres Wunder, was wir da schauen!

Ein Wunder der göttlichen Allmacht. Nun sehen wir die erfüllt brennende Begierde der Patriarchen, die Weissagungen der Propheten von dem, der da kommen sollte zum Heil der Welt, gestillt die Sehnsucht der Völker nach dem verheißenen Erlöser, erfüllt, was der hl. Erzengel Gabriel zu Maria, der reinen Jungfrau, gesprochen hatte: „Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären, und seinen Namen sollst du Jesus nennen! Dieser wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden. Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben und herrschen wird er über das Haus Jakob ewiglich, und seines Reiches wird kein Ende sein!“

Der eingeborene Sohn Gottes hat den Schoß seines himmlischen Vaters verlassen, ist herabgestiegen vom Thron seiner Herrlichkeit, „empfangen vom Hl. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau“, wie wir es im Credo (Glaubensbekenntnis) bekennen. Dieses Kind, das in der Krippe liegt, das nichts sein eigen nennt, als armselige Windeln, ist der starke, allmächtige Gott, dessen Machtwort alles, was da ist, ins Dasein gerufen hat. So klein, schwach und hilflos dieses Kind uns auch erscheint – es ist der große, unendliche Gott, der das unermeßliche Weltall wie einen Spielball in seinen Händen wiegt.

Denn, was unser Auge nicht sieht, das sagt uns unser lebendiger Glaube: Es ist niemand anders, als unser Emmanuel, unser Messias (Erlöser/Gesalbter). Christus, vor dessen Majestät die Cherubim und Seraphim in heiliger Scheu ihr Antlitz verhüllen, will mitten unter uns sein! Was können wir da anderes tun, als voller Liebe und Demut uns niederzuknien, vor ihm, der unser Gott und Heiland ist, und in den Jubelruf der Kirche einstimmen: Christus ist uns geboren! Kommt, lasset uns ihn anbeten!

Es ist ein Wunder der göttlichen Gerechtigkeit. Sehen wir an der Krippe nicht das Wort des Propheten bewahrheitet: „Gott selbst wird kommen, uns zu erlösen!“ Ja, Gott selbst ist gekommen, die unendliche Schuld abzutragen, die auf der Menschheit gelastet hat von Adam her, er selber, um der göttlichen Gerechtigkeit genugzutun.

Aber es ist auch ein Wunder der göttlichen Liebe. Das dürfen wir nicht vergessen. Denn nur die Liebe ist es, die Gott auf die Erde herabziehen konnte, um als kleines, armes schwaches, unschuldiges Kind unter uns Menschen zu erscheinen. Er ist gekommen, unser Friedensfürst, nicht um mit Waffengewalt die abtrünnige Welt wieder unter sein Zepter zu zwingen, nicht um irdische Reiche, sondern die Menschenherzen zu erobern durch die Allgewalt seiner Liebe, in den Menschenseelen seinen Thron aufzuschlagen!

Deshalb offenbart er sich uns Menschen als kleines, unschuldiges Kind, um auf diese Weise unsere Herzen zu erobern und mitzureißen. Hier beim göttlichen Kind, das so armselig in einem Stall außerhalb von Bethlehem geboren wird, das uns Menschen so sehr geliebt hat, lernt auch der Mensch wieder den Menschen zu lieben.


Foto: Heike Hannah Lux

Fegefeuer (Purgatorium)

von P. Miguel Stegmaier


„Ist er auch als Sünder gestorben… so sollst du ihm doch so viel als möglich zu Hilfe kommen, nicht mit Tränen, sondern mit Gebet und Flehen, mit Almosen und Opfern.“ (hl. Johannes Chrysostomus, hom. 41. in ep. I Cor. 4. 5.)

1. Was ist das?

„Nach katholischer Glaubenslehre verstehen wir unter Fegfeuer den Vorgang der sittlichen Läuterung, in der die Seelen der Gerechten des Eintritts in das Himmelreich würdig werden (Offb. 21, 27), wenn sie entweder mit läßlichen Sünden aus diesem Leben geschieden sind oder noch zeitliche Strafe für ihre schon vergebenen Sünden abzubüßen haben“ (Cfr. C. Gröber, Handbuch der religiösen Gegenwartsfragen, Freiburg i.B. 1940, S.292)

Das Fegfeuer ist nach katholischer Lehre nicht so sehr ein Ort, als vielmehr ein Zustand der Läuterung, in dem die Seelen der Verstorbenen, die im Stand der Gnade gestorben sind, aber noch lässliche Sünden oder zeitliche Sündenstrafen abzubüßen haben. Es ist ein Zustand der Strafe und Läuterung bis zur vollen Reinheit und damit zum Eintritt in den Himmel. Das Strafleiden besteht hauptsächlich im Ausschluss von der Anschauung Gottes. Es ist ein Schmerz der Seele; Sehnsucht und Heimweh nach Gott.

2. Die Lehre vom Fegfeuer ist kirchlicher Glaubenssatz, Dogma. Die Kirche, die sehr wohl um die große Verantwortung gegenüber der Lehre Christi und auch für die Gläubigen weiß, hat immer daran festgehalten. Sie hat den Satz Luthers verworfen (Cfr. Konzil von Trient, sess. 25: decretum de purgatorio, 3. Dez.1563): „Das Fegfeuer kann nicht aus der Schrift bewiesen werden.“

Die Kirche stützt sich dabei vor allem auf folgende Schriftzeugen:

A) 1 Makk 12, 40-46 – „Judas der Makkabäer und seine Leute wandten sich zum Gebet und flehten, dass die begangenen Sünden (Götzendienst der Gefallenen) gänzlich vergeben werden möchten. Dann veranstaltete er seine Sammlung unter seinen Leuten und brachte 2000 Drachmen Silber zusammen. Diese sandte er nach Jerusalem, damit ein Sündopfer dargebracht würde, damit sie von ihren Sünden erlöst würden. Ein heiliger und frommer Gedanke. Das war eine sehr schöne und edle Handlung, weil er an die Auferstehung dachte.“

B) 1 Kor. 3, 11-15 – „…Er wird gerettet, jedoch nur wie durch Feuer…“ – Aus dem Feuer der Hölle aber wird niemand gerettet.

C) Matth. 5, 25 und Lk. 12, 58 ff. – In einer Gleichnisrede spricht der Herr von einem Gefängnis, aus dem niemand herauskommt, bevor die Schuld bis auf den letzten Heller bezahlt ist: „Verzeihe…, sonst könntest du in den Kerker geworfen werden. Ich sage dir, du kommst dort nicht heraus, bis du den letzten Heller bezahlt hast.“ – Also ist dort noch eine „Abzahlung“, eine Tilgung möglich.

D) Matth. 12, 32 – Christus selbst spricht: „Wer gegen den Heiligen Geist sündigt, findet keine Vergebung, weder in dieser noch in der zukünftigen Welt.“ – Also kann auch in der zukünftigen Welt noch Sünde nachgelassen oder vergeben werden. Es gibt also eine dritte, wenn auch zeitlich beschränkte Möglichkeit.

3. Haupträger der Fegfeuerlehre ist die Überlieferung und die Kirchenväter.

a) Clemens von Alexandrien (vor † 215): Er nimmt mit Plato an, daß die Strafen Gottes nur zur Läuterung dienen. Plato sagte: „Wer Strafe erleidet, erfährt eine Wohltat“ (Paed 1, 8). Dieses Wort wendet Clemens aber nicht ausdrücklich auf die Höllenstrafe an.

b) Tertullian († 220): Er kennt einen Zustand des Sühneleidens nach dem Tode. Mit Ausnahme der Märtyrer bleiben die Verstorbenen bis zum Tage des Herrn in der Unterwelt und erleiden dort Peinen (supplicia) aus denen sie durch fürbittendes Gebet der Lebenden in das refrigerium geführt werden. Er bezeugt schon die Gewohnheit, für die Verstorbenen Fürbittgebete und Gaben darzubringen, vor allem das heilige Messopfer. (Cfr. An 51, 58; Resurr 43; Monog 10, usw.)

c) Origenes († 255): Er hält an der Existenz des Fegfeuers fest. Ein Hauptpunkt der Origeneslehre war die Wiederherstellung aller Seelen: bzw. die Seelen derer, die auf Erden gesündigt haben, kommen nach dem Tode in ein Läuterungsfeuer; aber allmählich steigen alle, auch die Teufel, von Stufe zu Stufe höher und werden schließlich ganz gereinigt in ätherischen Leibern auferstehen, die den jetzigen nur an Gestalt gleichen, nicht dem Stoffe nach identisch sind, und Gott ist wieder alles in allen. Jedoch diese Wiederherstellung bedeutet nicht das Weltende, sondern nur einen vorläufigen Abschluß. (Cfr. Über die Purgatio (Reinigung) durch Christus im Jenseits [Fegfeuer] wird in HomLev 8, 5 behandelt)

d) Cyprian von Karthago († 258): Wie die alte Kirche allgemein, so glaubte auch Cyprian, daß die Märtyrer sofort in die Anschauung Gottes eingehen; die übrigen aber müssen nach dem Tode noch der Verzeihung harren und im Kerker warten, bis der letzte Heller bezahlt ist (Ep 55, 20). Er kennt also eine Reinigung nach dem Tode.

e) Ephräm der Syrer († 373): In seinem Testament bittet er: „Sind 30 Tage nach meinem Tode verflossen, so bringet für mich das heilige Opfer dar; denn es wird den Toten geholfen durch die Opfer, welche die Lebenden darbringen“ (EP 741)

f) Cyrill von Jerusalem († 386): Er wiederlegt diejenigen, welche meinen, daß denen, welche als Sünder gestorben sind, die Fürbitte nichts nützen könne, durch ein Gleichnis. Ein König vergibt auch seinen schuldigen und verbannten Untertanen auf die Fürbitte der Angehörigen derselben; wir bringen für die verstorbenen Sünder und für unsere eigenen Sünden das geschlachtete Opferlamm dar, um ihn uns und ihnen gnädig zu stimmen: Wir bringen Christus, der für unsere Sünden sich geopfert hat, für die verstorbenen Sünder und für unsere eigenen Sünden den liebevollen Gott dar.

g) Ambrosius von Mailand († 397): Er läßt seine Trauerreden in Fürbitten für die Toten ausklingen und bringt für sie das eucharistische Opfer dar (vgl. auch Ep 39). Der Tod sei ein Gut (ExcFratr 2) und „alle müssen durch das Flammenmeer hindurchgehen, und mag es Johannes sein“ (Ps 118), die Gerechten wie Israel durch das Rote Meer (Ps 38), die Ungläubigen wie Pharao: für sie wird es „ultor ignis“ (das strafende Feuer) von ewiger Dauer (Ps 36); den endgültigen Spruch erfahren Gerechte und Ungläubige formell beim Endgericht, auch die dritte Klasse, die Sünder, die wieder in zwei Gruppen unterschieden werden, je nachdem gute oder böse Werke überwiegen. Die zweite Gruppe erleidet das Schicksal der Ungläubigen (Ep 2); für die erste Gruppe werden die Flammen zum Reinigungsfeuer, dem dann das Paradies folgt (Ps 1).

h) Johannes Chrysostomos (†407): „Bringen wir ihnen Hilfe und halten wir ein Gedächtnis an sie. Wenn doch die Söhne Jobs durch das von ihrem Vater dargebrachte Opfer geläutert wurden1, wie sollten wir dann daran zweifeln, daß unsere Opfergaben für die Toten ihnen Trost bringen? Zögern wir nicht, den Verstorbenen Hilfe zu bringen und unsere Gebete für sie aufzuopfern.“ (Hom. In 1 Cor. 41, 5)

i) Augustinus († 430): Er berichtet, dass seine Mutter Monika in einem Gespräch den Wunsch äußerte: „Begrabet meinen Leib, wo ihr wollet; nur darum bitte ich euch, daß ihr am Altare des Herrn stets meiner gedenket.“ (Bekenntnisse)

j) Caesarius von Arles: Er schreibt: „Es mag vielleicht jemand sagen. Ich bekümmere mich wenig um die Zeit, die ich im Fegfeuer zubringen werde, wenn ich nur zum ewigen Leben gelange. Allein Gott gefällt eine solche Denkart nicht. Alle Qualen dieses Lebens können mit jenen des Reinigungsortes nicht in Vergleich gesetzt werden. Und wer weiß denn, wie viele Tage, Monate, Jahre er dort bleiben muß? Man würde sich fürchten, eine lange Zeit in der verzehrenden Flamme zu sein?“

k) Gregor der Große († 604): „Man muß glauben, daß es vor dem Gericht für gewisse leichte Sünden noch ein Reinigungsfeuer gibt, weil die ewige Wahrheit sagt, daß wenn jemand wider den Heiligen Geist lästert, ihm ‚weder in dieser noch in der zukünftigen Welt‘ vergeben wird (Mt 12, 32). Aus diesem Ausspruch geht hervor, daß einige Sünden in dieser, andere in jener Welt nachgelassen werden können.“ (Dial. 4, 39)

l) Thomas von Aquin († 1275): Der größte Theologe begründet das Fegfeuer.

Alle diese großen Theologen wollten doch rechtgläubige und schrifttreue Christen sein.

Seit dem Jahr 1000 gibt es ein allgemeines Fest: Allerseelen.

1. Die theologische Vernunft fordert ein Fegfeuer, denn: „nichts Unreines kann in den Himmel eingehen“ (Weisheit 7, 25; Isaias 35, 8). Wer aber ist ganz rein von jeglichem Makel? Es ist aber ungerecht, für kleines Vergehen die Höllenstrafe zu fordern. Also bleibt nur ein Zwischenzustand der Läuterung und Vorbereitung auf den Himmel, das Fegfeuer. Das ist sehr tröstlich: „Tröstet miteinander mit diesen Worten.“

2. Auch die Liturgie und Gebetspraxis der Kirche bezeugt eindeutig den Glauben an das Fegfeuer. Seit den frühesten Zeiten betet sie für die Verstorbenen und kommt ihnen zu Hilfe durch Gebet, vor allem durch das Messopfer, durch Opfer und Werke.

