Gemeinschaft der Heiligen in Zeiten der Pandemie

von Hannah Lux


Dieses Jahr war alles anders, aber damit sage ja ich niemandem etwas Neues. Schon die Fastenzeit kam mir teilweise vor wie ein wochenlanger Karsamstag – kein Sakrament, keine Liturgie, zumindest keine direkte Teilnahme. Zu Ostern haben dann sogar einige Veröffentlichungen behauptet “Ostern fällt aus”. Aber Ostern ist nicht ausgefallen.

Nach und nach gab es immer mehr Möglichkeiten, sich wenigstens mit Hilfe von (Internet-)Übertragungen mit dem Gebet und der Liturgie der Kirche zu verbinden. Ich habe das auch als eine schöne Möglichkeit empfunden, die Liturgie anderer Traditionen ohne große Hemmschwelle zu „besuchen“.

Zwar haben ein paar Liturgie­wissenschaftler die Hl. Messe ohne Anwesenheit der Gläubigen als „Geistermessen“ diffamiert, ein Diözesanbischof meinte sogar, von einer ungesunden „Eucharistiefixiertheit” sprechen zu müssen, aber viele Priester und Gemeindeleitungen haben ihre Gläubigen nicht im Stich gelassen.

Am Palmsonntag habe ich z.B. von zuhause aus die Liturgie der Armenischen Gemeinde hier in Köln verfolgt – mit Tablet und Liturgiebuch –, außerdem noch die Übertragung eines Gebets am Nachmittag. Weil ich davon ausgegangen bin, in diesem Jahr keine gesegneten Palmzweige zu bekommen, musste ein kleines Ästchen meines Olivenbaumes als Stellvertretung herhalten.

Am Karfreitag konnte ich morgens eine Beichtgelegenheit wahrnehmen und hatte dort auch die Möglichkeit, mit einem kurzen Ritus die hl. Kommunion zu empfangen – zum ersten Mal seit einigen Wochen. Am Nachmittag habe ich als Teil der Oekumenischen Choralschola Köln mitgewirkt an einer Karfreitagsliturgie, die ebenfalls online gestellt wurde.

In der Osternacht habe ich mich wieder aus der Ferne mit der Liturgie der Armenischen Gemeinde verbunden. Am Ostersonntag konnte ich in Maria Hilf die Osterkommunion empfangen und die Osterspeisen segnen lassen. Zu einer gesegneten österlichen Kerze bin ich dabei auch noch gekommen.

Letztlich konnte ich in der Kar- und Osterwoche sehr viel mehr „Handfestes“ empfangen und erleben, als ich es mir vorher gedacht hätte. Im letzten Jahr wären das alles noch Selbstverständlichkeiten gewesen.

Auch wenn mittlerweile wieder öffentliche Gottesdienste – mit Auflagen – möglich sind, gibt es glücklicherweise immer noch auch die Möglichkeit, der Liturgie per Streaming zu folgen. Selten habe ich so sinnfällig wie gerade jetzt wahrgenommen, dass das Lob Gottes nicht begrenzt ist durch Ort, Sprache, Kultur, Nationalität und auch nicht durch die derzeitigen Umstände.

Als ich im Mai zu einer orthodoxen Diakonenweihe eingeladen war, habe ich an der dortigen Gestaltung der Platzmarkierungen besonders deutlich das Bewusstsein dafür sehen können, dass wir die Liturgie mit dem ganzen Himmel feiern. Da, wo wegen der Abstandsregeln Bankreihen gesperrt waren, nahmen Ikonen den Raum ein, wo sonst die Gläubigen sitzen.

Mein persönliches Fazit aus dieser Situation:

