Schlagwort: Weihnachten
Die Weihnachtsfeier in früherer Zeit
von P. Miguel Stegmaier und P. Marc Brüllingen
So wie man aus dem Gehalte eine Quelle, die aus tiefem Schoße der Erde hervorsprudelt, erkennen kann, was unten verborgen liegt, so offenbart sich auch in dem öffentlichen Leben eines Volkes, insbesondere in den Volksfesten, die nur die Blüten des Volkslebens sind, was im Gemüte des Volkes, in seinem ganzen Innern sich bewegt. Es spiegelt sich daher in solchen Volksfesten der ganze Charakter, die ganze Seele des Volkes ab.
Wenn die Volksfeste überhaupt die Blüten des Volkslebens sind, so muß man das Fest der hl. Weihnachten als die würzigste und duftigste dieser Blüten in deutschen Volkstum bezeichnen. Der Name kommt von dem altdeutschen „wy“, „heilig“, her; „heilige Nacht“ heißt er also. Merkwürdigerweise feierten schon die alten Deutschen um die nämliche Jahreszeit ihr Hauptfest, das Fest der Sonnenwende. Man dachte sich, daß die Sonne, die zu Ende Dezember am tiefsten steht, sich alsdann wieder verjünge, daß die gleichsam neugeboren werde. Die Perser, Ägypter und noch viele andere Völker des Altertums feierten ein ähnliches Fest. Unverkennbar liegt ein Walten der göttlichen Vorsehung darin, daß schon die heidnischen Völker um die nämliche Zeit ein Fest der Wiedergeburt feierten. Es war dadurch der Kirche erleichtert, an Stelle des heidnischen Festes sogleich das christliche zu setzten.
Schon drei Wochen vor Weihnachten, in den ersten Tagen des Advents, nahm das Fest gewissermaßen seinen Anfang mit den sog. Klöpfers-Tagen. Es zogen alsdann die Kinder in Begleitung der Greise des Orts, mit Stöcken und Schlegeln in der Hand, von Haus zu Haus, klopften damit an allen Haustüren an, sangen Weihnachtslieder, und wurden von den Hausleuten mit Gaben, bestehend in Brot, Früchten und dergleichen, reichlich beschenkt. Der letzte Besuch galt dem Pfarrer, der sie, umgeben von seinem Kaplan und Küster, empfing und jedes Kind mit einem Weihnachtsbildchen und einem Lebkuchen beschenkte. Die gesammelten Gaben wurden natürlich den ärmsten Kindern für ihre Eltern nachher überlassen. Die Grundbedeutung dieses Aufzuges war die Erinnerung an das Anklopfen und das Nachsuchen der Eltern Christi um eine Herberge zu Bethlehem.
Ein Zug der Mildtätigkeit und Sorge für die Armut durchwehte überhaupt und diese Zeit die ganze christliche Welt. Holz- und Jagdfrevel durften jetzt nicht bestraft werden. Der arme Mann durfte, wo er wollte, Holz fällen, damit er den Christbraten, den ihm Gott beschere, zubereiten könne.
Am Nachmittage vor dem heiligen Abende versammelten sich abermals die Kinder in einem öffentlichen Lokale. An einer Rolle, mitten im Zimmer oben angebracht, wurden Christwecken mittelst einer Schnur auf – und abgezogen, und von den Kindern wurde jauchzend und springend danach gehascht. Selbstredend spielten die Zieher der Schnur vor allen den ärmeren Kindern das Gebäck in die Hände.
Am heiligen Abende selbst wurde mit dem Glockenschlage sechs von allen Türmen „der Friede“ geläutet und von allen Toren der Städte herab in die Posaune gestoßen. Es war hiermit jedem, der in der Acht erklärt war oder sonst polizeilich verfolgt wurde, gestattet, frei und unbehelligt zu erscheinen und sich des Festes mitzuerfreuen. Er durfte bis zum Morgen des vierten Tages in der Gemeinde verweilen. Über den Mißbrauch dieser Freiheit sind höchst selten Klagen geführt worden. Ein schwacher Rest dieser alten schönen Sitten ist noch in unserer gegenwärtigen Gesetzgebung vorhanden, indem es nämlich verboten ist, an Sonn – und Festtagen jemand vorladen zu lassen.
