Aus den Tiefen …

von P. Andreas Fuisting

Nun stehen wir bereits in der Vorfastenzeit, mit der die Vorbereitung auf das höchste Fest des Kirchenjahres begonnen hat: Ostern, die Feier unserer Erlösung. Drei Sonntage gehen der 40tägigen Fastenzeit voraus, die Sonntage Septuagesima, Sexagesima und Quinquagesima, was bedeutet der siebzigste, sechzigste und fünfzigste Tag vor Ostern. (Die Zahlen sind abgerundet, weil der folgende Sonntag Quadragesima genannt wird).

Die drei Vorfastensonntage sind eine Einladung Gottes: „Geht in meinen Weinberg“, „lauft in der Rennbahn“, damit ihr den Siegespreis erlangt. Wir erhalten die Aufgabe das Samenkorn des Wortes Gottes in den Ackergrund der Seele zu legen, damit es aufgeht und Frucht bringt. Was wir an Mühen und Opfern aufbringen in Vorfasten- und Fastenzeit ist auf Ostern gerichtet, wo wir, erleuchtet durch die Taufgnade, mit Christus zu neuem Leben auferstehen sollen.

Zuvor aber gehen wir nun wie durch eine Vorhalle auf die Fastenzeit zu. Das erste, was die Kirche uns dabei zum Bewußtsein bringen will, ist, daß wir Sünder, Gefallene sind, die hilfsbedürftig, arm und ohnmächtig, nicht aus eigener Kraft aus der Not der Seele herauskommen können. „Aus den Tiefen rufe ich, o Herr, zu dir, Herr erhör mein Rufen.“ Als gläubige Christen muß uns in dieser Zeit die starke Hoffnung beseelen, daß wir, nachdem wir uns in Reue und Buße dem lebendigen Gott wieder zugewandt haben unseren Lohn erhalten werden, weil Gott in seiner unendlichen Liebe dem Reumütigen sein Erbarmen schenkt.

Seit Septuagesima schweigt im Gebet der Kirche das Alleluja. Erst in der Osternacht erklingt es wieder. Ein mittelalterlicher Liturgiker sagt dazu: „Wir stellen das Alleluja ein, das die Engel singen, weil wir, durch die Sünde Adams von der Gesellschaft der Engel ausgeschlossen, im Babylon des Erdenlebens dasitzen an den Bächen und weinen beim Gedanken Sions; und wie die Söhne Israels im fremden Land die Harfen an die Weiden hängten, so müssen wir den Allelujagesang zur Zeit der Trauer in Buße und Bitterkeit des Herzens vergessen.“

Die Vorfastenzeit

Septuagesima, Sexagesima, Quinquagesima
von P. Marc Brüllingen


confessional, cross, priest, religionMit dem Sonntag Septuagesima beginnt die sogenannte Vorfastenzeit. Die Vorfastenzeit verbindet sozusagen das Ende der Weihnachtszeit mit dem Beginn der Fastenzeit, welche mit dem Aschermittwoch beginnt. Die Namen der Sonntage Septuagesima (=70), Sexagesima (=60) und Quinquagesima (=50) bezeichnen nicht die genauen Abstände bis zum Osterfest, sondern sind aufgerundet.

Schon die Vorfastenzeit deutet auf den Ernst der eigentlichen 40tägigen Fastenzeit hin. Dies wird schon durch das Tragen des violetten Meßgewandes deutlich. Ebenso verstummt der „Alleluia-Ruf“ (bis zur Feier der Osternacht) und wird durch den Tractus ersetzt, der auf das Graduale (=Gesänge zwischen Lesung und Evangelium) folgt. Jedoch ist sie noch nicht so ernst wie die eigentliche Fastenzeit, da noch die Orgel erklingen darf und Blumen den Altar schmücken. Sie ist vielmehr eine behutsame Hinführung zur Fastenzeit, die uns an den Zweck der Menschwerdung Christi erinnern soll.