  1. Vielleicht macht gerade die jetzige Situation besonders deutlich, dass wir Liturgie nie nur mit den uns gerade umgebenden Menschen feiern, sondern immer in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche und der himmlischen Wirklichkeit – letzteres ganz ohne Abstandsregeln und Infektionsgefahr.
  2. Ich bin dankbar für alle Priester, die auch ohne die terminliche Verpflichtung fest geplanter Gottesdienste treu bleiben in der Feier der göttlichen Geheimnisse.
  3. Ich bin dankbar für die technischen Möglichkeiten, die wir mittlerweile haben – und für den Mut, damit zu experimentieren, um die Gläubigen nicht allein lassen zu müssen.
  4. Auch wenn einige Stimmen gestreamte Liturgien als Geistermessen diffamieren und lieber „kreative Rituale“ der Laien zuhause hätten – das persönliche Gebet ist essentiell, aber die Rückbindung an das Gebet und die Liturgie der Kirche sind es genauso. Ansonsten steht man evtl. nur auf einem Bein. Am sichersten steht man aber, wenn beide „Beine“ gut ausgeprägt sind. Auch in dieser besonderen Situation!
  5. Ich bin dankbar, dass so viele Möglichkeiten gefunden wurden, den Gläubigen schließlich doch noch Sakramente zu spenden und dass auch die Sakramentalien nicht zu kurz kamen. Wir sind eben doch nicht nur Geist, sondern auch Leib. – Für den Leib wurde im Übrigen auch dadurch Sorge getragen, dass überall große Umsicht geherrscht hat, damit es bei all dem nicht zu Ansteckungen kommt.

Fotos: Heike Hannah Lux

Weihnachten 2019

Heiligabend:

Erster Weihnachtstag:

Zweiter Weihnachtstag / Stephanustag:

Die Heiligen – Freunde Gottes und Helfer der Menschen

von Pater Marc Brüllingen


Der Monat November ist vielen von uns als Allerseelenmonat bekannt. Doch beginnt der Monat November mit dem Fest Allerheiligen, an dem die Kirche alle Heiligen im  Himmel verehrt. Aber, wann ist ein Mensch ein Heiliger? Wann wird jemand als Heiliger verehrt?

Zunächst einmal muß festgestellt werden: Gott ist der Allheilige. Es ist das Wesen des höchsten Gutes und der höchsten Güte, sich selbst gemäß, d.h. heilig zu sein. Gott ist auch der Urheilige, der vernunftbegabte Geschöpfe über die Möglichkeiten ihrer geschöpflichen Ordnung hinaushebt in eine übernatürliche und sie sich selbst gemäß macht und angleicht, sie heilig macht.

Jedes vernünftige Geschöpf strebt zwar kraft seines Wesens nach Gott, seinem Ursprung, um in ihm Ruhe und Heimat zu finden. Aber welches Geschöpf dürfte wohl wagen, wie Gott sein zu wollen und sich eindrängen in das persönliche Leben Gottes? Das Geschöpf kann sich seinen Platz nicht wählen in der göttlichen Sphäre seines Schöpfers. Aber der Schöpfer kann – aus  Gnade – das Geschöpf teilhaben lassen an seinem eigenen Leben. Und da Leben bei dem höchsten Geiste Erkennen und Lieben ist, muß der geschaffene Geist, der an seinem Leben teilhaben will, in seinem Erkennen dem göttlichen Geiste angeglichen werden. Der übernatürliche Glaube, der in Schauen übergeht, und der Mensch muß dem göttlichen Lieben gleichförmig werden durch jene Liebe, welche der Geist der Liebe, der ausgegossen ist in unsere Herzen, bewirkt.

Der Mensch wird so gottförmig. Er wird vergöttlicht, ohne aufzuhören, ein Mensch zu sein. Es gibt Menschen, über deren Leben und Sterben die katholische Kirche die Sicherheit hat, daß Gott schon auf Erden in ihnen alles geworden ist. Solche Mitglieder anerkennt die Kirche öffentlich als Heilige und ehrt sie durch diesen Titel. Von ihnen behauptet die Kirche, daß sie in der Anschauung Gottes selig sind und daß sie als Freunde Gottes unsere Fürbitter sind. Darum empfiehlt sie, die Heiligen zu verehren, wohl wissend, daß die Verehrung der Heiligen im Grunde den ehrt, der die Quelle ihrer Heiligkeit ist, den Allheiligen, von dem sie selbst nur ein Abglanz sind.

Die Heiligen sind nicht selbstleuchtend wie die Sonne, sie glänzen vom Lichte Gottes, von dem alle Heiligkeit ausgeht und auf den alle Heiligenverehrung zurückzielt. Die Kirche läßt eine öffentliche Verehrung, also eine Verehrung im kirchlichen Gottesdienst, nur zu nach vorhergegangener kirchlicher Prüfung. Eine solche Prüfung fand bereits in der altchristlichen Zeit bei den Märtyrern statt. Man nannte die Anerkennung des Martyriums durch den Bischof oder durch Synoden vindicatio; die Märtyrer, deren Verehrung gestattet war, hießen Martyres  vindicati. Das waren solche, die durch ihren Tod öffentlich Zeugnis für Christus abgelegt hatten. Die Namen der anerkannten Märtyrer wurden beim Gottesdienst verlesen.