Schon in den Katakomben finden wir viele Hinweise; z.B.: „Betet für Emilia!“ – usw. Der hl. Johannes Chrysostomos z.B. beruft sich sehr triftig auf die Anordnung der Apostel, welche in der Liturgie für die Verstorbenen zu beten vorschreiben: eine Übung, die doch nicht nutzlos sein könne. „Die Apostel wußten recht wohl, daß den Abgeschiedenen daraus großer Nutzen zufließt. Wenn nämlich das gesamte Volk mit aufgehobenen Händen dasteht mit der ganzen Schar der Priester und das schauererregende Opfer auf dem Altare liegt: wie sollten wir da nicht durch unsere Bitten für sie das Herz Gottes erweichen. Deshalb beten wir voll Zuversicht für die ganze Welt und gedenken der Verstorbenen neben den Märtyrern, neben den Bekennern und Priestern. Denn wir alle machen ja nur einen Leib aus, wiewohl ein Glied vorzüglicher ist als das andere, und es ist möglich, daß wir durch die Gebete und Opfer und durch die Fürbitte derjenigen, deren Namen wir mit den übrigen nennen, ihnen volle Verzeihung erlangen“ (hom. 41. In ep. I Cor. 4. 5.).

Häufig werden auf den Grabschriften der Katakomben die Seelen der Verstorbenen den heiligen Märtyrern empfohlen. So schon auf zwei Epitaphien des III. Jahrh. Auf dem Grabe des zweijährigen Knaben Paulus heißt es: „In pacem te suscipian(t) omnium ispirita sanctorum“ (In Frieden empfangen [begrüßen] dich alle Seelen der Aller Heiligen).

Die Grabinschriften sind überhaupt die ältesten Dokumente für die Fürbitte für die Abgeschiedenen, sie liefern also sozusagen einen monumentalen Beweis. Aus der Katakombe der Priscilla, aus dem 2. Jahrh., finden wir die schöne Akklamation „Pax tecum“, „Pax tibi“ (Friede sei mit dir) und die noch deutlichere Grabschrift: ho kýrios metà soû (Dominus tecum, der Herrist/sei mit dir), und ein Fragment: „Spir(itus tuus) requiescat [in Deo] (Dein Geist ruhe in Gott).

1. Auch psychologisch ist es sehr angemessen und erwünscht, dass man lieben Menschen auch nach dem Tode noch etwas Gutes tun kann: die Mutter dem Kind, das Kind der Mutter. Wenn die helfende Liebe das erste Gebot ist, dann wäre es doch unangemessen, wenn hier gar keine Möglichkeit mehr gegeben wäre, diese Liebe zu üben und dem anderen zu helfen.

Zudem soll doch auch der Mensch alles tun, was er kann, um das Böse wieder gutzumachen. Schon dem Kind verzeihen die Eltern zwar, verlangen aber irgendeine zumutbare Gutmachung.

Wenn Gott nicht ähnlich handelt, dann könnte es so scheinen, als ob die Sünde weiter nicht von Bedeutung wäre, oder als ob Gott sie gar nicht so ernst nähme. Das passt aber nicht zu seinem Kreuz. Man würde auch die menschliche Verantwortung nicht ernst genug nehmen, wenn es doch ziemlich egal wäre, ob man viel und schwer sündigt oder nicht, da ja Gott am Ende sowieso alles erledigt. Dadurch wäre der Mensch entwürdigt, denn es drängt den sittlich normalen Menschen, auch selbst wieder gutzumachen, soviel er kann, Genugtuung zu leisten, um so auch seine Reue und seinen guten Willen zu zeigen. Dabei weiß der Christ sehr wohl, dass er niemals von sich aus „genug tun“ kann. Je unsicherer und problematischer einem das Fegfeuer erscheint, desto mehr bemühe er sich, dass er es nicht braucht, sondern heilig und makellos gleich in den Himmel eingehen kann.

2. Verzerrungen der Fegfeuerlehre sind abzulehnen und streng zu meiden. Ein Aufrechnen von Schuld und Strafe ist uns verwehrt. Das ist allein Gottes Sache. Es ist auch völlig verfehlt, über die Dauer des Fegfeuers für den einzelnen eine Zeitberechnung anzustellen, denn Ewigkeit ist nicht Zeit

Ebenso unsinnig wäre es, berechnen zu wollen, wie viele heilige Messen oder Ablässe oder Rosenkränze usw. jemand noch braucht, bis er aus dem Fegfeuer erlöst wird, zumal alle unsere Hilfen immer nur in Gottes Hand gelegt werden können, damit er sie wirksam werden lässt, wem und wie er will. Vor allem aber ist es freventlich, das Fegfeuer bzw. die armen Seelen als Auskunftsbüro über Dinge im Jenseits zu missbrauchen.

Es ist zwar durchaus möglich und viele bezeugen solche Tatsachen glaubwürdig (Cfr. Mein Verkehr mit Armen Seelen, Maria Anna Lindmayr O.C.D. Oder die Visionen von hl. Katharina von Siena, usw.), dass Gott einzelnen Verstorbenen erlaubt, mit Angehörigen irgendwie in Beziehung zu treten – warum auch nicht? – aber das sind ganz private Dinge, und angebliche Auskünfte der armen Seelen sind mit größter Vorsicht zu betrachten.

Und wenn jemand unsere Fürbitte gar nicht mehr nötig hat, weil er nicht mehr im Fegfeuer ist? Dann wird Gott unsere Liebestat sicher gütig aufnehmen und wirksam werden lassen.

„Wie lange das Fegfeuer dauert, nach welchen Regeln die Dauer von Gott festgesetzt wird, ist uns völlig unbekannt; denn die Zeitbestimmungen, welche in den Offenbarungen und Fegfeuergeschichten mitgeteilt werden, entbehren der nötigen dogmatischen Sicherheit, um von der Glaubenswissenschaft verwertet, oder auch nur von den Gläubigen zur Richtschnur ihres Verhaltens gemacht werden zu können. Unbegreiflich ist, wie Domingo de Soto, O.Pr. (spanischer Philosoph und Dogmatiker, um 1500, † 1542) und Juan Maldonado, S.J. (spanischer Exeget, 1534, † 1583) behaupten konnten, keine Strafe des Fegfeuers dauere über 10 Jahre. Diese Meinung wurde „implizite“ verurteilt durch die Zensur, welche Papst Alexander VII. (1655-1667) über den falschen Satz der Jansenisten: „Annum legatum pro anima relictum non durat plus quam per Decem annos“ aussprach (Der jährliche Legat, der für die Seele nachgelassen worden ist, dauert nicht länger als zehn Jahre) [Omnes damnatae et prohibitae ut minimum tamquam scandalosae, diese Ansichten sind mindestens als skandalös verurteilt und verboten worden] (D. 1014)

Christi Himmelfahrt

von P. Marc Brüllingen


himmelfahrtMit der Himmelfahrt schließt das irdische Leben des göttlichen Heilandes ab. Sie ist das letzte Geheimnis des Erdenwandels und das erste Geheimnis des Himmels. Mit ihr erreicht die Verherrlichung des Heilandes die letzte Stufe.

Der Heiland mußte seine Verherrlichung mit der Besitznahme des Himmels vollenden. Erstens seinetwegen. Er hatte die Himmelfahrt in Aussicht gestellt. Hier auf Erden ist ja für niemand der Ort des Bleibens, weil die Erde nur der Ort der Vorbereitung und nicht das Ziel ist. Am allerwenigsten konnte der Gottmensch hier bleibend verweilen. Als Gott hatte er den Himmel nie verlassen; als Gottmensch hatte er Recht auf ihn und mußte ihn in Besitz nehmen, um seine Glorie zu vollenden.

Auch von unserer Seite gab es Gründe für die Himmelfahrt des Herrn. Er hatte sein Werk vollbracht und die Kirche ausgebaut. Hier konnte uns seine Anwesenheit nichts mehr nützen, wohl aber sein Hingang zum Vater in den Himmel. Dadurch nützte er dem Leben des Glaubens; dadurch hob er mächtig unsere Hoffnung, daß er schon für uns vom Himmel Besitz nahm, und nicht weniger unsere Liebe durch die herrlichen Gaben, die er vom Himmel her sendet, besonders durch den Heiligen Geist, der die Liebe selbst ist und die Liebe in unsere Herzen ausgießt, der aber nicht gekommen wäre, wenn der Herr nicht zum Himmel aufgefahren wäre, ebensowenig, als auch für uns der Himmel geöffnet worden wäre.

Die Himmelfahrt ist also nicht nur eine Ehre für unsere Natur, indem sie dieselbe in Christus über alle Ordnungen des Himmels hinaus zum Mitbesitz aller göttlichen Ehren erhob, sondern auch eine Quelle des Heils, indem sie unser Tugendleben stärkt und erhebt und den Heiland in den Stand setzt, für uns den Himmel in Besitz zu nehmen und dort unser Sachverwalter beim Vater zu sein.

Die Vorbereitung zur Himmelfahrt bestand vor allem darin, daß der Heiland die Jünger nach Jerusalem beschied. Dort wollte er zum Himmel auffahren und sein Reich antreten, in der Stadt des Thrones Davids. Dort gab er ihnen auch seine letzten Weisungen. Er befahl ihnen in der Stadt zu bleiben und das Kommen des Heiligen Geist zu erwarten. Von dort sollten die Apostel dann ihr Predigtamt antreten in alle Welt. Indessen sollte die Himmelfahrt nicht in Jerusalem selbst und nicht vor dem Volke stattfinden, weil auch dieses Geheim-nis dem irdischen Leben nicht angehört.

Die Himmelfahrt selbst geschah in der Kraft des Gottmenschen und, insofern sie den menschlichen Augen sichtbar war, allmählich und mit Erweisen großer Macht und Herrlichkeit. Wie groß diese Herrlichkeit war, geht daraus hervor, daß eine Wolke erschien, d.h. Eine herrliche Lufterscheinung; dann aus der Angemessenheit, daß der Gottmensch in aller ihm entsprechenden Machtentfaltung zum Himmel fuhr; drittens aus den Wirkungen, welche die Himmelfahrt auf die Apostel ausübte, die, statt zu trauern über den Hingang des Heilandes, sich freuten und ihn anbeteten, ein Zeichen, daß er namentlich in diesem Augenblick eine ganz göttliche Herrlichkeit um seine Person zeigen ließ; endlich aus den Worten der Engel: „So wird er einst wiederkommen, wie ihr ihn habt auffahren sehen“, nämlich zum Gericht, zu dem er, wie wir wissen, mit großer Macht und Herrlichkeit erscheinen wird.

Auch bei uns muß die Himmelfahrt vor allem Freude bewirken, Freude am göttlichen Heiland. Er ist jetzt am Ziel und im Besitz der Fülle seiner Glorie, ihn erwartet jetzt nichts anderes als Ehre und Freude ohne Ende. „Seines Reiches wird kein Ende sein“ (Lk 1,33). Freude auch unseretwegen, denn der Himmel ist unser, der Heiland hat ihn für uns in Besitz genommen als unser gemeinschaftliches Erbe. „Ich steige auf zu meinem Gott und zu eurem Gott, zu meinem Vater und zu eurem Vater“ (Jo 20,17). Der gute Heiland, unser Bruder, wird uns unseren Teil nicht vorenthalten. Also freuen wir uns! Diese Freude kann uns niemand nehmen.

Dann muß die Himmelfahrt in uns auch Mut und Vertrauen bewirken. Schließlich ist die Wirkung der Himmelfahrt Liebe und Sehnsucht. Im Himmel ist der Heiland, ist Gott, ist alles Schöne und Gute, der Himmel ist die Heimat, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wo anders sollte unser Herz sein? Deshalb denken wir oft an den Himmel und sehnen wir uns nach ihm.


Foto: Heike Hannah Lux

Gedanken zur Schmerzhaften Mutter

von P. Marc Brüllingen


kreuz01Jetzt in der Fastenzeit und der sich daran anschließenden Passionszeit sollen wir nicht nur das bittere Leiden und Sterben Jesu Christi betrachten, sondern auch der schmerzhaften Mutter gedenken.

Die zwei wohl bekanntesten Darstellungen der schmerzhaften Mutter sind: „Maria unter dem Kreuz“ und „der Leichnam Jesu auf dem Schoße Marias“ (Pietà).

Die katholische Kirche feiert zweimal im Jahr ein Fest zu Ehren der schmerzhaften Mutter, am Freitag nach dem ersten Passionssonntag und am 15. September. Letzteres wurde im Jahre 1814 von Papst Pius VII. eingeführt, anläßlich seiner glücklichen Rückkehr aus der Gefangenschaft Napoleons. Papst Pius VII.

Papst Pius VII. ist es auch gewesen, der die Litanei zur schmerzhaften Mutter verfaßt hat. Im Evangelium vom Fest der Sieben Schmerzen Marias heißt es: „In jener Zeit standen bei dem Kreuze Jesu seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleophas und Maria Magdalena. Als Jesus seine Mutter und den Jünger, den er liebhatte, dastehn sah, sprach er zu seiner Mutter: Frau, siehe deinen Sohn! Hierauf sprach er zu dem Jünger: Siehe deine Mutter! Und von dieser Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.“

Das Wort des sterbenden Sohnes stellt die Mutter in den Schutz des Johannes und Johannes in den Segen Marias. Das Abschiedswort des sterbenden Herrn an Seine Mutter und an Seinen Freund hat eine Tiefe, welche die Christenheit erst allmählich im Laufe der Jahrhunderte erkannt hat und erkennt; denn auch heute ist das Geheimnis dieses Wortes noch nicht nach allen Seiten hin erschlossen, das Geheimnis der geistigen Mutterschaft Marias über die ganze Christenheit.

Das christliche Gemüt begann zu ahnen und verstand es dann immer deutlicher, daß Jesus am Kreuz Maria nicht nur Johannes, sondern uns allen zur Mutter bestellt hat, und daß nicht allein Johannes, sondern wir alle Söhne und Töchter Marias sind. Johannes ist nur unser Vertreter. Maria ist die Mutter der ganzen in Christus zusammengefaßten Menschheit.

Das Evangeliumswort, für sich allein genommen, läßt allerdings diesen weittragenden Schluß nicht zu. Dort ist nur von Johannes die Rede. Ihm, ihm allein, wird beim Kreuz die Auszeichnung und die Pflicht zur Sorge für Maria übergeben. Und auf ihn, auf ihn allein, auf keinen anderen Jünger, wird Maria wie auf einen Sohn verwiesen, dem sie ihrerseits Mutter sein soll, sein darf. Die Väter der Kirche bezogen darum diesen Text durchwegs nur auf das Mutter-Sohn-Verhältnis, das zwischen Maria und Johannes bestand, mit keinem Wort auf eine geistige Mutterschaft Marias über uns alle.

