„Die Welt kennt das Erbarmen meines Herzens nicht“

von P. Miguel Stegmaier


herz-jesu-k„Die Welt kennt das Erbarmen meines Herzens nicht“
(Der Heiland zu Josefa Menéndez RSC am 24. Febr. 1921)

Schwester Josefa war Laienschwester aus der Gesellschaft der Ordensfrauen vom Heiligsten Herzen Jesu. Geb. 1890 in Spanien. Im Jahre 1920 trat sie ins Kloster „Les Feuillants“ in Poitiers (Frankreich) ein. Dort war sie als Schneiderin tätig. Am 29. Dez. 1923 starb sie im Alter von 33 Jahren im Rufe der Heiligkeit.

1938 erlaubte S. Em. Eugenio Pacelli, Kardinalprotektor der Gesellschaft, die Veröffentlichung der Botschaft Jesu an Schwester Josefa für die Seelen. Im selben Jahr erschien zu Toulouse das Buch: „Un appell à l’amour“ (Die Liebe ruft).

Die wahre Liebe zeigt sich nicht in schönen Worten und auch nicht in zarten Gefühlen, sondern in der Tat. „Kindlein, lieben wir nicht mit dem Wort und nicht mit der Zunge, sondern in der Tat und Wahrheit“ (1 Joh. 3,18). Und wenn die Werke, in denen die Liebe sich betätigt, mit Opfer verbunden ist, dann strahlt sie im hellsten Glanz. Dionysios Areopagita sagt: „Die Liebe ist ein Kreislauf, der sich unaufhörlich vom Guten zum Guten wendet“ (Amor circulus est bonus a bono in bonum perpetuo revolutus; aus: De divinis nominibus 4, 712d.) Daher ist die höchste und zugleich ergreifendste Äußerung der Liebe die Opferliebe. Das Leben Jesu Christi ist der bedeutsamste Erweis der großmütigen Opferliebe. „…er liebte sie bis ans Ende“ – in finem dilexit eos.

Die erste Äußerung der Opferliebe unseres Herrn finden wir bei seiner Geburt in Bethlehem in einer armen Krippe. In Bethlehem finden wir ein Herz, das gekommen ist zu heilen „..deren Verstand verdunkelt ist, durch die Blindheit ihres Herzens“ (Eph. 4,18); zu heilen die Indifferenz der Herzen durch seine Lieblichkeit „..wird aus ihrem Leibe das Herz von Stein wegnehmen“ (Ez. 11,19); und wird heilen die menschliche Schwäche des Willens durch seine Kraft „..damit er eure Herzen kräftige“ (1 Thess. 3,13).

Und was ist das für ein Herz? Das barmherzigste Herz, das man nur finden kann, es ist das Heiligste Herz Jesu. Es liebt jeden Menschen, auch den Elendsten, sogar den Sündigsten, man könnte sagen, den Elendsten und Sündigsten besonders. Armseligkeit und Fehler bilden also kein Hindernis, sondern sind geradezu ein Grund mehr sich ihm zu nahen.

Dies ist das Geschenk, für das Gott in seiner unendlichen Barmherzigkeit von den Sündern erwartet, daß sie wahrhaft bereuen und bereit sind, sich zu ihm zu bekehren: „Herr, erweise Gutes den Guten und allen, die redlichen Herzens sind!“ (Ps. 124,4)

Sein Herz wartet mit liebender Ungeduld auf die Rückkehr der armen Verirrten. Es verspricht ihnen volle Verzeihung „denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; war verloren und wurde wiedergefunden“ (Lk. 15,24). Nicht die Sünde selbst verwundet mein Herz am meisten, sondern daß die Seelen sich nicht zu mir flüchten, nachdem sie sie begangen haben“ (zu Josefa, am 29. 08. 1922). So sucht Jesus den Sünder und wenn eine Seele vor ihrer Verirrung zurückschreckt, ist die Freude seines heiligsten Herzens übergroß, gleichwie als sei der herrlichste Sieg errungen oder ein ganzes Reich erobert, „denn was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet?“ (Matt. 16,26).