Die Namen der Märtyrer eines Ortes, deren Andenken gefeiert werden sollte, waren auf Täfelchen, den sogenannten Diptychen, aufgezeichnet. Zu diesen setzte man auch die Namen anderer berühmter Märtyrer, die man wegen des Glanzes ihres Martyriums oder des Rufes ihrer Heiligkeit und ihrer Wunder verehren wollte. Auf diesen Brauch weisen heute noch Gebete des römischen Meßkanons hin. Die Berichte über den Tod der Märtyrer gingen um und wurden beim Gottesdienst häufig vorgelesen. Dadurch wurde ihre Verehrung stark ausgebreitet.

Die Kirche hatte nach der Märtyrerzeit zunächst gezögert, auch Nichtmärtyrer öffentlich als Heilige zu verehren.Aber die Verehrung, welche der hl. Antonius der Einsiedler und andere große Gestalten des Mönchtums im Morgenland, die der hl. Martin von Tours und andere nach ihm im Abendland fanden, konnte nicht nur auf die private Frömmigkeit beschränkt bleiben. Bald war  es allgemeine Überzeugung, daß es, wie Isidor von Sevilla (+ 636 schreibt, zwei Arten von Märtyrern gibt: „Die einen legen vor aller Augen Zeugnis ab durch ihr Todesleiden, die andern bezeugen Gott durch die verborgene Tugend ihrer Seele. Manche haben den Anschlägen des Teufels widerstanden, haben sich nicht überwinden lassen durch das Gelüsten des Fleisches und haben sich so dem allmächtigen Gott geopfert, daß sie Zeugen Gottes wurden, als die Kirche Frieden hatte, wie sie Blutzeugen geworden wären, wenn sie Verfolgung zu leiden gehabt hätten.“ Das Wort confessor, Bekenner, wurde in jener Zeit der Ehrentitel jener Nichtmärtyrer, deren Heiligkeit die Kirche anerkennen wollte. Die feierliche Zuerkennung der öffentlichen  Verehrung gab dem Bekenner, der Jungfrau oder der Witwe, das sind die beiden anderen Stände, die man bei den Heiligen unterschied, was bei jedem anerkannten Märtyrer Sitte war, daß nämlich über seinem Grabe das eucharistische Opfer gefeiert werden durfte. Sie fand ihren Ausdruck darin, daß die Gebeine des neuen Heiligen gehoben und unter einem Altare beigesetzt  wurden.

Die Seligsprechung, welche die Vorstufe zur Heiligssprechung ist, wird dann vorgenommen, wenn durch die Kirche festgestellt worden ist, dass der Diener Gottes von heroischer Tugendgröße gewesen ist und daß Gott auf seine Fürbitte Wunder gewirkt hat. Können nach der Seligsprechung zwei weitere Wunder bewiesen werden oder drei, falls der Diener Gottes rechtmäßig eine öffentliche Verehrung seit unvordenklicher Zeit genoß, dann erfolgt die Heiligsprechung. Bei den Martyrern genügt zur Seligsprechung der Nachweis des Martyriums als Beweis heroischer Tugendgröße. Die Seligsprechung hat nur vorläufigen Charakter. Sie zielt hin auf die Heiligsprechung (= Kanonisation), die sie vorbereitet. Die Seligsprechung gibt die Erlaubnis zu einer nach Ort und Umfang beschränkten öffentlichen Verehrung.

Dagegen fällt bei der Heiligsprechung der Heilige Vater als oberster Lehrer der Christenheit sein letztes, allgemein geltendes und allgemein bindendes Urteil: “Dieser Selige ist ein Heiliger, ich nehme ihn auf in die Zahl der Heiligen, und er hat Anspruch auf Verehrung in der ganzen Kirche.“


Bild: Ikone Allerheiligen | Foto: Heike Hannah Lux

Vorwort zum Juni-Rundbrief

Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter,

die Sonntage nach dem Pfingstfest, beginnen mit dem Dreifaltigkeitsfest. Am ersten Sonntag im Juni, (03.06), wird dann der Zweite Sonntag nach Pfingsten gehalten. In den Sonntagen nach Pfingsten gilt es, die Erinnerung an Christi Auferstehung und die Ausgießung des Heiligen Geistes in uns wachzuhalten. Jeder Sonntag soll darum ein kleiner Ostertag sein, ein Gedenktag an unsere Taufe und Firmung, eine Mahnung, die Taufgnaden zu festigen, besonders durch die Feier des heiligen Meßopfers und durch die Sakramente, denn nur in der Kraft des Heiligen Geistes werden wir die Anfechtungen und  Erdennöte überwinden.