Erst bei Origines (+254) findet sich eine Stelle, welche jenes Wort des Herrn auch auf die Christusgläubigen, Christusliebenden ausweitet (Origines, in Joannem, vol. 6,14,32). Doch vergingen noch Jahrhunderte, bis im Abendland erstmals der Abt Rupert von Deutz anfangs des 12. Jahrhunderts, und dann ganz klar und unmittelbar Dionysius der Kartäuser im 15. Jahrhundert jenes Wort des Herrn mit einer allgemeinen geistigen Mutterschaft Marias in Verbindung brachten.

Wir wollen dem Heiland für sein Leiden und Sterben zutiefst dankbar sein, aber auch für die Tatsache, daß er uns seine heiligste Mutter uns zur Mutter gegeben hat. Aus diesem Grunde gebührt auch Maria unsere Dankbarkeit, da sie durch ihr Leiden, durch ihre Schmerzen, ja durch ihr Mitleid(en) wesentlichen Anteil an unserer Erlösung miterwirkt hat.

Bitten wir daher die schmerzhafte Mutter jederzeit um ihre Hilfe, um ihren Beistand, wenn uns Niedergeschlagenheit, Trauer oder sonstiges Leid heimsuchen. Sie kann uns helfen, sie will uns helfen, und sie wird uns auch helfen, wenn wir sie nur vertrauensvoll und inständig um Hilfe bitten.


Foto: Heike Hannah Lux

Der hl. Blasius – einer der 14 Nothelfer

von P. Marc Brüllingen


Untrennbar mit dem Namen des heiligen Blasius ist der sog. Blasiussegen verbunden, den der Priester am Fest des hl. Blasius, am 3. Februar, den Gläubigen spendet. Hierzu kniet jeder Gläubige vor dem Altar nieder. Der Priester hält in Kreuzesform zwei Kerzen, die am Blasiusfest eine eigene Segensformel haben, vor den Hals des Gläubigen und spricht das im Römischen Rituale angegebene Segensgebet:

„Per intercessiónem sancti Blásii, Epíscopi et Mártyris, líberet te Deus a malo gútturis, et a quólibet álio malo. In nómine Patris, et Fílii + et Spíritus Sancti. Amen.“

(„Auf die Fürsprache des heiligen Bischofs und Martyrers Blasius bewahre dich Gott vor Halskrankheit und jeglichem anderen Übel. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“)

Die Tatsache, daß der hl. Blasius besonders bei Halskrankheiten um Hilfe angerufen wird, ist in dem Ereignis begründet, als der hl. Blasius im Kerker einem Jungen durch sein Gebet das Leben gerettet hat, weil dieser an einer Fischgräte zu ersticken drohte.

Blasius wurde um die zweite Hälfte des 3. Jh. in Sebaste/Armenien (heute: Sivasin/Türkei) geboren und starb ebenda wohl im Jahr 316 den Martertod unter Kaiser Licinius (308-324?). Wahrscheinlicher ist aber das Martyrium zur Zeit von Kaiser Diokletian.

Blasius war von Beruf Arzt und wurde später Bischof in seiner Heimatstadt Sebaste. Über das Leben des Heiligen ist uns nur wenig bekannt. Nach der Legende soll sich Blasius während der Christenverfolgung in einer Höhle versteckt haben, wo er von wilden Löwen, Tigern und Bären bewacht wurde. Vögel brachten ihm Nahrung herbei, und er segnete wilde Tiere und heilte deren Verletzungen. Die Jäger fanden kein Wild mehr, da sich alle Tiere zu Blasius geflüchtet hatten. Aus dieser Einsiedelei heraus soll Blasius dann sein Bistum geleitet haben.

Eines Tages dann offenbarte ihm Christus daß die Zeit seines Martyriums gekommen sei. Trotz der Bewachung durch die wilden Tiere wurde er von Jägern gefangengenommen und vor den Statthalter Agrikolaos gebracht. Dieser ließ ihn ins Gefängnis werfen, da Blasius sich weigerte Götzenbilder anzubeten. Im Kerker selbst oder auf dem Weg dorthin, wirkte Blasius dann dieses berühmte Wunder, indem er einem Jungen durch Fürsprache und Gebet vor dem Ersticken an einer Fischgräte das Leben rettete. Durch Blasius‘ Standhaftigkeit im Glauben ließ der erbittert Statthalter schließlich die Haut des Heiligen mit eisernen Wollkämmen zerfetzen. Sieben Frauen, die aus Ehrfurcht vor dem heiligen Bischof dessen Blut aufsammelten, wurden ebenfalls gefangengenommen und mit Kämmen gemartert. Als der feurige Ofen, in den sie geworfen werden sollten, vor ihnen erlosch, wurden sie schließlich enthauptet.

Daraufhin wurde Blasius mit zwei Gefährten in einen Teich geworfen, er machte das Kreuzzeichen über das Wasser, Christus erschien, und sie schritten trockenen Fußes an Land. Vor seiner Hinrichtung bat Blasius noch darum, daß alle Erhörung fänden, wenn sie bei Halskrankheiten oder sonstigem Übel seinen Namen anriefen. Vom Himmel versicherte ihm eine Stimme, daß seine Bitte Erhörung finden solle. Schließlich wurde auch er zusammen mit den beiden Gefährten enthauptet.

Die Verehrung des hl. Blasius ist im Blasiussegen verankert und begann in Deutschland nach der Übertragung der Reliquien von Rom nach Rheinau am Hochrhein, dem Mutterkloster von St. Blasien im Schwarzwald (um 855). Von dort oder von St. Blasien dürften Teile der Gebeine um 990 zur Kathedrale von Toul gelangt sein, deren Bischof, der spätere Papst Leo IX., den Kult stark förderte. Reliquien des hl. Blasius befinden sich auch in Paris, Dubrovnik und im sauerländischen Balve.

Geistliches Wort zum Advent

von P. Marc Brüllingen


adventskranzMit dem ersten Adventssonntag (27. November 2011) stehen wir an der Schwelle eines neuen Kirchenjahres. Schon der Name „Advent“ (lat. Adventus=Ankunft unseres Herrn) sagt, daß es eine Zeit der Erwartung ist, die nunmehr begonnen hat. Wen wir in diesen Tagen erwarten, das kommt in allen Gebeten und Gesängen unserer hl. Mutter, der Kirche, zum ergreifenden Ausdruck.

Es ist unser Heiland und Erlöser, unser Retter und Seligmacher, den die Patriarchen herbeigesehnt, den die Propheten vorausverkündet haben, die Hoffnung und Sehnsucht seines Volkes.

„Rorate caeli desuper“, so singt die Kirche mit dem Propheten Isaias:

Tauet, Himmel, den Gerechten,/ Wolken, regnet ihn herab!/ Rief das Volk in bangen Nächten,/ Dem Gott die Verheißung gab,/ Einst den Mittler selbst zu sehen/ Und zum Himmel einzugehen,/ Denn verschlossen war das Tor,/ Bis der Heiland trat hervor.

Aus diesem Grund werden auch in dieser Adventszeit die Roratemessen, die mit dem Wort „Rorate“=Tauet beginnen, zu Ehren der allerseligsten Jungfrau Maria gesungen. Im Evangelium dieser Messe wird gelesen, wie der hl. Erzengel Gabriel der reinsten Gottesmagd die Botschaft bringt, daß sie vom ewigen Gott zur Mutter seines Sohnes auserwählt sei. Früher wurde bei den Rorateämtern die Verkündigung des Erzengels deutlich vor Augen geführt. Ein Knabe übernahm die Rolle des Engels und sang mit heller Stimme: „Ave Maria, gratia plena – Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade!“ Und alles Volk fiel darauf ein und sang weiter: „Benedicta tu in mulieribus – gebenedeit bist du unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus!“ Die Roratemessen werden demnach zu Ehren der Menschwerdung Christi gehalten und sind dazu bestimmt, die Sehnsucht der Christen nach dem Erlöser auszudrücken. So wie die Patriarchen im Alten Bund darauf hofften, daß der Erlöser im Fleische geboren werde (d.h. der menschlichen Natur nach), so sollen auch wir uns danach sehnen, daß er uns in geistlicher Weise durch seine Gnade geboren werde.

Deshalb liegt tiefer Ernst und hohe Freude über dieser Zeit der Erwartung: Die Herzen der gläubigen Christen sollen sich nach dem richten, der da kommen soll, um sein Volk, d.h. die Menschheit zu erlösen.

Er kommt, so sagt uns der Glaube, wenn die „Fülle der Zeiten“ da ist, die große Zeitenwende, die zwei Welten voneinander scheidet, den Alten und den Neuen Bund. Daher das Evangelium vom Weltgericht, das am ersten Adventssonntag verlesen wird, wie es am letzten Sonntag des alten Kirchenjahres zur Verlesung kam. So schließt sich ein liturgisches Jahr ans andere an, wie zwei Ströme, die zusammenfließen, um gemeinsam einzumünden ins Meer der Ewigkeit.

Advent sollen vor allem wir Christen feiern, Advent nicht nur in diesen Tagen der Erwartung und Vorbereitung auf die Ankunft unseres Herrn, sondern das ganze Jahr hindurch, ja das ganze Leben lang. Denn auch unser Leben ist nichts anderes als ein Durchgang zum ewigen Leben, wie auch diese Erde, wo wir wohnen und wirken, gleichsam nur der Warteraum ist, aus dem wir einst eintreten sollen in die große, unermeßliche Halle der Ewigkeit, in das Reich Gottes, das kein Ende mehr nehmen wird, weil es das Reich dessen ist, der wieder kommen wird als ewiger Herrscher und Richter der Welt.

Wohl uns, wenn wir so Advent halten, daß wir auch einmal ein ewiges Fest feiern dürfen, jenes Fest, das die Engel und Heiligen begehen, im himmlischen Jerusalem, wo unsere Sehnsucht ihre Erfüllung findet, wo unser Adventsgesang überleiten wird in das ewige, nie endende Weihnachtslied der himmlischen Chöre.

„Advent“, d.h. gnadenvolle Ankunft unseres Herrn, will Gott auch in unserer Seele feiern, zumal dann, wenn er als ihr Gast in der hl. Kommunion kommt. Da will er in Wahrheit uns „heimsuchen“, uns bereichern mit seinen himmlischen Schätzen, uns beglücken mit der ganzen überfließenden Fülle seiner Segnun-gen und Tröstungen, damit wir, wie der Psalmist sagt, „kosten, wie süß der Herr ist!“

So sollen auch wir uns jetzt in der Adventszeit auf die Ankunft unseres Herrn vorbereiten, indem wir uns, so lange es uns unsere anderen Aufgaben zulassen, etwas Zeit nehmen, um in Ruhe über die Ankunft Christi, seine armselige Geburt im Stalle zu Bethlehem, nachzudenken. Auch ist es hilfreich, die Ankunft Jesu Christi innerlich in Gedanken zu betrachten, besonders dann, wenn wir den freudenreichen Rosenkranz beten werden.


Foto: Heike Hannah Lux

Der hl. Joseph

von P. Miguel Stegmaier


„Quis et qualis homo fuerit beatus Joseph?“ (Sermo sancti Bernardi Abbatis) „Wer und was für ein Mann ist der heilige Joseph wohl gewesen?“ (Predigt des hl. Abtes Bernhard)

Die Auskünfte, die das Evangelium über den heiligen Joseph gibt, reichen nicht aus, sein Leben darzustellen. Das soll uns aber nicht hindern, über ihn zu sprechen. Wir ahnen doch schon, daß der Mensch, der in so enger Verbindung mit Jesus und Maria lebte, eine selten „edle Seele“ gehabt haben muß.

Der heilige Epiphanias sagt darüber: „Obgleich arm und dürftig, in ganz gewöhnlichen Verhältnissen lebend, obgleich von den Augen der Welt unbekannt und ungeachtet, war doch vor dem Angesichte Gottes keiner edler und reicher als Joseph, weil keiner zu einer solchen Auszeichnung erhoben wurde.“ Und der hl. Bernardin von Siena erweitert: „Gott vereinte mit dieser gebenedeiten Jungfrau keine andere Wirksamkeit und Tugend als eine solche, die der ihrigen höchst ähnlich war.“ Wollten wir es doch versuchen, die Seele Josephs in den einzelnen Berichten des Evangeliums zu entdecken, finden wir einige wenige Szenen, über die der hl. Leonard von Porto Maurizio, aus dem Franziskanerorden, schreibt: „Schweigen also auch die Evangelisten und übergehen fast alles, was sie von den hohen Vorzügen und vollkommenen Tugenden zu seinem Ruhm hätten sagen können, so genügt mir schon dies eine, daß sie ihn den Mann Mariens nennen. Das heißt, unter allen Lebenden war er dem vollkommensten Werk, das im Bereich der geschöpflichen Wesen aus den Händen Gottes hervorging, am ähnlichsten. „In der Tat, wie heilig mußte dieser Mann gewesen sein, wie rein in seinen Gedanken und wie zart in seinem Empfinden, daß er Maria unter seinen Schutz nahm, obwohl das Geheimnis, das sich in ihrem Schoß regte und dessen göttlicher Ursprung ihm verborgen war, ihn tief erschreckt hatte.

Trotz allem wird Joseph „der Mann Mariens“ genannt. Der Engel selbst wendet sich mit dieser Bezeichnung an ihn, und deshalb nennt ihn die Kirche im Kanon der hl. Messe ja auch „Virginis sponsi“ (Mann der Jungfrau Maria). Der hl. Kirchenlehrer Thomas von Aquin gibt uns eine weitere Antwort dazu: „Diejenigen, die Gott zu etwas auserwählt, bereitet er vor und stattet er aus, daß sie zu dem Amt, wozu er sie bestimmt, tauglich befunden werden.“ Joseph ist also auserwählt, der Mann Mariens zu werden. Als der Engel zu Joseph sagte: „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen, denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt. 1, 20-21), was nichts anderes bedeutete, als daß Maria den Erlöser des Volkes Israel zur Welt bringen werde, ihre Überraschung darüber war groß, denn auch sie erwartete gemeinsam mit ihrem Volk diesen ungeduldig.