Der Sinn der Vorfastenzeit kommt sehr treffend im Evangelium von Septuagesima zum Ausdruck – das Gleichnis vom Hausvater, der ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg zu dingen. Denn hier geht es um die Mitwirkung am eigenen Seelenheil, und jeder ist dazu aufgerufen, daran mitzuwirken, in den Weinberg des Herrn einzutreten, um für seine Arbeit, seine Bemühungen dann den Lohn zu erhalten. Im Gleichnis ist es der Tageslohn am Abend, in unserem Leben ist es der ewige Lohn am Ende unseres Lebens, wenn wir von Gott für unsere Anstrengungen um das Heil der Seele mit dem ewigen Leben belohnt werden.

Bemühen wir uns somit, daß auch wir zu denjenigen gehören, die sich in diesem Leben auf Erden angestrengt haben, um von Christus am Lebensabend den einen Denar zu erhalten, d.h. in die ewige Glückseligkeit einzugehen. Wer in diesem irdischen Leben sich mit Christus und für Christus anstrengt, der wird in der Ewigkeit auch dafür belohnt werden.


Bild: Fotolia – ID 31611819

Gedanken zur Schmerzhaften Mutter

von P. Marc Brüllingen


kreuz01Jetzt in der Fastenzeit und der sich daran anschließenden Passionszeit sollen wir nicht nur das bittere Leiden und Sterben Jesu Christi betrachten, sondern auch der schmerzhaften Mutter gedenken.

Die zwei wohl bekanntesten Darstellungen der schmerzhaften Mutter sind: „Maria unter dem Kreuz“ und „der Leichnam Jesu auf dem Schoße Marias“ (Pietà).

Die katholische Kirche feiert zweimal im Jahr ein Fest zu Ehren der schmerzhaften Mutter, am Freitag nach dem ersten Passionssonntag und am 15. September. Letzteres wurde im Jahre 1814 von Papst Pius VII. eingeführt, anläßlich seiner glücklichen Rückkehr aus der Gefangenschaft Napoleons. Papst Pius VII.

Papst Pius VII. ist es auch gewesen, der die Litanei zur schmerzhaften Mutter verfaßt hat. Im Evangelium vom Fest der Sieben Schmerzen Marias heißt es: „In jener Zeit standen bei dem Kreuze Jesu seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleophas und Maria Magdalena. Als Jesus seine Mutter und den Jünger, den er liebhatte, dastehn sah, sprach er zu seiner Mutter: Frau, siehe deinen Sohn! Hierauf sprach er zu dem Jünger: Siehe deine Mutter! Und von dieser Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.“

Das Wort des sterbenden Sohnes stellt die Mutter in den Schutz des Johannes und Johannes in den Segen Marias. Das Abschiedswort des sterbenden Herrn an Seine Mutter und an Seinen Freund hat eine Tiefe, welche die Christenheit erst allmählich im Laufe der Jahrhunderte erkannt hat und erkennt; denn auch heute ist das Geheimnis dieses Wortes noch nicht nach allen Seiten hin erschlossen, das Geheimnis der geistigen Mutterschaft Marias über die ganze Christenheit.

Das christliche Gemüt begann zu ahnen und verstand es dann immer deutlicher, daß Jesus am Kreuz Maria nicht nur Johannes, sondern uns allen zur Mutter bestellt hat, und daß nicht allein Johannes, sondern wir alle Söhne und Töchter Marias sind. Johannes ist nur unser Vertreter. Maria ist die Mutter der ganzen in Christus zusammengefaßten Menschheit.

Das Evangeliumswort, für sich allein genommen, läßt allerdings diesen weittragenden Schluß nicht zu. Dort ist nur von Johannes die Rede. Ihm, ihm allein, wird beim Kreuz die Auszeichnung und die Pflicht zur Sorge für Maria übergeben. Und auf ihn, auf ihn allein, auf keinen anderen Jünger, wird Maria wie auf einen Sohn verwiesen, dem sie ihrerseits Mutter sein soll, sein darf. Die Väter der Kirche bezogen darum diesen Text durchwegs nur auf das Mutter-Sohn-Verhältnis, das zwischen Maria und Johannes bestand, mit keinem Wort auf eine geistige Mutterschaft Marias über uns alle.