Sobald nun, wie oben berichtet, um sechs Uhr abends das Friedensgeläute erklang, hatte alle Arbeit und jede Geschäftigkeit ein Ende. Es versammelten sich um den Hausvater vor dem durch eine Kerze beleuchteten Muttergottesbilde die Kinder und das ganze Hausgesinde. Es wurde gebetet und alte Weihnachtslieder gesungen, und hierauf ein einfaches Abendmahl genommen, in den ganz frommen Familien wurde strenge gefastet, sogar von den Kindern. Der Hausvater und die Hausmutter verharrten hierauf wieder mit einem Teile des Gesindes im Gebete bis kurz vor Mitternacht. Alsdann ward aus einer alten großen mit Samt belegten, künstlich bearbeiteten Dose die sog. Jericho-Rose hervorgeholt und in ein frisch mit Wasser gefülltes kristallenes Glas gesetzt. Diese Jericho-Rosen wachsen in Palästina, insbesondere am Jordanflusse, wild und wurden von den Kreuzfahrern als Andenken an die kriegerische Wallfahrt und das heilige Land mit nach Europa gebracht. Die kleinen Zweige der natürlich trockenen Krone breiten sich durch das frische Wasser und die Zimmerwärme etwas aus und schimmern, zu nicht geringem Erstaunen der frohen Kinder, etwas ins rötliche.
Nun begibt sich der Hausvater mit den schon erwachsenen Kindern und einem Teile des Hausgesindes in die Weihnachtsmesse. In derselben wird unmittelbar vor dem Anstimmen des Gloria durch den Priester durch zwölfmaliges lautes Anschlagen auf eine kleine silberne Glocke die Feststunde angedeutet, und es erschallt sodann durch die festlich erleuchteten Hallen der Kirche das „Ehre sei Gott in der Höhe!“
Nach Hause zurückgekehrt, erwartet die Hausgenossen ein kräftiges Frühstück, bestehend aus dem sog. Christbrote und aus Fleisch, das gemeinschaftlich verzehrt wird.
Um vier Uhr macht sich die Hausfrau mit den kleinen Kindern und den übrigen Hausgenossen auf den Weg zum zweiten feierlichen Hochamte, der sog. Hirtenmesse. In dieser zweiten Messe singt bloß das Volk; es singt nach alter Weise in den rührendsten Melodien die althergebrachten Weihnachtslieder.
Abermals erschallen die Glocken in den hellsten Tönen von allen Türmen der Stadt um neun Uhr. Es zieht der Hausvater seinen allerprächtigsten Staat an (denn es gab besondere Anzüge für die höchsten Feiertage), um mit aller Feierlichkeit dem letzten Hochamte beizuwohnen. Währenddes ist die daheimgebliebene Hausmutter äußerst rührig; mit feineren Getränken, mit Backwerk und Fleischspeisen werden die Tische so beladen, daß sie fast zusammenbrechen.
Gegen elf Uhr eilen nun in ihren Festkleidern nicht nur die auswärts verheirateten Söhne und Töchter, sondern auch die Mitglieder der ganzen Verwandtschaft bis zu den entferntesten herbei. Es finden sich auch die alten bewährten Hausfreunde ein, die treuen Bekannten und alle, die mit dem Hause in irgend einer Beziehung stehen, die Pächter, Arbeitsleute und dergleichen. Sie bringen dem Haupte der Familie ehrfurchtsvoll ihre Glückwünsche zu dem hohen Feste mit den Worten dar: „Wir wünschen ein glückseliges Fest!“ und nehmen von dem Hausherrn einen gleichen Glückwunsch entgegen. Die Vernachlässigung dieser so schönen Sitte wird als der sündhafteste Frevel und als die Erklärung einer immerwährenden Feindschaft angesehen. Auf solche Weise ward dieser Tag für manchen ein wahres Friedensfest, an welchem der Groll des bald dahinscheidenden Jahres vergessen und begraben wurde.