Vom 17. So. n. Pfingsten an richtet die Liturgie den Blick auf den kommenden Herrn. Die Kirche spricht vom Ende der Zeit, von der Trübsal jener Tage, vom Endkampf, den wir zu bestehen haben und auf den wir uns im Glauben rüsten müssen. Bis dahin sollen wir das Vermächtnis des Herrn erfüllen und in der Meßfeier den Tod des Herrn verkünden, bis er wiederkommt. In der Gegenwart des Heilswerkes Christi, eben bei der Hl. Messe, schauen wir aus und stärken uns auf das Kommen des Herrn. So ist denn das Jahr Christi, das liturgische Kirchenjahr, wie Pius XII. in „Mediator Dei“ schreibt „von der Frömmigkeit der Kirche genährt und begleitet, nicht eine kalte, leblose Darstellung längst vergangener Dinge oder eine bloße Erinnerung an Ereignisse aus einer früheren Zeit. Es ist vielmehr Christus selbst, der in seiner Kirche weiterlebt“ (Nr163).

Es grüßt Sie herzlich, Ihr

Pater Fuisting


– Rundbrief Juni 2018


Der Altar

von P. Miguel Stegmaier und P. Marc Brüllingen


“ Quid est altare, nisi sedes et corporis et sanguinis Christi? “
(hl. Bischof Optatus von Mileve, † vor dem 4. Jh.)
“ Was ist der Altar, außer der Sitz des Leibes und Blutes Christi? „

Beim Eintritt in ein Gotteshaus fällt der erste Blick ganz unwillkürlich auf den Altar. Die Säulen und Pfeiler, alle Linien der Architektur nehmen in einer nach liturgischen Grundsätzen, die bis noch vor wenigen Jahrzehnten gegolten haben, erbauten Kirche mit sanfter Gewalt den Blick gefangen und führen ihn nach vorne, wo der Altar sich erhebt.

Der Altar, der vornehmste Teil der Kirche, „das Herz des Gotteshauses“, ist der Opfertisch (trapeza auf Griechisch, mensa auf Latein), auf dem das hl. Meßopfer gefeiert wird (lat.: altare von alta ara, „erhöhte Unterlage“ für gottgeweihte Gaben). Deswegen wird der Ort, wo der Altar steht, das Heiligtum, „Sacrarium“, genannt. Daher nennen die ältesten Kirchenväter ihn den heiligen Tisch (auf Grieschisch tò thousiasteérion) oder Tisch des Herrn, wie der hl. Ignatius von Antiochien in seiner Epistel an die Epheser schreibt: „Wenn jemand nicht im Bereich des Altares sei, nehme er Abstand von dem göttlichen Brot“.

Die Verbindung des Altares mit der Märtyrerverehrung führte eine Umgestaltung des Altares herbei. Bereits im 5. Jahrhundert schreibt das Konzil von Karthago vor, alle Altäre zu entfernen, in denen sich keine Märtyrerreliquien befänden. Gern stellte man den Altar jetzt auf Friedhöfe (lat.: coemeteria) über oder vor ein Martyrergrab, zu dem die Gläubigen hinuntersteigen oder durch ein Gitter hineinschauen konnten (wie beim Grab des hl. Paulus in der Kirche St. Paul vor den Mauern). Auch wurde dem Altar der Name „Confessio“ gegeben, weil sie die Gebeine der hl. Märtyrer enthielt. Der Name eines Märtyrers prägte auch den Namen des Altares. So wurde der Altar über dem Grab des hl. Cyprian vom hl. Augustinus selbst „Mensa Cypriani“, ‚der Tisch des Cyprian‘ genannt.