Gerade die „messianische Hoffnung“ zeichnete die Religion der Juden aus. Der Eifer der Frommen wandte sich der Zukunft zu: einer wunderbaren Zukunft, in der der Messias sein Volk retten und ein Königreich gründen werde, dessen Herr Gott selbst sein würde. Von dieser Hoffnung war Joseph tief durchdrungen und überzeugt; er erwartete noch ungeduldiger aber glücklicher als der weise Simeon die Ankunft des Messias und das Heil seines Volkes: „Joseph ist weit glücklicher als Simeon; er trägt das Jesuskind nicht bloß einmal auf seinen Armen, sondern tausendmal“ (Johann Baptist de Lectis d’Orlonia)“Viele erwarteten den Messias vor allem einer politischen und zentralistischen Neuordnung wegen. Denn der Messias malten sie sich auch aus als den „Befreier des Volkes“, das selbst nicht imstande war, die Befreiung zu erlangen. Joseph, als „vir justus“ (Gerechter) hegte den Wunsch nach nationaler Befreiung gegen die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten der fremden römischen Besatzung.

Joseph war ein Mann seiner Zeit, doch ging seine Hoffnung weit über das bloße Niveau politischer Erwartungen hinaus. Er erinnerte sich an die prophetischen Aussprüche von Jeremias und Ezechiel, die einen neuen Bund ankündigten, in dem das Volk in „einem neuen Geist und mit neuem Herzen“ (Jer. 31, 31-33, Ezech. 36, 25-29) wirklich seinem Gott angehören würde. Das ideale Volk der Zukunft sollte mit göttlicher Heiligkeit erfüllt werden. Deshalb war sein Leben im Allgemeinen ein stilles Vorbereiten der Erlösung und glanzvollen Offenbarung Christi in der Tradition der Propheten. Wie standen doch, anscheinend, andere Persönlichkeiten der messianischen Zeit durch ihr Amt Gott näher. Der Priester Zacharias zum Beispiel oder die letzten Propheten. Und doch vertraute Gott nicht ihnen seinen eingeborenen Sohn an, sondern den schwieligen, rissigen Händen eines einfachen Mannes, der keine theologische Bildung besaß, den die Pharisäer verachteten, der lediglich von ganzem Herzen fromm war.

Der Evangelist Matthäus berichtet uns: „Als Joseph vom Schlafe erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich“ (Mt. 1, 24). Die Botschaft des Engels gab seiner Hoffnung neuen Aufschwung und sein Glaube ist hier tatsächlich offenbar geworden. Deshalb nahm er Maria voll Vertrauen zu sich, mit dem ganzen Geheimnis ihrer Mutterschaft, er nahm sie zu sich zusammen mit dem Sohn, der durch das Wirken des Heiligen Geistes zur Welt kommen würde, als Messias seines Volkes. Und so lebte er Seite an Seite mit Jesus und Maria in Nazareth und die drei bildeten eine „Heilige Familie“, deren allgemeine Bedeutung weit über jede private hinausging. Zwischen ihr und dem Erlösungsplan Gottes herrscht eine innige Beziehung; war sie doch von grundlegender Bedeutung für die Kirche, das Reich Christi und die ganze Menschheit.

Joseph dachte an Gott, er redete mit Gott, er tat seine Arbeit für Gott. Auf diese Weise hatte er sich von aller bösen Begierde gereinigt und war des einzigartigen Gnadenvorzugs würdig geworden: „Bräutigam der Allerseligsten zu heißen und den Erlöser der Welt auf den Armen zu halten. „Bei Joseph bildete sich eine ganz übernatürliche Hoffnung heraus durch den täglichen Kontakt mit Jesus. Inniger Glaube und unerschütterliches Vertrauen lebten in ihm auf die Güte Gottes. Die Liebe unterdrückte bei ihm jede Regung der Bitterkeit. Was der hl. Joseph für seine Familie leistete und ihr bot, hat er damit der Kirche und auch uns geboten. Ein so liebevolles Verhalten belohnt Gott; dafür ist die Seele Josephs mit größter Freude erfüllt worden: „Wohlan denn, du guter und getreuer Knecht, weil du in Wenigem treu gewesen bist, will ich dich über Vieles setzen. Geh ein in die Freude deines Herrn.“ Der hl. Bernhard sagt sehr schön: „Joseph ist von Gott dazu bestimmt worden, gleichsam der Verwalter seiner großen Geheimnisse auf der Erde zu sein, das erhabene Geheimnis der Menschwerdung des eingeborenen Sohnes zu kennen und zu fördern, der Bräutigam Mariens und Beschützer ihrer Jungfräulichkeit zu sein und Pflegevater Jesu Christi genannt zu werden. Welch ein Glück für ihn, Jesus Christus nicht nur zu sehen, sondern auch ihn zu hören, ihn an sein Herz zu drücken, ihn von einem Ort zum andern zu tragen, ihn zu liebkosen, zu umarmen, zu nähren, und Anteil zu nehmen an jenen unaussprechlichen Geheimnissen, welche den Augen der Welt verborgen gewesen sind!“

Das ganze Leben des Heiligen bildete eine lange Reihe von ungezählten, wichtigen Diensten, die er dem göttlichen Wort, seiner Menschwerdung und seiner Erziehung im Schoß der Familie von Nazareth geleistet hat mit Fleiß, sowie Demut und Frömmigkeit, nicht im Evangelium direkt nachzulesen aber auch nicht Legende. Josephs Verhalten als „Verwalter“ auf Erden der Geheimnisse Gottes, beweist die Bedeutung der Mitarbeit, zu der auch wir berufen sind, um durch unsere Hoffnung dem Werk Gottes zu dienen. Gott verlangte von Joseph die Haltung der Hoffnung, und seine Hoffnung war ein Flehruf an den Erlöser, sein Werk zu vollziehen: „Joseph von Nazareth, der Glauben hatte und gegen jede Hoffnung hoffte“ (Papst Johannes Paul II.).

Dieser Heilige liebt die Menschen, die sich in sehnsüchtiger Erwartung ihm zuwenden. Wenn Joseph auch nicht direkt und sichtbar an der Wiederaufrichtung des Gottesreiches arbeiten konnte, so lehrt er uns doch, durch das innere Verlangen des Herzens an der Ausbreitung des Reiches Christi mitzuwirken. Er kann uns helfen, aus unserer Hoffnung ein Beten zu machen, das göttliche Gnade auf die Menschheit herabzieht. Schutzpatron der Kirche, Schutzpatron der Familie, Schutzpatron der Sterbenden – mit diesen überirdisch hohen Ehrentiteln belohnte die Kirche ein männlich opferbereites und gerechtes Herz, eine männliche, reine und ernste Liebe: „Der Herr hat den Gerechten auf rechtem Weg geführt. Und ihm das Reich Gottes gezeigt“ (Sap. 10, 10). Wir Menschen freilich haben lange gebraucht, um die innere Größe dieses Mannes zu verstehen. Deshalb lassen wir uns jetzt die Ehre Josephs angelegen sein. Und wenn sich eine Gelegenheit bietet, seine Verehrung zu empfehlen und zu verbreiten, lassen wir sie nicht ungenutzt vorübergehen: „Geht zu Joseph“ (Gen. 41, 55). Das war der Rat und sollte der Trost sein, den Pharao seinem armen Volk gab. Können wir diesen Rat nicht auch denen geben, die uns ihre Not klagen?

Es ist ein leichtes Apostolat für den heiligen Joseph, das ihm sehr wohlgefällig, dem Nächsten und uns von Nutzen sein wird: „Zu meinem Fürsprecher und Herrn erwählte ich den glorreichen heiligen Joseph und empfahl mich ihm recht inständig. Und in der Tat! Ich habe erkannt, daß dieser mein Vater und Herr gewesen, der mich sowohl aus meiner damaligen Not als auch aus anderen und noch größeren Nöten, die meine Ehre und das Heil meiner Seele betrafen, gerettet und mir sogar noch mehr verschafft hat, als ich zu bitten gewußt“ (hl. Theresia von Ávila).


Bild: Ikone des hl. Joseph | Foto: Heike Hannah Lux

Zum Thronfest des Hl. Apostels Petrus

– am 22. Februar
von P. Marc Brüllingen


Am 22. Februar feiert die Kirche das Thronfest des hl. Apostels Petrus. Petrus, der zusammen mit Paulus am 29. Juni als Hauptapostel verehrt wird, war der erste Papst, dem unser Heiland das oberste Hirtenamt zunächst verheißen hatte (vgl. Mt. 16,18f.: „Du bist Petrus der Fels, und auf diesen Felsen will Ich Meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Und dir werde Ich die Schlüssel des Himmelreiches geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein.“) um ihn dann später, nach seiner Auferstehung in dieses oberste Amt feierlich einzusetzen (vgl. Jo. 21,15ff.: „In jener Zeit sprach Jesus zu Simon: ‚Simon, Sohn des Johannes, liebst du Mich mehr als diese? Er antwortete Ihm: ‚Ja, Herr, Du weißt, daß ich Dich liebe.‘ Da sprach Er zu ihm: ‚Weide Meine Lämmer!‘ Abermals fragte Er ihn: ‚Simon, Sohn des Johannes, liebst du Mich?‘ Jener erwiderte Ihm: ‚Ja, Herr, Du weißt, daß ich Dich liebe.‘ Er sagte zu ihm: ‚Weide Meine Lämmer!‘ Zum dritten Mal fragte Er ihn: ‚Simon, Sohn des Johannes, liebst du Mich?‘ Da wurde Petrus traurig, weil Er ihn zum dritten Mal fragte: Liebst du Mich? und entgegnete: ‚Herr, Du weißt alles; Du weißt auch, daß ich Dich liebe.‘ Da sprach Er zu ihm: ‚Weide Meine Schafe.'“

Zur Erinnerung an diese Einsetzung hat die Kirche daher das Thronfest des hl. Apostels Petrus eingeführt, das mancherorts auch „Stuhlfeier Petri“ oder „Kathedra Petri“ heißt. Kathedra (oder Cathedra), ist der Wortbedeutung nach ein Sessel oder Stuhl zum Sitzen, auch ein Lehrstuhl an einem erhöhten Orte, überhaupt ein Sitz für einen Ausgezeichneten oder Höheren.

Da der Erste in der kirchlichen Versammlung der Bischof war, gab man insbesondere seinem Sitze diesen Namen. Und zwar war derselbe im Priesterchore angebracht, das in Form einer Krone, als der Altar noch freistand, sich hinter demselben befand. Die Priester saßen auf niedrigen, der Bischof auf einem erhöhten Sitze an der Spitze des Priesterchores. Denn so heißt es im Ordo Romanus I.: „Der Oberpriester steht von seinem Sitze auf und steigt zum Altare hinab.“ Da er eben auf diesem Sitze als der mit der Hohenpriesterwürde und priesterlichen Vollgewalt Bekleidete und demnach so recht eigentlich in dem Amte erschien, welches der Name. „episcopus“, Aufseher, bedeutet, nannte man bald das bischöfliche Amt selbst Kathedra. Insbesondere aber gab man diesen Namen dem Amte des obersten Bischofs, dem die volle apostolische Macht und Würde verblieben und der sowohl für die Lehre als auch für die Gerichtsbarkeit zur lebendigen Mitte, zum Zentrum der Einheit gesetzt worden ist. Von „Kathedra“ kommt folglich auch der Ausdruck „ex cathedra sprechen“, das im eminenten Sinne gebraucht wird, und wobei jener Akt bezeichnet wird, durch welchen der oberste Bischof, falls es nicht möglich wäre, mit dem gesammelten Lehrkörper, dem Träger der Infallibilität, sich zu beraten, allein entscheidet, was in dem betreffenden Punkte zu glauben oder zu tun ist, und wobei er, was Christi Worte an Petrus deutlich genug bezeugen und was auch die Geschichte gelten lassen muß, unter der besonderen Obhut des göttlichen Geistes steht. Kathedra heißt schließlich auch der Tag, an welchem ein bischöflicher Sitz gegründet oder von Seiten eines Bischofs in Besitz genommen wurde, so wie der jährliche Gedächtnistag der Gründung oder des Antritts, den die Kirche festlich feierte. So feierte Jerusalem die Kathedra des hl. Apostels Jakobus schon in der ältesten Zeit; Antiochien und Rom die Kathedra des hl. Apostels Petrus.

Der hl. Papst Leo der Große selbst hielt Reden an diesem Tage zu Rom, und der Bibliothekar Anastasius in vita Hadriani I. beschreibt die Feier dieses Festes. Aber das Fest der Kathedra Petri, als des Fürsten der Apostel feierten sehr früh auch die anderen christlichen Gemeinden. Zu Ehren des hl. Petrus bringen die bereits von der gallikanischen Liturgie beeinflußten Herausgeber des Martyrologiums des Hieronymus die beiden Feste Petri Stuhlfeier am 18. Januar und am 22. Februar. In der Depositio martyrum erscheint dagegen nur am 22. Februar ein Fest der Cathedra Petri, das an eine bei den Römern an diesem Tage übliche Totenmahlfeier angeknüpft haben dürfte (Cathedra = Sesselmahl). Die kirchliche Ablehnung der Totenmahlfeiern im 4. Jahrhundert führte zur Umdeutung des Festes in einen um 500 wieder außer Übung gekommenen Gedächtnistag der Stuhlbesteigung Petri zu Rom (Cathedra = Lehrstuhl, Lehramt). Seit dem 6./7. Jahrhundert ist in Gallien ein meist am 18. Januar gefeiertes Fest zur Erinnerung an die Berufung Petri zum Schlüsselinhaber und Fundament der Kirche sicher nachweisbar, die Sonntage bis Quadragesima wurden sogar danach gezählt. Im Verlauf des fränkisch-römischen Liturgieaustauschs fand dieses Fest auch in Rom Aufnahme, allerdings unter dem traditionellen Datum (22. Februar). Aufgrund einer irrigen Deutung der beiden Daten erhielt das Fest des 22. Februar allmählich den Charakter einer Feier des antiochenischen Amtsantritts Petri (de Cathedra Antiochena). Papst Paul IV. bestimmte 1558 den 18. Januar als Gedächtnistag des römischen Amtsantritts Petri (de Cathedra Romana).

Für uns Gläubige soll das Fest der Thronbesteigung des hl. Apostels Petrus am 22. Februar eine besondere Bedeutung haben, ist es doch der Heiland selbst gewesen, der einem einfachen Fischer, den er dann zum Apostel heranbildete, mit diesem Amte des obersten Hirten hier auf Erden bekleidet hat. Deshalb sollen wir an diesem Tage für unseren Heiligen Vater Papst Benedikt XVI. beten, der nun das oberste Hirtenamt als rechtmäßiger Nachfolger Petri innehat und daran denken, daß auch er keine leichte Bürde zu tragen hat, ist ihm doch die Christenheit auf der ganzen Erde anvertraut worden.