Nachmittags ward wieder die Kirche besucht und der übrige Teil des Abends still in der Familie zugebracht; denn der Besuch von Wirtshäusern an diesem Abende wurde als unchristlich betrachtet.
Erst am zweiten Tage war das gestattet. An demselben wurden vorzugsweise Turniere und Wettrennen gehalten. Was nur irgend reiten konnte, saß zu Pferde und machte seinen „Stephans-Ritt“.
Am dritten Tage endlich, am Johannestage, wurde der Wein des letzten Sommers getrunken; er hatte sich bis dahin so geklärt, daß er die Herzen der Anpflanzer erfreuen konnte.
(aus: „Münstersches Sonntagsblatt“ 1883; nach: Blütenkränze auf die Festtage Gottes und seiner Heiligen, herausgegeben von Reinhold Albers; ersten Teiles erster Band: Die gebotenen Festtage des Herrn; Paderborn, 1890; Druck und Verlag der Bonifatius-Druckerei)
Foto: Heike Hannah lux
Vorwort zum Januar-Rundbrief
Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter,
von vielen Seiten weht treuen Katholiken heute, die ihren Glauben noch ernst nehmen, eisigkalter Wind ins Gesicht. Aber auch unter ihnen selbst bemerkt der Beobachter eine diffuse Angst. Das ist nicht verwunderlich, denn nichts scheint mehr so, wie es mal war, eine Zeit der Zersetzung von Werten und Sicherheiten, ja das ganze Gefüge, das eine Gesellschaft zusammenhält, scheint in Auflösung begriffen.
Angesichts so vieler, tatsächlich trüber Tatsachen, sollten sich wir Christen am Weihnachtsfest geistigerweise auf das wesentliche im Leben besinnen. Denn Christus wurde nicht umsonst geboren, „als Stille die ganze Welt umfing und die Nacht in ihrem Lauf die Mitte erreichte“. Die dritte Weihnachtsmesse stellt alles an seinen richtigen Platz. Sie ernüchtert und erhebt zugleich.
Die Gegenwart Gottes ist in diesem Kind unter uns gegenwärtig geworden. Der Logos, das Wort des Vaters; Wort, das Gott zu uns spricht und das er nie mehr zurücknimmt. Fortan steht Gott zu uns, er gehört uns, er hat für immer sein Zelt auf der Erde aufgeschlagen. Die Welt ist sein Eigentum. Das Grundbuch des Neuen Testamntes weist ihn als Eigentümer aus: „Er kam in sein Eigentum“. Und die Mutter, sie weiß in der nackten Armut der Höhle nicht, wie sie das Kind bergen soll. Aber dennoch ist das Kind die Majestät des unendlichen Gottes, die bisher kein Menschenauge sah. „Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit.“ „Er sitzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.“ Selbst die Tiere liegen nicht dekorativ im Wege und schauen verwundert. Sie repräsentieren die Schöpfung. „Gott hat durch ihn alles erschaffen“, durch das Kind, das in der Krippe liegt. Die Welt liegt in seiner Hand.
Was hier also geschehen ist, das schlägt der Ratio, der Vernunft, ins Gesicht. War doch die Welt durch Unendlichkeiten von Gott getrennt. Und Gott begibt sich in diesem Kind in die Welt, um an den abgerissenen Faden wieder anzuknüpfen, um das Gleichgewicht der Kräfte, wiederherzustellen, um das Weltverlorene, der Zeit Verhaftete und Verängstigte heimzuholen. So strahlt es auf uns dieses Kind, aus dem Reich des Vaters und weist von der Krippe mit Macht hinauf. Gott findet den Menschen und der Mensch findet Gott.