Bis ins 4. Jahrhundert befand sich in jeder Kirche nur einen Altar. Man sah ihn als den Mittelpunkt der Einheit an, die den Bischof und die Priester mit den Gläubigen in einem Glauben verband. Daher heißt es in den apostolischen Satzungen: „einen andern Altar errichten, [heißt] so viel wie sich vom Bischof trennen“. Im 4. Jahrhundert erscheint nach gestiftetem Kirchenfrieden, die Verordnung, steinerne Altäre zu errichten, die sogennanten Seitenaltäre oder Nebenaltäre. In der Kirche von Jerusalem standen vier Altäre, der Hauptaltar stand in der Mitte der Kirche, die drei anderen um ihn herum im „Sacrarium“. Weitere Altäre, die bald in den Seitenschiffen errichtet wurden, nahmen keine Beziehung zum Hauptaltar ein, weil lediglich dieser, nach dem Zeugnis des hl. Optatus von Mileve, „der Sitz des Leibes und Blutes Jesu Christi ist“ (Optat. Lib. 6. contr. Parmenian. Cap. 1). Im 6. Jahrhundert beginnt man auch in Frankreich und Deutschland mehrere Altäre in einer Kirche aufzustellen. In der Kirche St. Peter zu Bordeaux befand sich ein Altar auf einer Anhöhe und in einer Krypta ein weiterer Altar. Dies fand man auch in mehreren anderen Kirchen, weshalb der ‚Hauptaltar‘ (altare maius) bei den Deutschen ‚Hochaltar‘ (altare summum) genannt wurde. Daher ist die Behauptung einiger Gelehrter falsch, in früheren Zeiten habe es nur einen Altar gege-ben, an dem auch nur ein Opfer täglich dargebracht wurde. Nach dem Zeugnis des hl. Eusebius beispielsweise brachten mehrere Bischöfe am Tag der Kirchenweihe zu Jerusalem das hl. Messopfer für den gemeinschaftlichen Frieden dar (Vid. Vita Constant. Lib. Ult. Cap. 45). Papst Leo I. befahl sogar, daß wegen der großen Anzahl der Gläubigen an besonderen Festtagen das hl. Meßopfer so oft wiederholt werden möge, wie sich eine hinlängliche Zahl an Gläubigen in der Kirche einfänden: „sacrificii oblatio indubitanter iteretur“ ‚Zweifellos soll das Messopfer wiederholt werden‘ Epist. 81. Cap.2.

Wie das Gotteshaus, die Kirche, so hat auch der Altar eine Entwicklung und im Laufe der Jahrhunderte eine mehrfache Umgestaltung erfahren. Der erste christliche Altar war der Tisch, auf dem der Herr selbst im Abendmahlssaal das unblutige Opfer darbrachte. Das war ein gewöhnlicher Holztisch, wie er eben bei einer feierlichen Mahlzeit verwendet wurde. Sicher ist auch, daß in den ersten Jahrhunderten die Altäre aus Holz waren. Der hl. Optatus von Mileve (+ 400 Jh.) wirft dem Donatisten Parmenian vor, daß er die Altäre gebraucht habe, um Feuer anzuzünden. Bis zum 6. Jahrhundert hielt sich der Brauch von Holzaltären, doch nahm man schon in alter Zeit auch Steine und salbte sie mit Chrisam zu Opferstätten. In den Katakomben bildete für gewöhnlich ein mit einer Steinplatte bedecktes Märtyrergrab den Altar zur Feier der Opfergeheimnisse. Als die Verfolgung der ersten Jahrhunderte vorüber war, galt zunächst der Brauch und schließlich die strenge Vorschrift der Päpste, daß nur noch steinerne Altäre geweiht werden durften. Papst Silvester I. errichtete zuerst in Rom einen steinernen Altar aus feinstem Marmor, ohne dass man jedoch ganz vom Brauch der hölzernen Altäre abkam. Die steinernen Altäre werden hier „altaria fixa“, ‚feststehende Altäre‘ genannt. Feststehende Altäre gab es in der ersten Zeit nicht. Man hielt die hölzernen Altäre für tragbare Altäre (altaria portatilia). Man hatte eben sowohl hölzerne feststehende , ‚fixa lignea‘, als auch steinerne tragbare, ‚lapidea portatilia‘, Altäre.

Der christliche Altar besteht aus drei Teilen: die Altarplatte, das Reliquiengrab (Confessio, Subconfessio oder auch Subcorpus gennannt) und der Unterbau.