„Gott mit uns“

Eine Betrachtung des seligen Kardinals J. H. Newman


Der heilige Johannes der Täufer war von der Welt getrennt; er war ein Nasiräer. Er zog sich von ihr zurück, wandte sich gegen sie, sprach zu ihr aus seiner Überlegenheit und rief sie zur Buße. Ganz Jerusalem ging zu ihm hinaus in die Wüste; er trat ihm Aug in Aug entgegen. In seiner Pre-digt aber sprach er von Einem, der zu den Menschen kommen und in ganz anderer Weise zu ihnen sprechen werde. Er werde sich nicht von ihnen trennen und als ein höheres Wesen zur Schau stellen, sondern ihr Bruder sein, Fleisch von ihrem Fleisch, einer unter vielen Brüdern, der aus ihrer Mitte kommt und zu ihnen gehört. Ja, er war schon unter ihnen. „In eurer Mitte steht er, den ihr nicht kennt.“ Dieser Größere nannte sich selbst den Menschensohn – er war zufrieden, in allem wie ein Mensch befunden zu werden, obwohl er der Allerhöchste war. Der heilige Johannes und die anderen Evangelisten, deren Berichte über ihn ihrem Charakter nach sonst so verschieden sind, stimmen darin auffallend überein. Der Täufer sagt: „In eurer Mitte steht er, den ihr nicht kennt.“ Weiter lesen wir, daß er aus-drücklich auf Jesus hinwies, nicht vor der Menge, sondern vor einem oder zweien seiner Jünger, die sich dann aufmachen, Jesus zu suchen, und die Erlaubnis erhalten, ihm nach Hause zu folgen. Allmählich fängt Jesus an, sich zu erkennen zu geben und seine Herrlichkeit in Wundern zu offenba-ren. Aber wo? Bei einer Hochzeit, wo es nicht selten zu Ausschweifungen kam, wie der Speisemeister andeutet. Und wie? Indem er den Wein ver-mehrt, das Mittel solcher Ausschwei-fungen. Er nahm an dieser Hochzeit nicht als Lehrer teil, sondern als Gast und sozusagen aus gesellschaftlichen Rücksichten, denn er war in Begleitung seiner Mutter. Man vergleiche das mit dem, was er im Matthäusevangelium von sich selbst sagt: „Johannes kam und aß und trank nicht – der Menschensohn kam und aß und trank, und sie sagten: Siehe, dieser Schlemmer und Weinsäufer!“ Johannes mochte gehaßt sein, aber er war geachtet. Jesus war verachtet. Siehe auch Markus 1, 22 u. 27 und 37 sowie 3, 21, wo alle sich über ihn wundern und aufregen. Der Einwand kommt noch einmal vor, 2, 16. Es muß ein bezeichnender Zug im Charakter und in der Sendung unseres Herrn gewesen sein, da ihn zwei Evangelisten so unabhängig in ihren Erzählungen erwähnen. Der Prophet hatte dasselbe gesagt (Jes. 53).

Dies alles geschah, o geliebtester Herr und Heiland, weil du die menschliche Natur, die Du ins Dasein gerufen, so sehr geliebt hast. Du hast uns nicht allein geliebt als deine Geschöpfe, als das Werk Deiner Hand, sondern als Menschen. Du liebst alle, denn alle hast Du erschaffen, den Menschen aber liebst Du über alles. Wie ist das möglich, o Herr? Was hat der Mensch voraus vor anderen? „Quid est homo, quod memor es eius?“ Doch „nusquam angelos apprehendit“ – „Was ist der Mensch, daß Du seiner gedenkst?“. . . „nie nahm er Engelsgestalt an“. Wer kann die Tiefe deiner Ratschlüsse und Pläne ergründen? Du hast die Menschen mehr geliebt als die Engel; darum hast Du nicht Engelsgestalt angenommen, als du Dich zu unserer Erlösung offenbartest; Du hast auch verschmäht, eine Gestalt, eine Lebensweise oder einen Beruf zu wählen, der über dem gewöhnlichen menschlichen Dasein lag – Du woll-test weder als Nasiräer noch als levitischer Priester, als Mönch oder Einsiedler zu uns kommen, sondern in der Fülle und im wahren Sinn der Menschennatur, die Du so sehr ge-liebt hast. Du bist nicht bloß als voll-kommener, sondern als eigentlicher Mensch gekommen, nicht mit einem neu aus Erde geformten und nicht mit dem vergeistigten Leib, den du jetzt hast, sondern in demselben wahren Fleisch, das in Adam gefallen ist, mit all unserer Gebrechlichkeit, unseren Gefühlen und Neigungen, die Sünde allein ausgenommen.

O Jesus, großer Gott, es geziemt Dir, das Dir vom Vater übertragene Werk in solch überfließendem Maße und in solcher Vollkommenheit auszuführen. Du hast es nicht halb vollbracht. Die Größe und Herrlichkeit des Opfers gereicht Dir als Gott zur Verherrlichung und uns Sündern zum Trost und zur Hilfe. O liebster Herr, Du bist in vollkommenerem Sinne Mensch als der Täufer, als Johannes, der Apostel und Evangelist, als Deine liebe Mutter. Wie Du an göttlichem Wissen über mich sie alle übertriffst, so auch an Erfahrung und persönli-cher Kenntnis meiner Natur. Du bist mein älterer Bruder. Was sollte ich fürchten, warum sollte ich nicht mein Herz Dir hingeben, der Du so mild und liebevoll, so vertraut, anspruchs-los und bescheiden und so über alles natürlich und demütig bist! Du bist jetzt im Himmel noch derselbe wie einst auf Erden: der allmächtige Gott und doch das kleine Kind – der All-heilige und doch ein fühlender, ein ganzer Mensch.

Aus dem Englischen übertragen von Maria Knoepfler, Kösel-Verlag KG, München 1952)

Bruder Firminus Wickenhäuser OFM

von P. Andreas Fuisting


Ich erinnere mich gut daran, als kleiner Junge häufiger vom „Herrgottsbrüderle“ gehört zu haben, besonders dann, wenn ich mit Erwachsenen spazierengehend am Franziskanerkloster in meiner Heimatstadt Düsseldorf vorbeikam, wo er in der Krypta beigesetzt ist. Dabei befremdete meine rheinländischen Ohren das „-le“, was ich nicht deuten konnte. Später erfuhr ich den Grund: Bruder Firminus war Schwabe.

Geboren in Massenbachhausen (Kreis Heilbronn) wurde Josef Wickenhäuser am 19. Januar 1876 als Sohn einfacher und armer Eltern. Sein Vater Adam war Schäfer von Beruf. In zweiter Ehe heiratete dieser Elisabeth Merkle, die Mutter Josefs. Sie galt als tiefreligiöse und geduldige Frau. Das Vorbild seiner christlichen Eltern war die beste Anleitung für Josef zu heiliger Gottesfurcht und christlicher Frömmigkeit. Sein Vater starb 1891; ab diesem Zeitpunkt mußte Josef für den Unterhalt seiner Mutter sorgen. In seiner Pfarrkirche empfing er die Hl. Taufe und diente als Bub seinem Pfarrer als vorbildlicher Meßdiener am Altar, wo er 1889 die erste Hl. Kommunion empfing. In Kirchhausen wurde Josef 1892 gefirmt. Nach der Schulentlassung (Volksschule in seinem Heimatdorf) arbeitete er zur Unterstützung seiner Eltern in einem Steinbruch. Mit 16 Jahren begann Josef seine Lehre bei Steinmetz Pisot in Kirchardt. Diesem viel sogleich die außergewöhnliche Frömmigkeit und Redlichkeit seines Lehrlings auf, der sich niemals dazu verleiten ließ, gegen sein Gewissen zu handeln. Wurde er von Kameraden ausgelacht oder verspottet, ließ er sich nicht beirren und setzte sich meistens durch. Sah er bei Hänseleien die Nutzlosigkeit persönlicher Rechtfertigung ein, schwieg er lieber.

Mit einem guten Zeugnis ging Joseph als Steinmetz nach Stuttgart in das Grabsteingeschäft Schönleber. Hier lernte er die eigentliche Bildhauerarbeit, Punktieren und Modellieren. Seine freien Stunden galten Weiterbildung und Gebet. Früh auf sich allein gestellt, brachten Wanderjahre ihn bis ins Rheinland und nach Berlin. 1896 kam Josef zum Militärdienst beim Infanterieregiment „Kaiser Franz Josef“. Das Soldatenleben konnte ihn aus seiner gewohnten und gesuchten Christusverbundenheit nicht herausholen.

In Stuttgart lernte Josef das Hausmädchen Maria Farny kennen, die wegen ihrer Frömmigkeit und heiteren Wesensart von ihm geschätzt wurde. Sie versprachen sich einander die Ehe. Während seiner Wanderjahre forderte seine Verlobte von ihm eine Entscheidung. Josef entschied sich dazu dem Ruf Gottes zu folgen und gab Maria frei. Nach dem Tod seiner Mutter (1905) gab er seiner längst vernommenen Berufung endgültig nach und beschloß nun ganz für Gott da zu sein.

1906 erbat er die Aufnahme in den Franziskanerorden. Nachdem er mehrer Klöster besucht hatte, um im franziskanischen Geist geschult zu werden, kam Bruder Firminus, diesen Namen hatte er nach altem Brauch bei der Einkleidung erhalten, schließlich nach Düsseldorf. 1912 berichtete sein Novizenmeister: „Bruder Firminus faßt das Ordensleben ideal auf. Er zeigt großen Eifer im Tugendstreben und in seinem ganzen Verhalten den sicheren Ordensberuf.“

Mit Brüdern aus anderen Ordensgemeinschaften tat unser Bruder im Ersten Weltkrieg Dienst als Malteser überall, wo man ihn brauchen konnte: im Bahnhofsdienst, in Krankensälen und im Operationssaal. Keine Arbeit war ihm zu schwer und keine Zeit zu ungelegen in der Betreuung der Verwundeten. Einmal schreibt er. „Es wurde mir sehr schwer, die schrecklichen Wunden zu verbinden. Doch mit Gottes Hilfe konnte ich das Opfer bringen. Täglich gehe ich in der Frühe eine Stunde weit zur Kirche, um mir in der Feier der Hl. Messe die Kraft für mein schweres Tagwerk zu holen.“

Inzwischen war – auch während des Krieges – zu einer seiner Hauptaufgaben die Bildhauerei geworden. Trotz zahlreicher ehrenvoller Bildhauerarbeiten (Kaiser Wilhelm II. schätzte seine Arbeiten und grüßte ihn im Lazarett von St. Remi einmal mit: „Sind Sie der verkappte Michelangelo?“), hat er nie diese Arbeit, bei der er Adelsleute, Politiker und hohe Militärs modellierte, zum Gegenstand seines Lebens im soldatischen Dienst gemacht. Für ihn gab es nur Gott. Eine Anekdote verdeutlicht das. Als Firminus einmal gefragt wurde, ob er auch sonntags an einer Büste arbeiten könne, gab er die klare Antwort: „… ich pflege sonntags nicht zu abreiten, sondern zu beten und an mir zu modellieren.“

Zum Kriegsende November 1918 kam Bruder Firminus endlich ins Kloster Düsseldorf zurück und durfte nun wieder ganz Ordensmann sein. 1910 legte er die Ewigen Gelübde ab bis zum Tode. Vorbehaltslos ging er weiter auf sein Ideal zu, wie der hl. Franziskus es aufgestellt hat: Regel und Leben der Minderbrüder ist dies: Das hl. Evangelium unseres Herrn Jesus Christus zu beobachten und zu leben in Armut, Gehorsam und Jungfräulichkeit. In seinen Aufzeichnungen lesen wir. „Es ist mein einziger Wunsch, daß ich ein immer besserer Minderbruder werde.“

Zwischen 1919 und 1924 erhielt der Bruder den Auftrag, an der St. Apollinariskirche in Remagen größere Restaurierungsarbeiten auszuführen. Es war zumeist eine mechanisch – technische Arbeit. Diese lag ihm eigentlich nicht. Aber er wollte nicht aufgeben oder um eine andere Arbeit bitten. Ihm galt der Auftrag als Auftrag Gottes.

Seine Haupttätigkeit als Bruder, aus Steinblöcken Kunstwerke herauszuarbeiten, blieb die Gesundheit des Firminus betreffend, nicht ohne Folgen. Er erkrankte an der berüchtigten Staublunge, bei der sich durch feinste Ablagerungen krankhafte Veränderungen am Lungengewebe zeigen. Als Folge bildete sich eine Schädigung des Herzens heraus, was mit der Zeit den ganzen Körper in Mitleidenschaft zog. Im Frühjahr 1939 wurde er ins Krankenhaus eingewiesen. Vorausahnend, daß sein Heimgang zum Herrn nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, ließ er sich nur Geld für die Hinfahrt geben. Trotz seines elenden Zustandes fanden ihn die Krankenschwestern häufig neben seinem Bett knien und beten. „Für Gott allein! So wirst du hier und ewig glücklich sein!“ So betete er! Wenn der Bruder konnte, half er den Schwestern beim Kranken- und Wirtschaftsdienst. Gern besuchte er die anderen Kranken, um ihnen durch sein Wort und seine Güte zu helfen. So ging Firminus betend, leidend, liebend und dienend seinem Heiland entgegen. Am 30. September 1939 verstarb er, nachdem ihm in der Krankenhauskapelle morgens noch die hl. Kommunion gereicht worden war. Am gleichen Tag wurde er ins Kloster überführt und im Klostergang aufgebahrt. Eine große Zahl an Verehrern brachte Blumen her und berührte seinen Leichnam mit Rosenkränzen.

Am 3. Oktober wurde Br. F. Wickenhäuser auf dem Friedhof in Stoffeln (Düsseldorf) beigesetzt. Die Anteilnahme der Bevölkerung war überraschend groß, hatte doch gerade erst der Zweite Weltkrieg begonnen. Nachdem die Friedhofsverwaltung die „häufigen und wiederholten Besuche des Grabes“ bestätigen konnte, leitete Joseph Kardinal Frings, Erzbischof von Köln, auf Bitten der Ordensgemeinschaft der Franziskaner am 29. April 1957 den Seligsprechungsprozeß ein. Am 14. September des Jahres 1957 schließlich wurden die Gebeine in die Bruder-Firminuskrypta des Franziskanerklosters in Düsseldorf überführt und dort beigesetzt.