Was, das soll helfen? Die Betrachtung eines Kindes in der Krippe, im Zeitalter der Angst? Allein schon, das die Botschaft von oben kommt, aus der Welt Gottes ist ein Zeichen, das sie geglaubt werden muß. Doch gerade diese Tatsache macht sie heute verdächtig, armselig und illusionär. Wer so denkt, nehme sich die Hirten zum Vorbild. Für sie war die Botschaft der Engel doch auch unerhört und unmöglich. Aber sie brachen auf. Und indem sie aufbrachen, empfingen sie die Kraft, an das Zeichen zu glauben. Der Aufbruch bleibt keinem erspart, gerade an Weihnachten nicht. Die Tatsache, daß Gott ganz einer der unseren wird und sich an alle menschlichen Notwendigkeiten preisgibt, daß er das ganz durch die Sünde verdorbene Leben mitvollzieht und alle Schicksale der Gott davongelaufenen Menschen auskostet – darin besiegt er alle Ängste und Einwände, vor allem aber unseren Hochmut.
Pater A. Fuisting
Weihnachten 2017
Vigil
Christmette
Erster Weihnachtstag
Stephanustag
Weihnachten 2016
Weihnachtsmessen:
Stephanustag:
Konzert am 1. Advent
Herzliche Einladung:
Sonntag, 27. November 2016
10.00 Uhr Hochamt zum 1. Adventssonntag
direkt anschließend:
Konzert
Navidad en el Mundo – Weihnachten in der Welt
eine musikalische Reise durch die Advents- und Weihnachtsmusik in der Welt
Von den feierlichen, getragenen Adventsliedern aus Nordeuropa bis zu den fröhlichen Tänzen und Weihnachtsliedern aus Spanien, traditionelle Melodien aus Frankreich und England sowie Villancicos aus Argentinien, die von der Folklore der Anden inspiriert sind.
- Dauer: ca. 30 Minuten
- Mitwirkende: Rafael Montero (Gesang) & David Schlünkes (Gitarre)
Einladung als PDF-Datei
Weihnachten
von P. Marc Brüllingen
Keiner hat das hehre Geheimnis der Menschwerdung Gottes, das wir an diesem Tage feiern, so tief erfaßt und so ergreifend ausgesprochen, wie der hl. Evangelist Johannes, der im Evangelium der dritten Weihnachtsmesse spricht: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt! Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, wie die des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit!“
Jeden Tag betet der Priester im Auftrag der Kirche zum Schluß der hl. Messe dieses erhebende Bekenntnis, im „letzten Evangelium“, womit der hl. Johannes das seinige beginnt. Und um seine Ehrfurcht vor dem Geheimnis zu bekunden, das in diesen wenigen Worten zum Ausdruck kommt, beugt der Priester dabei das Knie und mit ihm die versammelten Gläubigen.
An keinem Tag des Jahres kommt es uns aber auch so lebendig zum Bewußtsein, was es heißen will: Gott unter den Menschen, dieses unaussprechlich erhabene und himmlische Geheimnis unseres hl. Glaubens, als heute, am Geburtsfest des Sohnes Gottes, des himmlischen Königs, wo die seligen Geister gesungen haben: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind (Gloria in excelsis Deo)!“
Gleich den Hirten, die freudigen Herzens bei der Kunde, die sie aus dem Engelsmund vernahmen, sich auf den Weg gemacht haben, in hoffnungsvoller Erwartung dessen, was der Herr ihnen offenbaren wollte, dürfen auch wir uns ihre Worte zu eigen machen: „Laßt uns nach Bethlehem eilen und sehen, was der Herr uns kundgetan hat!“ Denn es ist ein wahres Wunder, was wir da schauen!