Die Hauptsache beim Altar ist der Unterbau und die Steinplatte (=Altarplatte), worauf Hostie und Wein konsekriert werden: das übrige ist Zutat und Ausschmückung, welche im Laufe der Jahrhunderte sich in mannigfacher Weise gestaltete. Ohne Genehmigung des Bischofs darf ein Altar weder errichtet noch abgebrochen werden. Die Vorschrift der Kirche, dass der Altar aus natürlichem Stein bestehen müsse, beruht auf praktischen und symbolischen Gründen. Er ist etweder unbeweglich oder beweglich (Tragaltar). Der wesentliche Unterschied zwischen dem unbeweglichen und beweglichen Altar liegt darin, dass ersterer aus einer meist umfangreicheren Steinplatte und einem steinernen Untersatz besteht, die beide nicht bloß zusammengemauert, sondern auch konsekriert und durch bischöfliche Salbung so zu einem Ganzen verbunden werden, dass jede Trennung derselben den Verlust der Konsekration herbeiführen würde, während letzterer nur aus einem einfachen, meist kleineren Stein besteht, der allein konsekriert wird und in jeden Unterbau beliebig eingefügt und wieder daraus entfernt werden kann, ohne dass er die Konsekration verlieren würde.

Zum unbeweglichen Altar gehören drei Stücke: Altarplatte oder Altartisch, Untersatz oder Unterbau und Reliquiengrab. Die steinerne Altarplatte darf nicht aus mehreren Bruchstücken zusammengesetzt sein, sondern muss aus einem einzigen und unversehrten Stein bestehen. Wegen seiner hohen Bestimmung und als Sinnbild Christi soll der Altarstein nicht nur Festigkeit, sondern auch Einheit besitzen. In der Regel werden auf demselben – an den vier Ecken und in der Mitte – fünf Kreuze eingemeißelt. – Der Unterbau, auf welchem der Altartisch ruht, wird entweder aus steinernen Säulen bzw. Pfeilern gebildet, wodurch der Altar tischförmig erscheint, oder er wird aus einem Mauerwerk bzw. Steinwerk ausgeführt, was ihm die Form eines Sarges verleiht. – Das Grab, d.h. die Höhlung oder Vertiefung, in welche das Gefäß mit den Reliquien gelegt wird, kann in der Altartafel oder im Untersatz angebracht werden.

Unter Tragaltar versteht man eine viereckige Steinplatte (ara lapidea), in welche ein Reliquiengrab gehauen ist: diese Steinplatte muss wenigstens so groß sein, daß die Hostie und der größere Teil des Kelches darauf Platz haben. Sie wird auf den provisorischen Altar gelegt oder in den Unterbau von Holz oder Stein so eingelassen, dass sie von der Vorderseite des Altares nicht weit absteht. Das Grab zur Aufbewahrung der heiligen Reliquien muß beim Tragaltar auf der oberen Seite oder Fläche des Steines angebracht und selbstverständlich mit einer steinernen Tabula verschlossen werden, da dieser Verschluss einen wesentlichen Bestandteil des Altares bildet.

Der Grund für die Einschließung der Reliquien von Märtyrern hat seine Bedeutung darin, daß jene, die als Opfer für Christus ihr glorreiches Blut vergossen haben, am Fuße des Altares ruhen sollen, auf dem das Opfer Christi gefeiert wird, welches ihnen Heldensinn und Kraft zum Martyrium verliehen hatte. Das Ruhen der Märtyrer in oder unter dem Altar soll die innige Verbindung zwischen ihnen und dem Lamm Gottes, wie sie im Leiden stattfand und jetzt im Himmel besteht, anzeigen.

„Mit Recht ruhen unter dem Altar die Seelen der Gerechten, weil auf dem Altar der Leib des Herrn geopfert wird. Ganz ziemend und gleichsam durch eine ihnen gebührende Genossenschaft wird den Märtyrern ihr Begräbnis dort gegeben, wo täglich der Tod des Herrn gefeiert wird“ (hl. Augustinus – Serm. 221, n. 1 – inter serm. Suppositicios).

Der Altar soll hochgelegen sein, weil er ein mystischer Kalvarienberg ist. Dies gilt besonders für den Hauptaltar, zu dem mehrere Stufen hinaufführen sollen. Die Altarstufen – aus praktischen und symbolischen Gründen wünschenswert – kommen schon in früherer Zeit vor und sind seit dem 6. Jahrhundert allgemein üblich. Sie sollen auf drei Seiten besteigbar sein: Die oberste Altarstufe (das Fußbrett) soll eine solche Weite und Breite haben, daß der Priester bequem Kniebeugung machen kann. Für levitierte Ämter sind mehrere Stufen erforderlich, damit die hierarchische Rangordnung der Mitwirkenden auch durch den verschiedenen Standort des Zelebranten (in suppedaneo= auf der obersten Altarstufe), des Diakons (in gradu medio= auf der mittleren Altarstufe) und des Subdiakons (in plano= auf der Ebene) zum Ausdruck kommt.