Die Eigenschaften eines Heiligen

Demut:

Bruder Firminus machte seinem Ordensnamen alle Ehre. „Der Beständige“ war er gewiß, der in unerschütterlichem Glauben fest und beständig seinen Ordensweg ging. Dabei war er sich bewußt, aus der Kraft und Treue Gottes zu leben. In einer Mischung aus Humor und demütiger Überzeugung gab Firminus seinem Namen eine andere Deutung. Er sah sich als den „Vier – minus“, dessen Leben nur die Note „schwach ausreichend“ verdiente. Mit der „vier minus“ signierte er sogar seine Kunstwerke. Er wollte damit auf seine Art zeigen, was er war: nach der Regel des Ordensgründers Franziskus ein „Minderbruder“, der im Geist und in der Nachfolge Christi bereit ist, im selbstlosen Dienst an den Armen, Leidenden und Verachteten den letzten Platz einzunehmen.

Nächstenliebe:

Unter dem Beinamen, „Das Herrgottsbrüderle von Düsseldorf“ ist Bruder Firminus bekannt geworden. Zwar wurde ihm dieser Name wohl von Menschen verliehen, die ihn gut kannten und sein geistliches Leben schätzten; aber selbst trägt er auch Anteil daran. Es war nämlich seine Gewohnheit die Mitmenschen „Herrgottsbrüderle“ oder “ -schwesterle“ zu nennen. In dieser Kurzformel gab er seine Sicht vom Menschen wider: Jeder Mensch steht im Schnittpunkt der Gottesliebe (Herrgott) und Nächstenliebe (Bruder und Schwester). So schreibt er einmal: „Da jeder Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen und unser Bruder und unsere Schwester ist, so ist infolgedessen unsere Nächstenliebe der heilige Maßstab unserer Gottesliebe.“

Es findet sich in der Hl. Schrift häufiger die Rede, daß Gott selbst seinen Getreuen einen neuen Namen geben wird. Besonders Freunden und Vertauten offenbart Gott diesen Namen bereits zu Lebzeiten, wie die Geschichte der christlichen Spiritualität zu berichten weiß. In diesem Zusammenhang bedeutet „Name“ das umfassende göttliche und menschliche Geheimnis der Person. „Herrgottsbruder“ könnte wohl ein solcher Name sein.

Beten:

Bruder Firminus beeindruckte viele durch seine innere Sammlung beim Gebet. Dieses war im Laufe der Jahre so sehr zur Mitte seines Lebens geworden, daß von einem beständigen und unaufhörlichen Gebetsgeist, der ihn beseelte, gesprochen werden kann. Er betete immerzu: in der Kirche, in der Werkstatt, bei jeglicher Arbeit und Freizeit. Stets war er sich der Gegenwart Gottes bewußt. So war er ein lebendiges Vorbild des Gebetes, das anderen Mut machte und zur Nachahmung anregte.

Gebet ist immer eine Begegnung mit Gott, in der Er seinen heiligen und liebenden Willen mit den unvollkommenen und oft so unheiligen Selbstentwürfen des Menschen durchkreuzt. Im Gebet offenbart Gott seinem geliebten Geschöpf stets neu seine Wahrheit und bietet ihm die Gemeinschaft seiner Liebe an. Firminus hat die Größe, aber auch die Schwierigkeiten der gottgewollten Umgestaltung durch das Gebet zutiefst erfahren. Er sagt selbst dazu: „Weil Gott mich liebt, will er mich auch trotz meiner Sünden noch heilig machen. Ich muß deshalb auch im Kreuz und Leid auf Gott vertrauen, ja, in Kreuz und Leid erst recht. Auch jede Schwierigkeit im Gebet läßt Gott zu, damit ich durch dieses Kreuz von meinen bösen Neigungen gereinigt, in der Tugend immer wieder geübt und schneller zur Vereinigung mit ihm gebracht werde. Die trockenen Stunden, wo ich nicht mit Trost und Genuß beten kann, will ich im Geiste der Buße und Sühne annehmen.“

In seiner Arbeit als Künstler:

Bruder Firminus liebte seinen Beruf und seine Arbeit. Doch stand bei ihm nicht die Leistung, sondern die Gesinnung im Mittelpunkt seines Schaffens. Er sah in seiner Tätigkeit einen „Dienst an der Schöpfung“ und zur Ehre Gottes und zum Heil und Wohl der Menschen. Neben dem Gebet war für ihn die Arbeit das beste Mittel, um seine wahre Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu sich unter Beweis zu stellen.

Große handwerkliche Fähigkeit, die ihn zum Steinmetz befähigte, verband sich bei ihm mit einer künstlerischen Begabung, die ihn zum Bildhauer werden ließ. Diese Tätigkeit am Stein wurde für ihn zu einem tiefen Sinnbild und Gleichnis. Sie schenkte ihm die Schau, daß es bei jeder Arbeit im Grunde darum geht, ein Kunstwerk zu schaffen, das vollkommen ist und nie vergeht. Ein solches Kunstwerk aber kann nur gelingen, wenn menschliches Handeln und göttliches Wirken Hand in Hand gehen. Es gelingt, wenn Gottes Hand den Meißel führt, mit dem unser Leben geformt und gestaltet wird, damit wir „dem Bilde seines Sohnes gleichgestellt werden“ (vgl. Röm 8,28 f.).

Besucher, und Bewunderer seiner Kunstwerke lernten seine Sicht dieses tiefen Sinngehalts menschlichen Wirkens kennen, wenn er ihnen sagte: „So wie ich mit Hammer und Meißel arbeite, so arbeitet der liebe Gott an unserer Seele, damit das Bild Christi in ihr herauskommt. . .

Laßt uns ausreißen, was einer anderen Richtung zuneigt, und unbarmherzig mit dem Hammer und dem Meißel der Abtötung herunterhauen, wie ich jetzt an einem Stein rücksichtslos schon sechs Wochen herunterhaue. Da gibt es keinen Eigenwillen von Seiten des Steines. . .

Ich meißle zwar gern die Heiligenbilder, aber viel lieber erfülle ich im Gehorsam den Willen Gottes. . .

Ich bin ein ganz armer Sünder. Der Herr muß noch viel draufschlagen, bis ein Heiligenbild daraus wird.“

In der Nachfolge des gekreuzigten Herrn:

Für viele Menschen ist die Nachfolge des Gekreuzigten ein „Ärgernis“, weil sie im Kreuz nur Tod und Untergang sehen. Der Glaubende sieht das Kreuz mit den Augen Gottes und erkennt darin „Gottes Weisheit und Gottes Kraft“, die durch das Leiden und Sterben Jesu der Welt offenbart und geschenkt wurde. Endgültiges Heil und Erlösung gibt es nur dort, wo der Mensch aus einer Quelle trinken kann, deren Wasser die Lebenskraft hat, von aller Schuld und allem Bösen zu befreien und aus dem Tod zu erlösen. Dieser ewiges Heil und ewiges Leben spendende Quell, so sieht und bekennt es dankbar der Gläubige, entsprang am Kreuz aus den fünf Wunden des gekreuzigten Herrn. Dazu äußert sich Bruder Firminus wie folgt: „Alle Leiden und Schmerzen sind unserer sündigen Natur zuwider; aber es liegt ein großes Geheimnis im Kreuz und Leiden. Das Geheimnis der Leiden des Herrn ist der Grundstein heiligen Glaubens. Das Kreuz ist der Quell allen Segens und der Ursprung aller Gnaden.“

Die Nachfolge des gekreuzigten Herrn war für Firminus vor allem der königliche Weg der göttlichen Liebe. Von dieser Liebe hatte er sich ganz gefangen nehmen lassen, und er bemühte sich, sie täglich sichtbar zu machen. Wer diesen Weg geht, geht im Tod nicht zugrunde, weil die allmächtige Liebe Gottes ihn ewig leben läßt in der Herrlichkeit des auferstandenen Leibes. Und da der Bruder Kreuz und Leid in diesem österlichen Licht der vollendeten Liebe Gottes zu sehen pflegte, nahm er täglich in großer Liebe sein und vieler Menschen Kreuz auf sich und folgte dadurch Jesus nach. Denn er hatte festgestellt: „Das Kreuz ist die bejahende schöpferische Kraft des Guten, entgegen der verneinenden Macht des Bösen.“

Leben aus dem Geheimnis der Hl. Kommunion:

Die unbegreifliche Gegenwart und Wirksamkeit des auferstandenen Herrn inmitten seiner Kirche war für Bruder Firminus die wahre Sonne, die ihm stets Licht und Leben schenkte, in der täglichen Mitfeier der hl. Messe. Hier erfuhr er die unfaßbar innige Gemeinschaft mit Christus durch die hl. Kommunion. Sie erfüllte seine Seele immer wieder mit Staunen und Dank. Sooft es ihm möglich war, ging er in die Kirche, um zu beten und sich von „der Sonne Jesu im allerheiligsten Sakrament bescheinen“ zu lassen. Auch die Anbetung des Allerheiligsten war für ihn ein Kernstück wahrer Christusliebe. Deshalb sagte er: „…reiße dich los von der Unterhaltung der Menschen und verweile von heute an täglich einige Zeit lang vor Jesus im Allerheiligsten Altarsakrament…“ Und schreibt einer Bekannten: „Was wären wir unvermögend, wenn wir nicht oft zu den hochheiligen Geheimnissen, der heiligen Kommunion hinzutreten dürften. Gehen Sie, sooft es Ihnen möglich ist. Der liebe Heiland wandelt uns dann nach und nach zu Heiligen. Liebe und Freude werden wir dann ausstrahlen gegen alle Menschen.“

O Wunder, das niemals seinesgleichen hatte, noch haben wird!
O Gnade, die wir niemals verdienen konnten!
O Liebe, die wir niemals zu erfassen vermögen!

Bruder Firminus

Im Vertrauen auf die Fürsprache Mariens:

Der Marienwallfahrtsort Neviges hatte für Bruder Firminus eine besondere Bedeutung. In dessen Gnadenbild, so scheint es, fand er weitgehend den sichtbaren Ausdruck zu jenem Bild der Gottesmutter, das er unsichtbar in seinem Herzen trug. In seiner inneren Schau sah er Maria vornehmlich in ihrer vollkommenen und vollendeten Gestalt. Ihr ganzes Leben sah er in diesem Licht. Bei ihr in der wunderbaren Eigenschaft als Gnadenvermittlerin, verweilte zunehmend sein Blick, an sie richtete er immer häufiger seine Gebete. „Gnadenvermittlerin, bitte für uns!“, schrieb er deutlich sichtbar in den Sockel jener Marienstatue, die er zu Ehren der Mittlerin aller Gnaden gestaltet hatte, und „Maria, Gnadenvermittlerin, bitte für uns!“, waren die letzten Worte, die er zwei Tage vor seinem Tod niederschrieb. Mit großem Vertrauen betete Bruder Firminus zur Gottesmutter. Von ihrer Fürbitte erhoffte er sich die größten Gnaden für sein Leben und das anderer Menschen. So schreibt er in einem Brief an den Adressaten. „Möge unsere gute, himmlische Mutter ihnen eifriges Tugendstreben und viel Freude dazu am Throne Gottes erbitten…Die mächtige Fürbitte der lieben Gottesmutter wird Sie wieder gesund machen.“

.

Auf dem Weg zu ewigen Leben:

Das von Gott dem Menschen gesetzte Ziel, das ewige Leben bei ihm, verlangt den ganzen Einsatz der Person. Wie der Weg zu diesem Ziel zu gehen und wie es zu erreichen ist, dafür ist das Leben von Bruder Firminus ein Vorbild. Fest und beharrlich ging er den Weg, den Gott im Leben Jesu vorgezeichnet hat. Er bemühte sich, keine Umwege zu machen und auf dem Weg nicht stehen zu bleiben. Daher war er auch von der Hoffnung mit Christus zu siegen und mit ihm das ewige Leben zu erben ganz erfüllt. Nur die Macht Gottes vermag es den Tod zu besiegen, mag der Mensch sonst kämpfen und siegen wie er will. In der Auferstehung Jesu Christi von den Toten hat Gott diese seine Macht erwiesen und ihn eingesetzt zum Mittler des ewigen Lebens für alle Menschen. Wer das Leben des auferstandenen Herrn in seinem Leben wirksam werden läßt durch den Glauben und die Nachfolge Christi, der wandelt schon im neuen Leben, das nach dem Tod in göttlicher Herrlichkeit sich offenbaren wird. So ist der Tod kein Feind mehr, sondern ein Bruder, der das Tor öffnet zum ewigen Leben. Davon war Firminus so fest überzeugt, daß er folgende tröstliche Worte schreiben konnte: „All unsere Werke, Gedanken und Worte müssen eine Vorbereitung zum Tode sein. Dann kann der Tod als unser Freund und Bruder jederzeit willkommen sein.“

Durch den Ruf der Heiligkeit, durch den der Diener Gottes im Leben leuchtete, hörte auch nach seinem Tod die Verehrung nicht auf. Deshalb eröffnete Joseph Kardinal Frings als Erzbischof von Köln im Jahr 1957 den Prozeß seiner Seligsprechung und Kanonisierung.

Die Kongregation für die Seligsprechung billigte dies ordnungsgemäß in einem Dekret am 24. Mai 1991.

Nach Regel und Brauch ist dann erörtert worden, ob Bruder Firminus die Tugenden in heroischer Weise geübt habe. Am 1. Juli 1997 tagte ein besonderer Kongreß mit glücklichem Ausgang über die theologischen Räte.

Am 6. Oktober 1998 bekannten in einer ordentlichen Sitzung die Kardinäle und Bischöfe, daß Bruder Firminus die theologischen Tugenden, sowie die dazugehörenden Kardinaltugenden in „heroischer Weise“ gelebt habe.

Nachdem der höchste Pontifex Johannes Paul II. über die erfolgten Schritte informiert worden war, ordnete er an das „Dekret über die heroischen Tugenden“ des Dieners Gottes aufzusetzen.