Ein Wunder der göttlichen Allmacht. Nun sehen wir die erfüllt brennende Begierde der Patriarchen, die Weissagungen der Propheten von dem, der da kommen sollte zum Heil der Welt, gestillt die Sehnsucht der Völker nach dem verheißenen Erlöser, erfüllt, was der hl. Erzengel Gabriel zu Maria, der reinen Jungfrau, gesprochen hatte: „Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären, und seinen Namen sollst du Jesus nennen! Dieser wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden. Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben und herrschen wird er über das Haus Jakob ewiglich, und seines Reiches wird kein Ende sein!“
Der eingeborene Sohn Gottes hat den Schoß seines himmlischen Vaters verlassen, ist herabgestiegen vom Thron seiner Herrlichkeit, „empfangen vom Hl. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau“, wie wir es im Credo (Glaubensbekenntnis) bekennen. Dieses Kind, das in der Krippe liegt, das nichts sein eigen nennt, als armselige Windeln, ist der starke, allmächtige Gott, dessen Machtwort alles, was da ist, ins Dasein gerufen hat. So klein, schwach und hilflos dieses Kind uns auch erscheint – es ist der große, unendliche Gott, der das unermeßliche Weltall wie einen Spielball in seinen Händen wiegt.
Denn, was unser Auge nicht sieht, das sagt uns unser lebendiger Glaube: Es ist niemand anders, als unser Emmanuel, unser Messias (Erlöser/Gesalbter). Christus, vor dessen Majestät die Cherubim und Seraphim in heiliger Scheu ihr Antlitz verhüllen, will mitten unter uns sein! Was können wir da anderes tun, als voller Liebe und Demut uns niederzuknien, vor ihm, der unser Gott und Heiland ist, und in den Jubelruf der Kirche einstimmen: Christus ist uns geboren! Kommt, lasset uns ihn anbeten!
Es ist ein Wunder der göttlichen Gerechtigkeit. Sehen wir an der Krippe nicht das Wort des Propheten bewahrheitet: „Gott selbst wird kommen, uns zu erlösen!“ Ja, Gott selbst ist gekommen, die unendliche Schuld abzutragen, die auf der Menschheit gelastet hat von Adam her, er selber, um der göttlichen Gerechtigkeit genugzutun.
Aber es ist auch ein Wunder der göttlichen Liebe. Das dürfen wir nicht vergessen. Denn nur die Liebe ist es, die Gott auf die Erde herabziehen konnte, um als kleines, armes schwaches, unschuldiges Kind unter uns Menschen zu erscheinen. Er ist gekommen, unser Friedensfürst, nicht um mit Waffengewalt die abtrünnige Welt wieder unter sein Zepter zu zwingen, nicht um irdische Reiche, sondern die Menschenherzen zu erobern durch die Allgewalt seiner Liebe, in den Menschenseelen seinen Thron aufzuschlagen!
Deshalb offenbart er sich uns Menschen als kleines, unschuldiges Kind, um auf diese Weise unsere Herzen zu erobern und mitzureißen. Hier beim göttlichen Kind, das so armselig in einem Stall außerhalb von Bethlehem geboren wird, das uns Menschen so sehr geliebt hat, lernt auch der Mensch wieder den Menschen zu lieben.
Foto: Heike Hannah Lux
„Gott mit uns“
Eine Betrachtung des seligen Kardinals J. H. Newman
Der heilige Johannes der Täufer war von der Welt getrennt; er war ein Nasiräer. Er zog sich von ihr zurück, wandte sich gegen sie, sprach zu ihr aus seiner Überlegenheit und rief sie zur Buße. Ganz Jerusalem ging zu ihm hinaus in die Wüste; er trat ihm Aug in Aug entgegen. In seiner Pre-digt aber sprach er von Einem, der zu den Menschen kommen und in ganz anderer Weise zu ihnen sprechen werde. Er werde sich nicht von ihnen trennen und als ein höheres Wesen zur Schau stellen, sondern ihr Bruder sein, Fleisch von ihrem Fleisch, einer unter vielen Brüdern, der aus ihrer Mitte kommt und zu ihnen gehört. Ja, er war schon unter ihnen. „In eurer Mitte steht er, den ihr nicht kennt.