Das ist die Liebe des Heiligsten Herzens Jesu; während die Welt in Undankbarkeit gegen es verharrt, schenkt es ihr den größten Beweis der Liebe: „Eine größere Liebe hat niemand als die, daß er sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Joh. 15,13). Am Vorabend seines Leidens und Sterbens setzte Jesus das Allerheiligste Altarssakrament ein; es ist das Sakrament der Liebe. „Jesu, ave, fax amoris dulcis recordatio, melos auris, favus oris, cordis jubilatio…“ – Sei gegrüßt, o Jesus, Herd der Liebe, süßer Gedanke, Musik für die Ohren, Honig für den Mund, Freude des Herzens (Ulrich v. Wessobrunn). Jesus läßt uns nicht als Waisen zurück. „Ich kann deinem Elend nicht länger widerstehen“ (zu Josefa, 14. 03.1921). Im heiligsten Altarssakrament bleibt er wahrhaft und wirklich und wesentlich bei uns alle Tage bis zum Ende der Zeiten. „So oft ihr dieses Brot esset und diesen Kelch trinket, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt“ (1 Kor. 11,26). In der Menschwerdung hat er sich entäußert bis zur Annahme der Kindsgestalt. Im Altarssakrament hat er sich entäußert bis zur Annahme der Brotsgestalt, alles aus Liebe zu uns: „Schön ist es, von der Welt hinweg in Gott unterzugehen, um in ihm neu aufzugehen…Ich habe keine Freude an vergänglicher Speise noch an den Genüssen dieser Welt. Jenes Gottesbrot begehre ich, das das Fleisch Jesu Christi ist, und als Trank begehre ich sein Blut, welches unvergängliche Liebe ist“ (Hl. Ignatius von Antiochien, Brief an die Römer). Ja, das Herz Jesu ist das liebevollste Herz!

Als Jesus sterbend am Kreuz in bitterer Qual und äußerster Verlassenheit rief: „Eloi, Eloi, lama sabachthani!“ (Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen! – Mk. 15,34), werden wir erinnert an die Stelle bei Jeremias: „..unsere Schmerzen hat er auf sich genommen“ (53,4), oder an das Wort aus den Klageliedern: „..seht, ob ein Schmerz dem meinen gleich ist“ (1,12). Und der innere Trost war ihm gänzlich entzogen. „Meine Seele will sich nicht trösten lassen“ (Ps. 76,3). Wohin er seinen Blick am Kreuz auch richten mochte, alles vermehrte ihm den Schmerz: Die Mutter unter dem Kreuz, die in Mitleid sein Herz verwundet; das Volk auf dem Berg, das ihn verspottet, der Vater im Himmel, der ihn zu verlassen scheint. So groß ist das Gefühl der Verlassenheit: „Sion sprach: Verlassen hat mich der Herr“ (Jes. 49,14). Und nach drei langen Stunden neigt er das Haupt und stirbt. „Eine größere Liebe hat niemand als die, daß er sein Leben hingibt für seine Freunde“ (s. o.).

Die Verehrung, die wir dem heiligsten Herzen schulden, ist Anbetung im wahren und eigentlichen Sinn, jene Anbetung, die Gott dem Herrn selbst und ihm allein gebührt. Nicht nur dem Herzen Jesu, indem man darunter die Hingabe an den göttlichen Willen und die Verwirklichung der göttlichen Liebe versteht, gebührt wahre Anbetung, sondern auch dem leiblichen Herzen und dem übersinnlichen Herzen, insofern es den gottmenschlichen Willen und seine Tätigkeit bedeutet, gebührt die höchste Verehrung und Anbetung.

Das heiligste Herz Jesu darf dabei freilich nicht als etwas für sich allein stehendes, von der Menschheit des Herrn, zu der es als Teil ja gehört, angesehen werden. Sondern es muß als mit der menschlichen Natur untrennbar verbundenes betrachtet und verehrt werden. Die menschliche Natur in Christus muß wiederum in ihrer Vereinigung mit der Gottheit des Sohnes gesehen werden, ohne die sie nie war und sein wird.

Wir beten auch die menschliche Natur Christi des Herrn deshalb an, weil sie durch das Geheimnis der Menschwerdung Gottes die Natur des Sohnes geworden ist und beten das Herz Jesu an, weil der Sohn Gottes durch hypostathische Vereinigung* dessen Inhaber geworden ist.

Die Gottheit wird wegen der ihr eigenen Größe und Erhabenheit angebetet, das Heiligste Herz Jesu aber wegen der göttlichen Vorzüge, die die Gottheit ihm verleiht. Indem wir in Christus auch seine menschliche Natur anbeten, können wir auch jeden Teil dieser Menschlichkeit verehren und anbeten, weil für jeden Teil derselbe Grund der Verehrung zulässig ist wie für das Ganze. Also beten wir das heiligste Herz mit Recht an.

Wenn wir dies tun, wird die Verheißung auch uns gelten: „Ich werde den Verehrern meines Herzens alle Gnaden geben, die sie in ihrem Stande brauchen“ (zur hl. Margareta Maria Alacoque).

„Herz Jesu flammend von Liebe zu mir, entflamme auch mein Herz von Liebe zu dir!“ (Hl. Alfons v. Liguori).

*Hypostatische Union :

Bezeichnet das kath. Dogma, nach dem in Christus die eine göttliche Person des Wortes die Trägerin und Inhaberin beider vollständigen Naturen der Gottheit und Menschheit ist. (Der große Herder, Band 6, Freiburg i. Breisg. 1933)