Es lautet:

„Es steht fest, daß Bruder Firminus Wickenhäuser, die theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe sowohl Gott als auch dem Nächsten gegenüber, sowie die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß und alle dazugehörigen Tugenden auf h e r o i s c h e  W e i s e ausgeübt hat!“


Die Ausführungen sind dem lesenswerten Buch entnommen „Franziskanerbruder Firminus Wickenhäuser, 1876 – 1939, gelebt und gestorben im Rufe der Heiligkeit“, Herausgegeben vom BRUDER-FIRMINUS-WERK, Franziskanerkloster Düsseldorf, 2007. Auswahl der Texte und deren Kürzungen von mir.

Die Heiligen – Freunde Gottes und Helfer der Menschen

von Pater Marc Brüllingen


Der Monat November ist vielen von uns als Allerseelenmonat bekannt. Doch beginnt der Monat November mit dem Fest Allerheiligen, an dem die Kirche alle Heiligen im Himmel verehrt. Aber, wann ist ein Mensch ein Heiliger? Wann wird jemand als Heiliger verehrt? Zunächst einmal muß festgestellt werden: Gott ist der Allheilige. Es ist das Wesen des höchsten Gutes und der höchsten Güte, sich selbst gemäß, d.h. heilig zu sein. Gott ist auch der Urheilige, der vernunftbegabte Geschöpfe über die Möglichkeiten ihrer geschöpflichen Ordnung hinaushebt in eine übernatürliche und sie sich selbst gemäß macht und angleicht, sie heilig macht. Jedes vernünftige Geschöpf strebt zwar kraft seines Wesens nach Gott, seinem Ursprung, um in ihm Ruhe und Heimat zu finden. Aber welches Geschöpf dürfte wohl wagen, wie Gott sein zu wollen und sich eindrängen in das persönliche Leben Gottes? Das Geschöpf kann sich seinen Platz nicht wählen in der göttlichen Sphäre seines Schöpfers. Aber der Schöpfer kann – aus Gnade – das Geschöpf teilhaben lassen an seinem eigenen Leben. Und da Leben bei dem höchsten Geiste Erkennen und Lieben ist, muß der geschaffene Geist, der an seinem Leben teilhaben will, in seinem Erkennen dem göttlichen Geiste angeglichen werden.

Der übernatürliche Glaube, der in Schauen übergeht, und der Mensch muß dem göttlichen Lieben gleichförmig werden durch jene Liebe, welche der Geist der Liebe, der ausgegossen ist in unsere Herzen, bewirkt. Der Mensch wird so gottförmig. Er wird vergöttlicht, ohne aufzuhören, ein Mensch zu sein. Es gibt Menschen, über deren Leben und Sterben die katholische Kirche die Sicherheit hat, daß Gott schon auf Erden in ihnen alles geworden ist. Solche Mitglieder anerkennt die Kirche öffentlich als Heilige und ehrt sie durch diesen Titel. Von ihnen behauptet die Kirche, daß sie in der Anschauung Gottes selig sind und daß sie als Freunde Gottes unsere Fürbitter sind. Darum empfiehlt sie, die Heiligen zu verehren, wohl wissend, daß die Verehrung der Heiligen im Grunde den ehrt, der die Quelle ihrer Heiligkeit ist, den Allheiligen, von dem sie selbst nur ein Abglanz sind.

Die Heiligen sind nicht selbstleuchtend wie die Sonne, sie glänzen vom Lichte Gottes, von dem alle Heiligkeit ausgeht und auf den alle Heiligenverehrung zurückziehlt. Die Kirche läßt eine öffentliche Verehrung, also eine Verehrung im kirchlichen Gottesdienst, nur zu nach vorhergegangener kirchlicher Prüfung. Eine solche Prüfung fand bereits in der altchristlichen Zeit bei den Märtyrern statt. Man nannte die Anerkennung des Martyriums durch den Bischof oder durch Synoden vindicatio; die Märtyrer, deren Verehrung gestattet war, hießen Martyres vindicati. Das waren solche, die durch ihren Tod öffentlich Zeugnis für Christus abgelegt hatten. Die Namen der anerkannten Märtyrer wurden beim Gottesdienst verlesen. Die Namen der Märtyrer eines Ortes, deren Andenken gefeiert werden sollte, waren auf Täfelchen, den sogenannten Diptychen, aufgezeichnet. Zu diesen setzte man auch die Namen anderer berühmter Märtyrer, die man wegen des Glanzes ihres Martyriums oder des Rufes ihrer Heiligkeit und ihrer Wunder verehren wollte. Auf diesen Brauch weisen heute noch Gebete des römischen Meßkanons hin. Die Berichte über den Tod der Märtyrer gingen um und wurden beim Gottesdienst häufig vorgelesen. Dadurch wurde ihre Verehrung stark ausgebreitet.

Die Kirche hatte nach der Märtyrerzeit zunächst gezögert, auch Nichtmärtyrer öffentlich als Heilige zu verehren. Aber die Verehrung, welche der hl. Antonius der Einsiedler und andere große Gestalten des Mönchtums im Morgenland, die der hl. Martin von Tours und andere nach ihm im Abendland fanden, konnte nicht nur auf die private Frömmigkeit beschränkt bleiben. Bald war es allgemeine Überzeugung, daß es, wie Isidor von Sevilla (+ 636) schreibt, zwei Arten von Märtyrern gibt: „Die einen legen vor aller Augen Zeugnis ab durch ihr Todesleiden, die andern bezeugen Gott durch die verborgene Tugend ihrer Seele. Manche haben den Anschlägen des Teufels widerstanden, haben sich nicht überwinden lassen durch das Gelüsten des Fleisches und haben sich so dem allmächtigen Gott geopfert, daß sie Zeugen Gottes wurden, als die Kirche Frieden hatte, wie sie Blutzeugen geworden wären, wenn sie Verfolgung zu leiden gehabt hätten.“ Das Wort confessor, Bekenner, wurde in jener Zeit der Ehrentitel jener Nichtmärtyrer, deren Heiligkeit die Kirche anerkennen wollte. Die feierliche Zuerkennung der öffentlichen Verehrung gab dem Bekenner, der Jungfrau oder der Witwe, das sind die beiden anderen Stände, die man bei den Heiligen unterschied, was bei jedem anerkannten Märtyrer Sitte war, daß nämlich über seinem Grabe das eucharistische Opfer gefeiert werden durfte. Sie fand ihren Ausdruck darin, daß die Gebeine des neuen Heiligen gehoben und unter einem Altare beigesetzt wurden.

Die Seligsprechung, welche die Vorstufe zur Heiligssprechung ist, wird dann vorgenommen, wenn durch die Kirche festgestellt worden ist, dass der Diener Gottes von heroischer Tugendgröße gewesen ist und daß Gott auf seine Fürbitte Wunder gewirkt hat. Können nach der Seligsprechung zwei weitere Wunder bewiesen werden oder drei, falls der Diener Gottes rechtmäßig eine öffentliche Verehrung seit unvordenklicher Zeit genoß, dann erfolgt die Heiligsprechung. Bei den Martyrern genügt zur Seligsprechung der Nachweis des Martyriums als Beweis heroischer Tugendgröße. Die Seligsprechung hat nur vorläufigen Charakter. Sie zielt hin auf die Heiligsprechung (= Kanonisation), die sie vorbereitet. Die Seligsprechung gibt die Erlaubnis zu einer nach Ort und Umfang beschränkten öffentlichen Verehrung. Dagegen fällt bei der Heiligsprechung der Heilige Vater als oberster Lehrer der Christenheit sein letztes, allgemein geltendes und allgemein bindendes Urteil: „Dieser Selige ist ein Heiliger, ich nehme ihn auf in die Zahl der Heiligen, und er hat Anspruch auf Verehrung in der ganzen Kirche.“


Foto: Heike Hannah Lux

Der Rosenkranz

von P. Miguel Stegmaier


„Salutate Mariam! Quae multum laboravit in vobis“ – Grüßet Maria, die sich für euch so sehr abgemüht hat (Röm 16, 6).

Im 4. Jahrhundert kam der hl. Bischof und Kirchenlehrer Gregor von Nazianz, mit dem Beinahmen „Der Theologe“, auf die Idee, Maria gegenüber seine Verehrung und Liebe darzubringen, indem er statt eines Kranzes aus Rosen einen Kranz aus Gebeten und Liedern ersann, die aus den tiefen Empfindungen seines andächtigen Herzens hervorkamen.

Der Inhalt dieser Gebete und Lieder pries und verherrlichte die Tugenden Mariens, ihre Demut, ihr Gottvertrauen, ihren Gehorsam, ihre Jungfräulichkeit, ihren Leidensmut, ihre Macht und Güte, ihre Muttersorge und Treue.

Der hl. Gregor lud an den Muttergottesfesten die Gemeinde zum Mitbeten ein, und die Erfindung dieses Gebetskranzes (lateinisch: corona praecum) fand großen und freudigen Beifall beim katholischen Volk.

Was ist nun ein Rosenkranz?

1) Der Rosenkranz ist eigentlich ein Kranz mündlichen Gebetes.

Was bedeutet „beten“? „Beten“ heißt, „sein Herz zu Gott erheben“ (sursum corda), und „ihn um Gnade zu bitten“ (preces). Beten heißt, fromm mit Gott oder mit seinen Heiligen zu sprechen (pia conversatio). Wir beten also, wenn wir ganz bei Gott sind, wenn wir seine Größe bewundern, wenn wir unsere Armseligkeit, unsere Hilflosigkeit ihm eingestehen und ihn um seine Hilfe bitten: „Deus in auxilium meum respice“ ( Ps. 39, 1) – Herr, sei bedacht, mir zu helfen. Wenn wir in bestimmten Worten unseren Gefühlen Ausdruck geben, dann haben wir das mündliche Gebet, wenn wir nur an ihn denken, wenn wir ganz aufmerksam sind auf seine Worte, wenn wir mit unserm Herzen bei Gott sind, daß wir bestrebt sind, alle Gedanken, die Gott mißfallen, aus unserm Herzen zu entfernen. Die hl. Theresia vom Kinde Jesu sagt ähnlicherweise über das Gebet: „Für mich ist das Gebet ein Schwung des Herzens, ein einfacher Blick zum Himmel, ein Ausruf der Liebe und Dankbarkeit mitten aus der Prüfung, mitten aus dem Glück. Kurz, es ist etwas Erhabenes und Übernatürliches, das die Seele ausweitet und sie mit Gott vereint.“

Allerdings, den meisten Menschen ist es nicht gegeben, ihre Gefühle mit ihren eigenen Worten frei und leicht auszudrücken, sie brauchen deshalb „mündliche Gebete“, die sie entweder auswendig gelernt haben oder aus einem Buch ablesen. Aber die Qualität des Gebetes hängt nicht vom Aufsagen langer Gebetsformeln und nicht vom langen Lesen in einem Gebetbuch ab, sondern von der guten Gesinnung, die die Menschen Gott gegenüber bezeugen. Für Gott ist nicht die Quantität des Gebetes, sondern mehr ihre Qualität wichtig. Der Heiland sagt: „Auch sollt ihr beim Gebete nicht viele Worte machen, wie die Heiden, die meinen, sie würden wegen ihrer vielen Worte erhört“ (Mt. 6, 7).

Die Qualität ist also im wesentlichen eine Frage des Inhalts. Im Rosenkranz haben wir nicht irgendein Gebet vor uns, das Menschen gemacht haben, sondern ein Gebet des Herrn, das „Vater unser“, das wir von Jesus selbst gelernt haben und das „Ave Maria“, den englischen Gruß, vom Erzengel Gabriel zuerst gesprochen, der von Gott gesandt war.

Das „Vater unser“ enthält so herrliche Bitten, daß wir es ruhig öfter hersagen können. Und das „Ave Maria“ ist eine ehrfurchtsvolle Begrüßung der Muttergottes, die nicht nur ein großer Heiliger, sondern ein Bote Gottes gesprochen hat. Diese beiden Gebete erheben also mit Leichtigkeit unser Herz zu Gott, wir können Gott Vater und die allerseligste Jungfrau niemals mit schöneren Worten preisen, als wenn wir diese beiden Gebete sprechen. Wenn wir also das „Vater unser“ und das „Ave Maria“ sprechen, gehen wir gewissermaßen an der Hand der Muttergottes zum himmlischen Vater und vereinigen unser schwaches Gebet mit dem Gebet der größten Heiligen, um Gott würdig zu preisen. In der Tat vereinigen wir uns mit großen Heiligen, die ständig den Rosenkranz beteten; z.B. ließ der hl. Pius V, ungeachtet seiner vielen Geschäfte, keinen Tag vorübergehen, ohne den Rosenkranz zu beten. Der hl. Karl Borromäus betete ihn gleichfalls täglich. In seiner Domkirche zu Mailand errichtete er die Rosenkranzbruderschaft, bei deren Versammlungen er häufig selbst den Rosenkranz vorbetete. Der hl. Johannes Berchmans, Jesuit, wollte mit dem Rosenkranz in der Hand sterben. Der hl. Franz Xaver heilte die Kranken durch Berührung mit dem Rosenkranz. Der hl. Franz von Sales und der hl. Alfons von Liguori hatten sich durch ein Gelübde verpflichtet, alle Tage den Rosenkranz zu beten.

2) Der Rosenkranz ist ein Mariengebet und ein vertrauensvolles Gebet.

Wir sehen im Rosenkranz, wie Maria bei allen Geheimnissen der Erlösung beteiligt ist, wir ergreifen im „Ave Maria“ ihre Hand und betrachten gemeinsam mit ihr die Geheimnisse des Lebens und Todes Jesu Christi, damit sie uns den Heiland vorstelle und an unserer Stelle für uns bitte.

Nun, das Psalterium Mariae (Psalter Mariä) oder Rosarium (Rosenkranz) besteht darin, daß man nach vorausgeschicktem apostolischem Glaubensbekenntnis, fünfzehn Mal das Gebet des Herrn mit dem Verherrlichungspruche: „Ehre sei dem Vater“, und einhundertfünfzig Mal den englischen Gruß betet, wobei die fünfzehn Geheimnisse des Erlösers und seiner heiligsten Mutter zur Betrachtung beigefügt werden. Der ganze Rosenkranz zerfällt wieder in drei Teile, in fünf „Vater unser“ und fünfzig englische Grüße, die „decades“ – Gesetze genannt werden. Die beigefügten Geheimnisse scheinen diese Abteilung hervorgebracht zu haben. Der erste Teil enthält die fünf vorzüglichsten Geheimnisse der Menschwerdung (Mysteria gaudiosa); der zweite die des Leidens (Mysteria dolorosa); der dritte die der Verherrlichung (Mysteria gloriosa); Papst Johannes Paul II fügte dem Rosenkranz mit dem Apostolischen Schreiben Rosarium Virginis Mariae vom 16. Oktober 2002 die lichtreichen Geheimnisse hinzu. Diese nennen Glaubensgeheimnisse zwischen Kindheit und Leiden Jesu und ergänzen die drei klassischen Formen (freudenreicher, schmerzhafter und glorreicher Rosenkranz).