Wenn eben möglich, soll der Altar, wie der Bau der Kirche, nach Osten gerichtet sein; denn von jeher war es Sitte bei den Christen, nach Osten hin zu beten, weil man in der aufgehenden Sonne im Osten ein Symbol für den auferstandenen Christus sah, den wahren Aufgang aus der Höhe und die Sonne der Gerechtigkeit.

Anmerkungen zur Gebetshaltung

von P. Andreas Lauer


Immer wieder kommt es vor, dass Gläubige unsicher sind, welche Haltung sie in der Kirche einnehmen sollen, besonders beim Gebet in der heiligen Messe. Sollen sie stehen oder knien oder sitzen?

Für den Zelebranten bzw. den Kleriker gibt es Rubriken (rot geschriebene Ritusbeschreibungen in den liturgischen Büchern der Kirche), die vor allem für die Liturgie und das gemeinschaftliche Gebet gelten:

So steht man beispielsweise zu Beginn und Ende des Stundengebetes, während der Hymnen und Cantica, und auch sonntags und in der österlichen Zeit ist die stehende Gebetshaltung öfter vorgesehen als sonst.

Das knieende Gebet ist üblich z. B. bei den Tagesgebeten der Advents- und Fastenzeit und bei den Preces (den Gebeten, die der Allerheiligenlitanei folgen.

Und es gibt auch die sitzende Gebetshaltung: im gemeinsamen Chorgebet etwa beim Psalmgebet und bei den Lesungen und Zwischengesängen, in der Messe bei der Opferung.

Für die übrigen Gläubigen dagegen existieren keine derartigen strengen Vorschriften. Nebenbei bemerkt war zur Zeit des Alten Testamentes das Gebet äußerlich nicht an bestimmte Haltungs-Vorschriften gebunden, trotz gewisser Bräuche, wie die Ausbreitung der Hände, das Sichniederwerfen u.ä..

Auch heute existieren verschiedene Bräuche: so ist es unter anderem in unserem Lande üblich, in der Kirche meistens kniend als Ausdruck der Unterwerfung zu beten, und das vor allem während der heiligen Wandlung. In anderen Regionen betet man stehend, und drückt damit seinen Respekt aus – und auch die sitzende Gebetshaltung ist regional gebräuchlich.

Der Einzelne bleibt freilich frei, sich zu entscheiden, welche Haltung er einnimmt, doch ist dabei auf das Verhalten der Gemeinde in der Regel Rücksicht zu nehmen, und gegebenenfalls sich ihr anzupassen bzw. sich so zu verhalten, daß man andere nicht stört bzw. in der Sicht behindert.

„Typisch für das christliche Beten ist das Falten der Hände. Diese Geste soll verdeutlichen, daß sich der Beter nur auf Gott konzentriert und nicht mit anderen Dingen beschäftigt ist. Die aneinander gelegten offenen Handflächen entsprechen der Haltung bei der Huldigung des Lehnsherren im mittelalterlichen Feudalsystem und wird etwa seit dem 11. Jahrhundert praktiziert.

Das Gebet mit zusammengeballten Händen kam erst in der Reformation auf. Daneben gibt es noch seltenere, ältere Formen, wie das Kreuzen der Hände vor der Brust. Das Ausstrecken der Arme im Gebet stammt sogar aus dem vorchristlichen Mittelmeerraum und Orient, es geht auf die Körperhaltung der Bettler zurück. Das Beten mit erhobenen Händen wird häufiger von Christen der charismatischen Bewegung oder der Pfingstbewegung praktiziert und geht auf eine jüdische (z.B. Klagelieder 3,41) Gebetshaltung zurück.“ (Wikipedia, Gebet)

Die äußere Haltung, das Äußere allein ist zum gottwohlgefälligen Gebet nicht ausreichend – hat doch Christus selbst beispielsweise das rein äußere Hersagen von Gebetsworten verurteilt mit den Worten „Plappern wie die Heiden“.

Entscheidend ist die innere Haltung, die freilich sich in der äußeren ausdrücken will. Soll unser Gebet wirksam, fruchtbar sein, so verlangt es dem Inneren nach kindliche Ehrfurcht und Liebe, Demut, Vertrauen und Achtsamkeit, oder wenigstens das ernstliche Bemühen, achtsam zu sein.