Erst bei Origines (+254) findet sich eine Stelle, welche jenes Wort des Herrn auch auf die Christusgläubigen, Christusliebenden ausweitet (Origines, in Joannem, vol. 6,14,32). Doch vergingen noch Jahrhunderte, bis im Abendland erstmals der Abt Rupert von Deutz anfangs des 12. Jahrhunderts, und dann ganz klar und unmittelbar Dionysius der Kartäuser im 15. Jahrhundert jenes Wort des Herrn mit einer allgemeinen geistigen Mutterschaft Marias in Verbindung brachten.

Wir wollen dem Heiland für sein Leiden und Sterben zutiefst dankbar sein, aber auch für die Tatsache, daß er uns seine heiligste Mutter uns zur Mutter gegeben hat. Aus diesem Grunde gebührt auch Maria unsere Dankbarkeit, da sie durch ihr Leiden, durch ihre Schmerzen, ja durch ihr Mitleid(en) wesentlichen Anteil an unserer Erlösung miterwirkt hat.

Bitten wir daher die schmerzhafte Mutter jederzeit um ihre Hilfe, um ihren Beistand, wenn uns Niedergeschlagenheit, Trauer oder sonstiges Leid heimsuchen. Sie kann uns helfen, sie will uns helfen, und sie wird uns auch helfen, wenn wir sie nur vertrauensvoll und inständig um Hilfe bitten.


Foto: Heike Hannah Lux

Gedanken zur Fastenzeit

von P. Miguel Stegmaier


O sacrum ieiunium! (O heilige Fasten)

„Was hilft es, den Leib durch Fasten mager werden zu lassen, wenn der Geist von Hoffahrt aufgebläht wird?“ (Hl. Hieronymus)

Wir Christen gehen mit dem Kirchenjahr durch die Zeit. Mit dem Kirchenjahr gehen heißt, wir gehen mit Christus, denn Christus lebt im Kirchenjahr; er ist der Herr der Zeit, das Ziel aller Zeit: Alpha und Omega. – Nach dem Frohsinn der Fastnacht treten wir ein durch das Tor des Aschermittwoch in die Fastenzeit. Und das bedeutet, daß wir nicht nur von Fasten reden, sondern auch in der Tat danach handeln müssen. Wir wollen an Ostern mit Christus auferstehen, aber vorher müssen wir in das Grab hinabsteigen, damit das Böse, die Sünde und der alte Adam in uns sterben können. Dann kann der neue Mensch Christus in uns auferstehen. Das ist nicht einfach, aber es gibt keinen anderen Weg. Und wenn wir das uns Unangenehme, das Negative überwinden können, sehen und erfahren wir das Christliche, das Licht, das über allem steht. Es geht nicht um Tod, sondern um Leben mit Christus als dem Licht der Welt.

Weihnachtslicht – Dreikönigslicht – Lichtmeßlicht – Osterlicht – das steht über allem.

Holz, Kohle und Öl werden in den Ofen geworfen und verbrennen, verzehren sich. Doch das genügt nicht. Aus dem Verzehren entsteht Wärme und Licht. Auch wir müssen uns verzehren, damit Besseres, Licht und Leben daraus entstehen können. Christus hat es uns vorgemacht, als geschlachtetes Opferlamm am Holz des Kreuzes und damit geboren als Licht für die ganze Welt. Ihm sollen und wollen wir in unserem Handeln nachfolgen.

Zeit des Fastens

von P. Andreas Lauer


Der Christ hat einen Auftrag zum Wirken in der Öffentlichkeit: an uns liegt es, die Welt nicht gottlos sein zu lassen, sondern durch unser Glauben hindurch Gott in die Welt hinein zu vermitteln.

Neben diesem Auftrag der Öffentlichkeit des Glaubens bleibt freilich der Auftrag zu seiner Innerlichkeit unverkürzt bestehen. Das ist die Aufgabe, die das deutsche Wort Fastenzeit andeutet. Damit einer Christ werde, ist auch die Kraft der Überwindung notwendig, das Stehen gegen die naturale Schwerkraft des Dahin-treiben-Lassens. Leben im allgemeinsten Sinn ist einmal definiert worden als ‚Arbeit gegen die Schwerkraft‘. Nur da, wo Arbeit gegen die Schwerkraft ist, sei Leben und wo sie erlischt, sei auch das Leben erloschen. Wenn das schon im biologischen Bereich gilt, so um so mehr im geistigen.