“ Dieser Größere nannte sich selbst den Menschensohn – er war zufrieden, in allem wie ein Mensch befunden zu werden, obwohl er der Allerhöchste war. Der heilige Johannes und die anderen Evangelisten, deren Berichte über ihn ihrem Charakter nach sonst so verschieden sind, stimmen darin auffallend überein. Der Täufer sagt: „In eurer Mitte steht er, den ihr nicht kennt.“ Weiter lesen wir, daß er aus-drücklich auf Jesus hinwies, nicht vor der Menge, sondern vor einem oder zweien seiner Jünger, die sich dann aufmachen, Jesus zu suchen, und die Erlaubnis erhalten, ihm nach Hause zu folgen. Allmählich fängt Jesus an, sich zu erkennen zu geben und seine Herrlichkeit in Wundern zu offenba-ren. Aber wo? Bei einer Hochzeit, wo es nicht selten zu Ausschweifungen kam, wie der Speisemeister andeutet. Und wie? Indem er den Wein ver-mehrt, das Mittel solcher Ausschwei-fungen. Er nahm an dieser Hochzeit nicht als Lehrer teil, sondern als Gast und sozusagen aus gesellschaftlichen Rücksichten, denn er war in Begleitung seiner Mutter. Man vergleiche das mit dem, was er im Matthäusevangelium von sich selbst sagt: „Johannes kam und aß und trank nicht – der Menschensohn kam und aß und trank, und sie sagten: Siehe, dieser Schlemmer und Weinsäufer!“ Johannes mochte gehaßt sein, aber er war geachtet. Jesus war verachtet. Siehe auch Markus 1, 22 u. 27 und 37 sowie 3, 21, wo alle sich über ihn wundern und aufregen. Der Einwand kommt noch einmal vor, 2, 16. Es muß ein bezeichnender Zug im Charakter und in der Sendung unseres Herrn gewesen sein, da ihn zwei Evangelisten so unabhängig in ihren Erzählungen erwähnen. Der Prophet hatte dasselbe gesagt (Jes. 53).
Dies alles geschah, o geliebtester Herr und Heiland, weil du die menschliche Natur, die Du ins Dasein gerufen, so sehr geliebt hast. Du hast uns nicht allein geliebt als deine Geschöpfe, als das Werk Deiner Hand, sondern als Menschen. Du liebst alle, denn alle hast Du erschaffen, den Menschen aber liebst Du über alles. Wie ist das möglich, o Herr? Was hat der Mensch voraus vor anderen? „Quid est homo, quod memor es eius?“ Doch „nusquam angelos apprehendit“ – „Was ist der Mensch, daß Du seiner gedenkst?“. . . „nie nahm er Engelsgestalt an“. Wer kann die Tiefe deiner Ratschlüsse und Pläne ergründen? Du hast die Menschen mehr geliebt als die Engel; darum hast Du nicht Engelsgestalt angenommen, als du Dich zu unserer Erlösung offenbartest; Du hast auch verschmäht, eine Gestalt, eine Lebensweise oder einen Beruf zu wählen, der über dem gewöhnlichen menschlichen Dasein lag – Du woll-test weder als Nasiräer noch als levitischer Priester, als Mönch oder Einsiedler zu uns kommen, sondern in der Fülle und im wahren Sinn der Menschennatur, die Du so sehr ge-liebt hast. Du bist nicht bloß als voll-kommener, sondern als eigentlicher Mensch gekommen, nicht mit einem neu aus Erde geformten und nicht mit dem vergeistigten Leib, den du jetzt hast, sondern in demselben wahren Fleisch, das in Adam gefallen ist, mit all unserer Gebrechlichkeit, unseren Gefühlen und Neigungen, die Sünde allein ausgenommen.
O Jesus, großer Gott, es geziemt Dir, das Dir vom Vater übertragene Werk in solch überfließendem Maße und in solcher Vollkommenheit auszuführen. Du hast es nicht halb vollbracht. Die Größe und Herrlichkeit des Opfers gereicht Dir als Gott zur Verherrlichung und uns Sündern zum Trost und zur Hilfe. O liebster Herr, Du bist in vollkommenerem Sinne Mensch als der Täufer, als Johannes, der Apostel und Evangelist, als Deine liebe Mutter. Wie Du an göttlichem Wissen über mich sie alle übertriffst, so auch an Erfahrung und persönli-cher Kenntnis meiner Natur. Du bist mein älterer Bruder. Was sollte ich fürchten, warum sollte ich nicht mein Herz Dir hingeben, der Du so mild und liebevoll, so vertraut, anspruchs-los und bescheiden und so über alles natürlich und demütig bist! Du bist jetzt im Himmel noch derselbe wie einst auf Erden: der allmächtige Gott und doch das kleine Kind – der All-heilige und doch ein fühlender, ein ganzer Mensch.