So betete der Zöllner und fand Erhörung, während das Gebet des stolzen Pharisäers verworfen wurde. „Gott widersteht den Hoffärtigen. Den Demütigen gibt er seine Gnade“ (Jak. 4,6). Die echte Demut erzeugt Vertrauen, jenes Vertrauen, das nicht auf eigenes Verdienst, sondern auf die unendliche Weisheit und Güte Gottes und die Verdienste unseres Herrn sich gründet. Christus fordert uns in der hl. Schrift immer wieder auf, mit Vertrauen zu beten. Wir mißtrauen Gott und seinem Versprechen, wir unterschätzen die unendlichen Verdienste unsers Herrn, wenn das unbedingte Vertrauen beim Gebet fehlt. Freilich scheint Gott unseren Gebeten zuweilen taub zu sein, weil er will, daß unser Vertrauen beharrlich sei. Ein schönes Beispiel dafür ist uns gegeben mit der Kananiterin (Joh. 16, 26f), die unser Herr scheinbar abweist. Trotz aller Mißerfolge erwartet er von unserem ihm wollgefälligen Gebet, daß wir in demütigem Vertrauen ausharren.

Immer wieder kommen Gedanken, Zerstreuungen auf und verbleiben wie die Nachtfalter, die um die Lampe flattern. Sie sind kein Hindernis für das Gebet, wenn wir sie zurückzuweisen und zu vermindern suchen, denn durch diese unsere Anstrengung bleibt unsere Seele auf Gott gerichtet.

Zu dieser Fragestellung können auch die Vorschläge der Kongregation für den Gottesdienst zum Jahr der Eucharistie aus dem Jahre 2004 hilfreich sein: „… Die Körperhaltungen, die wir während der Eucharistiefeier einnehmen – Stehen, Sitzen, Knien -, verweisen auf die inneren Haltungen des Herzens. Die betende Gemeinde drückt sich in verschiedensten Formen aus.

Das Stehen ist Ausdruck der Freiheit der Söhne und Töchter, die uns der auferstandene Christus schenkt, der uns aus der Knechtschaft der Sünde befreit und wieder aufgerichtet hat.

Das Sitzen drückt die Aufnahmebereitschaft des Herzens Marias aus, die Jesus zu Füßen saß und sein Wort hörte; das Knien oder die tiefe Verbeugung drückt aus, dass wir uns klein machen vor dem Höchsten, vor dem Herrn (vgl. Phil 2,10).

Die Kniebeuge vor der Eucharistie, wie sie der Priester und die Gläubigen machen …, drückt den Glauben an die wirkliche Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus im Altarsakrament aus …

Wenn wir in den heiligen Zeichen hier auf Erden die Liturgie, die im Heiligtum des Himmels gefeiert wird, wiedergeben, tun wir es den Ältesten gleich: Sie „werfen sich […] vor dem, der auf dem Thron sitzt, nieder und beten ihn an, der in alle Ewigkeit lebt“ (Offb 4,10).

Wenn wir in der Eucharistiefeier den Gott-mit-uns-und-für-uns anbeten, muss sich diese Geisteshaltung auch in unserem Handeln und Denken fortsetzen und sichtbar werden. In der Sorge um die Angelegenheiten dieser Welt lauert immer die Gefahr, dass wir die Knie vor Götzen und nicht mehr vor Gott allein beugen.

Die Worte, mit denen Jesus auf die götzendienerischen Vorschläge des Teufels in der Wüste antwortet, müssen in unserem täglichen Reden, Denken und Handeln Widerhall finden : „Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“ (Mt 4,10).

Die Knie zu beugen vor der Eucharistie, in Anbetung des Lammes, das uns erlaubt, mit ihm das Paschamahl zu feiern, lehrt uns, uns nicht vor den Götzen niederzuwerfen, die von Menschenhand errichtet wurden, und es hilft uns, treu, ergeben und ehrfurchtsvoll dem zu gehorchen, den wir als den einzigen Herrn der Kirche und der Welt bekennen.“

(Kongregation für den Gottesdienst: Das Jahr der Eucharistie. Empfehlungen und Vorschläge, Nr. 29).

Pontifikalamt, 1. März 2008 in St. Ursula

Liturgische Tagung, 29.02. – 02.03.2008