Die Abfassung und Einteilung des Rosenkranzes in bestimmte Gesetze oder Absätze mit abwechselndem „Vater unser“ und zehn „Ave Maria“, sowie der beigemischten Betrachtung der Geheimnisse des Lebens, Leidens und der Verherrlichung unseres Erlösers, mit einem Wort, der Rosenkranz, wie wir ihn gewöhnlich beten, rührt wohl vom hl. Dominikus, Stifter des Prediger-Ordens oder Dominikaner, her, der im dreizehnten Jahrhundert lebte. Etwas dem Rosenkranz ähnliches hatte man jedoch schon früher. Bereits im vierten Jahrhundert hat der hl. Bischof Gregor von Nazianz einen Kranz aus Gebeten und Liedern zur Ehre der Gottesmutter komponiert. Im elften Jahrhundert bestimmte der hl. Abt Johannes Walbert: diejenigen unter seinen Mönchen, welche nicht Priester waren und kein Latein verstanden, also die lateinischen Psalmen im Chor nicht mitsingen konnten, sollten statt dessen eine gewisse Anzahl „Vater unser“ und „Ave Maria“ beten. Zum Abzählen bedienten sie sich gewisser Körner, welche sie an ihrem Gürtel angehängt trugen. Sogar in den ersten Jahrhunderten gebrauchten die Einsiedler schon kleine Steinchen oder sonstige Zeichen, um damit ihre Gebete abzuzählen.

Die Benennung „Rosenkranz“ soll durch eine wunderbare Begebenheit entstanden sein. Die hl. Rosalia, eine nahe Verwandte Kaiser Karls des Großen, hatte in ihrer Einöde eine Schnur mit vielen kleinen Körnern, die sie in ihrer Hand trug und woran sie wohl auch betete, und an deren Spitze ein kleines Kreuz hing. Der Name Rosalia, kann vielleicht eine Veranlassung zu der Benennung „Rosenkranz“ gewesen sein. Jedenfalls kommt er auch durch den Vergleich Mariens mit einer Rose. Schon die heilige Schrift sagt von ihr nach der Auslegung der Kirche: „Wie eine Rosenstaude wuchs ich“, und wir nennen sie in der „Laurentanischen Litanei“ die „rosa mystica“ (geheimnisvolle Rose). Maria heißt deshalb die „geheimnisvolle Rose“, weil sie gleich dieser Blume durch ihre Lieblichkeit, durch den herrlichen Blumenduft der schönsten Tugenden sich ausgezeichnet und weil sie, wie die Rose, die vornehmste unter den Blumen, die schönste, die höchste, die Königin aller Menschen und Engel ist. Wie der allweise Schöpfer der Rose die Dornen gegeben hat zum Schutz, so war auch Marias jungfräuliche Reinheit durch den doppelten Dornenzaun der Makellosigkeit und sittsamer Zurückgezogenheit gegen die Gefahren der Welt gesichert.

Der Rosenkranz stellt uns vor, was Gott alles für uns getan hat, um uns an sich zu ziehen. Er stellt uns das ganze Erlösungswerk Christi vor und leitet uns an, die Güte Gottes in diesen Geheimnissen zu betrachten. Darum tun wir recht daran, den Rosenkranz zu beginnen mit dem Glaubensbekenntnis. Wir beten dann zuerst um die drei göttlichen Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe, um das richtige Verhältnis zu Gott zu finden, und dann ist jedes Geheimnis eine so nachdrückliche Predigt von der Liebe Gottes zu uns, daß es uns nicht schwer fallen kann, diesem gütigen Gott unsere Anliegen mit unbeschränktem Vertrauen vorzutragen.

Der Rosenkranz ist endlich eine wahre Schule des Gebetes und eine Schule der Marienverehrung. Was für den Priester sein Brevier, das ist für den Gläubigen der Rosenkranz. Alle guten Eigenschaften des Gebetes können wir hier lernen, alle unsere Stimmungen in ihn hineinlegen. Die großen Feste des Kirchenjahres kehren in seinen Geheimnissen wieder, die Gnade Gottes können wir durch ihn erflehen, unsere Sorgen und Nöte tragen wir im Rosenkranz zu Maria und schöpfen aus seinen Geheimnissen Trost und Kraft. Wenn man um unsere im Tode erkalteten Hände den Rosenkranz schlingt, wie es der Wunsch des hl. Johannes Berchmans war, so soll das nicht ein inhaltsloser Brauch sein. Nein! Sondern das Bekenntnis, daß wir im Tod durch den Rosenkranz Hilfe von Maria erwarten. So können wir mit jedem „Ave Maria“ im Stillen das Gebet verbinden: „O Gott, du hast Großes an uns getan. Siehe, wir vertrauen auf dich, daß du uns die Gnade deiner Erlösung zuwenden und unser Gebet erhören wirst.“

Königin des heiligen Rosenkranzes, bitte für uns!

Hermann Joseph von Steinfeld

– ein Heiliger der Eifel

von P. Marc Brüllingen


Wohl kaum eine Persönlichkeit ist so mit der Eifel verbunden wie der hl. Hermann Joseph von Steinfeld. Viele, die von der Eifel hören, bringen mit dieser schönen Landschaft Steinfeld und den hl. Hermann Joseph in Verbindung. In der Tat wird Steinfeld jedes Jahr von mehreren Menschen besucht, die hierher kommen um die schöne Klosteranlage zu besichtigen sowie die großartige Basilika, in der sich das Grab des hl. Hermann Joseph befindet. Das Leben dieses großen volkstümlichen Heiligen steht in der Blütezeit der Hohenstaufen-Kaiser. Papst Innozenz III. (1198-1216) war in seinem Pontifikat auf dem Höhepunkt der kirchlichen Machtfülle. Rainald von Dassel war zu dieser Zeit Erzbischof von Köln und zugleich mächtiger Reichskanzler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation unter Kaiser Friedrich Barbarossa. Zeitgenossen von Hermann Joseph, ebenfalls bekannte Heilige, waren Hildegard von Bingen, Franz von Assisi, Dominikus, Elisabeth von Thüringen sowie Hedwig von Schlesien.

Der hl. Hermann Joseph wurde um 1150 in Köln als Sohn armer Eltern geboren. Wie die Legende erzählt, habe Hermann Joseph als Kind einmal die Kirche St. Maria im Kapitol besucht und sich vor einem Marienbild gekniet und dem Jesuskind auf dem Arm der Gottesmutter einen Apfel dargereicht. Jesus habe darauf die Hand ausgestreckt und die Frucht entgegengenommen. Nach diesem Erlebnis habe für Hermann Joseph festgestanden, daß er Priester werden wolle. Diese Begebenheit zeigte schon im zarten Kindesalter seinen vertrauten Umgang mit der Gottesmutter und ihrem göttlichen Kind.

Mit zwölf Jahren kam Hermann Joseph nach Steinfeld ins Prämonstratenserkloster. Der Eintritt ins Kloster begann für Hermann Joseph jedoch mit einer Enttäuschung. Er war der Ansicht, von nun an ein Leben des Gebetes und des Studiums führen zu können, zurückgezogen und allein in seiner Klosterzelle. Der Abt aber übertrug ihm zunächst das Amt des Speisemeisters, und Hermann Joseph mußte sich nun Tag für Tag um die Einkäufe der notwendigen Lebensmittel für die Klostergemeinschaft kümmern. Er hatte soviel zu tun, daß er nicht mehr in dem von ihm gewünschten Maß zu Gebet und Besinnung kam. Weil Hermann Joseph so innerlich in seinem Herzen beunruhigt war, soll er daraufhin in seiner unglücklichen Lage, so erzählt die Legende, zur Muttergottes gebetet haben und sich über den in seinen Augen „unglücklichen“ Verlauf des Klosterlebens beklagt haben. Maria soll ihm daraufhin geantwortet haben: „Wisse, daß du mir nichts Angenehmeres tun kannst, als deinen Brüdern in aller Liebe zu dienen.“

Später übertrug man ihm das Amt des Sakristans. Hermann Joseph erhielt von seinen Mitbrüdern seinen zweiten Namen „Joseph“ aufgrund seiner glühenden Marienverehrung. Bekannt dafür ist ein Gemälde von Antonius van Dyck (1599-1641): Die mystische Vermählung Hermann Josephs mit der Gottesmutter (Die Muttergottes berührt auf dem Gemälde die Hand von Hermann Joseph).

Trotz harter Bußstrenge gegen sich selbst, hatte Hermann Joseph ein gütiges und mitfühlendes Herz für seine Mitmenschen. Dies geht besonders daraus hervor, daß er ein eifriger Seelsorger war, der sich als solcher für die leiblichen und seelischen Nöte seiner Mitmenschen einsetzte, besonders auch als begehrter Beichtvater und Seelenführer der Ordensfrauen in verschiedenen Klöstern. Hermann Joseph, der nicht nur ein vorbildlicher Priester und Seelsorger war, war darüber hinaus auch ein begnadeter Mystiker. Seine mystische Frömmigkeit kommt besonders in seinen zarten wie innigen Gebeten und Hymnen zum Ausdruck, welche die vollendete Hingabe einer der Welt entrückten und ganz Gott hingegebenen Seele wiederspiegeln.

Von seinen Werken sind erhalten: der große Marienhymnus „Gaude, plaude, clara Rosa“; der Hymnus auf das göttliche Herz Jesu „Summi Regis cor, aveto“; das Jubellied auf die heilige Ursula und ihre Gefährtinnen (Stadtpatrone von Köln) „O vernantes Christi rosae“; ferner die Sequenz auf die heilige Ursula „Virginalis turma sexus“; schließlich die zwölf Dankgebete zum Erlöser; der innige eucharistische Hymnus „Jesu, dulcis et decore“ sowie seine Betrachtungen über die fünf Freuden Mariens „Gaude Virgo gratiosa“. Hermann Joseph ist auch Verfasser einer verloren gegangenen Erklärung zum Hohen Lied.

Hermann Joseph starb in sehr hohem Alter an einem Donnerstag nach Ostern (wahrscheinlich am 7. April 1241) im Kloster der Zisterzienserinnen in Hoven bei Zülpich, wo er während der Fastenzeit der Kommunität noch einen Besuch abstattete. Als Hermann Joseph bei diesem letzten Besuch das Kloster betreten hatte, malte er mit seinem Stock die Form eines Grabes auf den Boden und sagte: „Hier werdet ihr mich begraben.“ Nach dieser Visitation war der schwache Hermann Joseph nicht mehr in der Lage, die Heimreise anzutreten und schloß bald darauf seine Augen für immer. Die Zisterzienserinnen bestatteten ihn in Hoven. Doch seine Mitbrüder ruhten nicht eher, bis sie seinen Leichnam nach Steinfeld überführen durften, um ihn dort beizusetzen. Auf Bitten der Prämonstratenser von Steinfeld veranlaßte der Kölner Erzbischof die Überführung der sterblichen Hülle Hermann Josephs von Hoven nach Steinfeld. Es wird berichtet, daß die Eifeler Bevölkerung mit brennenden Kerzen und Fahnen Hermann Joseph entgegen gezogen sei, um ihn für im-mer heimzuholen. Seitdem wird sein Grab durch viele Wunder verherrlicht.

Von seinem Tode an setzte eine große Verehrung für diesen liebenswürdigen Heiligen ein, die sich im Laufe der Jahrhunderte immer mehr ausbreitete, so daß Hermann Joseph nicht nur in den europäischen Ländern, sondern sogar auch in Nord- und Südamerika verehrt wird. Der Prozeß um die Heiligsprechung Hermann Josephs entwickelte sich in den letzten drei Jahrhunderten nur mühsam, so daß erst Papst Pius XII. (1939-1958) am 11. August 1958 den heroischen Tugendengrad und die große Verehrung dieses Heiligen anerkannte. Über den „Heiligen der Eifel“ veröffentlichte Papst Johannes XXIII. (1958-1963) im Jahre 1958 ein Dekret, in dem es auszugsweise heißt: „In der katholischen Kirche gibt es immer Menschen, die den Gipfel der Heiligung tapfer erreicht haben und so auf den Leuchter gestellt wurden, um anderen den Weg zum Heil zu weisen. Zu diesen ausgezeichneten Menschen gehört mit Recht der Diener Gottes Hermann Joseph, Priester aus dem Orden der Prämonstratenser, selig oder heilig genannt. Dieser Mann steht bis heute im Bewußtsein der Völker deutscher Zunge als frommer Diener Gottes, reichlich ausgestattet mit Tugend und voll zarter Liebe zur seligsten Jungfrau Maria“. 1960 erfolgte seine Heiligsprechung. Seit 1923 betreuen die Salvatorianer (Ordensgesellschaft des Göttlichen Heilandes) die Wallfahrtsstätte zum Grab des hl. Hermann Joseph.

Hermann Joseph gilt als Patron der Kinder und der heranwachsenden Jugend. Priester und Ordensleute sehen ihn als ihr geistliches Vorbild. Auch die Uhrmacher verehren ihn als Patron, weil Hermann Joseph Uhren angefertigt und repariert haben soll.

Dargestellt wird Hermann Joseph meist als Prämonstratenser-Chorherr mit dem Kelch in der Hand, aus dem drei Rosen hervorsprießen, deutende Zeichen seiner mystischen Begnadungen, besonders bei der heiligen Messe. Ebenfalls bringt eine Holzplastik aus dem Jahre 1500 im rechten Seitenschiff der Steinfelder Basilika den Heiligen treffend zum Ausdruck, mit einem scharf geschnit-tenen herben Antlitz. Andere Darstellungen: Mystische Vermählung Hermann Josephs mit der Gottesmutter (Altarbild des Hermann-Joseph-Altars in Steinfeld); Grabplastik: der Heilige mit der Lilie und dem Jesuskind auf dem Arm. Sehr bekannt ist vor allem die Darstellung jener mystischen Be-gebenheit, bei der er als Kind in der Kölner Kirche St. Maria im Kapitol der Muttergottes einen Apfel anbietet, den das Jesuskind annimmt.