Aus dem Englischen übertragen von Maria Knoepfler, Kösel-Verlag KG, München 1952)
Gott wird Mensch
von P. Andreas Fuisting
Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter,
Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung Gottes. Das wissen wir alle. Aber ist uns auch bewußt, daß bereits die Urkirche ein so prägnantes Christusbekenntnis abgelegt hat, wie beim hl. Paulus zu lesen steht?: „Dieser ist (ihm) dem Fleische nach aus dem Geschlechte Davids geboren worden. Seinem heiligen Geiste nach aber war er vorherbestimmt zum Sohne Gottes…“ (Röm. 1, 2 u.3). Was hier niedergelegt ist heißt folgendes: Jesus gehört auf die Seite Gottes und auf die Seite des Menschen. Die Tatsache der wahren Menschheit Christi wird durch die Bezeichnung „Sohn Davids“ ausgedrückt.
Die junge Kirche versuchte ihre gläubige Überzeugung in ihren Schriften durch entsprechende Belege zu untermauern. Die Evangelienstelle Matthäus 1, 1-17 beschäftigt sich mit dem Stammbaum Josephs. Durch diesen Stammbaum, der mehr theologische Absichten verfolgt, als den Anspruch erheben darf, einer geschichtlichen Prüfung standzuhalten, wird „bewiesen“, daß Joseph ein Sohn Davids ist. Damit ist die Davidssohnschaft Jesu noch nicht geklärt.
Um nun eine Antwort zu geben auf die Frage „wie kann Jesus, der in Maria durch den Heiligen Geist Mensch geworden ist, Sohn Davids sein?“ greifen wir auf die Stelle des Matthäusevangeliums zurück, die an der Vigil von Weihnachten verkündet wird (Matth. 1, 18-21). Der Evangelist argumentiert dabei so wie folgendermaßen: Durch die Namengebung hat Joseph, der aus dem Geschlechte Davids stammt, den von seiner rechtmäßigen Frau geborenen Sohn als seinen Sohn rechtlich anerkannt. Dadurch wird Jesus zum Sohn Davids. Diese besondere Art der Davidssohnschaft des Messias ist im AT bereits durch den Propheten vorausverkündet (Mt. 1,23; Is. 7, 14). Gott selbst drängt dann Joseph durch den Engel dazu, Maria zur rechtmäßigen Frau zu nehmen und das in ihr durch den Heiligen Geist Gewordene als eigenes Kind anzuerkennen.
Das ist das große Geheimnis des Weihnachtsfestes: Gott wird wirklich Mensch. Er teilt das Menschliche mir uns, damit wir das Göttliche mit ihm teilen. Er tritt auf unsere Seite, um uns auf die Seite Gottes zu holen. Ich möchte mich, auch im Namen meiner Mitbrüder, bei Ihnen allen ganz, ganz herzlich für Ihre im vergangenen Jahr geleisteten Wohltaten bedanken, sei es Ihr Gebet, Ihre ehrenamtliche Mitarbeit oder Ihre finanzielle Unterstützung gewesen. Ich versichere Ihnen: Auf diese drei sind wir nach wie vor dringend angewiesen! Wir werden Sie auch weiterhin in jedes hl. Meßopfer mit einschließen. Bleiben Sie uns verbunden, wie wir es Ihnen sind durch den ankommenden Heiland der Welt.
In diesem Sinne: GESEGNETE WEIHNACHT!
Ihr P. A. Fuisting
Foto: Heike Hannah Lux