Der Mensch ist das Wesen, das nicht von sich selber zu sich selber wird. Er wird nicht, indem er sich einfach treiben läßt, sich dem naturalen Schwergewicht seines bloßen Dahintreibens überläßt, sondern er wird immer nur im Ringen gegen die Schwerkraft des bloßen Dahinlebens, in der Kraft der Disziplin, die sich aus der Nötigung des Alltags herauszunehmen weiß, die sich aus dem Zwang der Zwecke und der Triebe löst. Unsere Welt ist derart mit Vordergründigem vollgestellt, daß wir immer in Gefahr sind, bloß noch die Teile und nicht mehr das Ganze zu sehen. Es braucht Überwindung, um da durchzuschauen und von der Diktatur des Vordergründigen frei zu werden.

In der kirchlichen Präfation für die Fastenzeit steht das merkwürdige Wort: ‚Ieiunio … mentem elevas – durch Fasten … erhebst du den Geist‘. In Regionen bzw. Zeiten großer Hungersnot empfindet man dieses Wort fast wie eine Ironie. Man empfindet dann, wie das Fasten den Geist hindert, frei zu sich selbst zu sein. Aber wenn wir die Zeiten des Hungers vergleichen mit unserer heutigen Sattheit, dann merken wir doch, wie wahr das Wort auch ist. Dann wird uns bewußt, daß man in Zeiten des Hungers in mancher Hinsicht sehender ist als in Zeiten der Sattheit.

Der ganz satte Mensch, der gar nicht mehr hungert, wird blind und taub. Er gewahrt nur noch sich selbst. Darauf aufmerksam geworden, beginnen wir vielleicht auch die Bilder der Heiligen Schrift neu zu verstehen, die die Kirche in die Taufliturgie aufgenommen hat: Das Bild des Menschen, der blind ist vor Gott; des Menschen, der taubstumm ist, sich selbst und die Welt gar nicht zu vernehmen vermag. Wir verstehen, daß wir jene Wirklichkeit brauchen, die im Wort ‚fasten‘ angesagt ist.

Heute wird auf vielerlei Weise gefastet: aus medizinischen, aus ästhetischen und aus anderen Gründen. Und das ist in der Regel gut. Aber ein solches Fasten allein ist dennoch nicht ausreichend für den Menschen. Denn der Zweck solchen Fastens bleibt ja immer das eigene Ich. Es löst den Menschen nicht von sich selbst, sondern es ist nur noch einmal für ihn selber da. Er aber bedarf eines Fastens, eines Verzichtes, der ihn frei macht von sich selbst, frei macht für Gott und ihn so frei werden läßt für die anderen. Der Ruf, den Gott durch die Fastenzeit so an uns richtet, ist gewiß unbequem. Aber wer einigermaßen wach ist für die Situation des Menschen von heute – für seine eigene Situation! – der weiß auch, wie nötig uns dieser Ruf zu einem realen, nicht ichbezogenen Fasten ist.

Christliches Fasten – eine Befreiung vom eigenen Selbst. Und schon immer war damit die Forderung verbunden, Fastenzeit müsse eine Zeit der Fruchtbarkeit in guten Werken sein. ‚Gute Werke‘ – wenn wir das heute hören, wird uns leicht, je nach Temperament, ein Lächeln oder ein Stirnrunzeln kommen. Aber wir sollten es uns auch da nicht zu einfach machen. Wir sollten hinschauen auf die Hungernden und Notleidenden, auf die hungernden Völker rundum in der ganzen Welt, dann wird uns vielleicht solches Lächeln schnell auf dem Mund ersterben. Denn dann wird uns bewusst werden, daß wir keinen gnädigen Gott haben können, solange wir satt sind und die anderen um uns hungern.