Vorwort zum Juli-Rundbrief

Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter,

die heilige Kirche Gottes befindet sich in einem Zustand, den noch vor Jahrzehnten wohl kaum jemand hat vorhersagen können, so daß die Frage des Herrn, ob der Menschensohn noch Glauben finden werde, wenn er  wiederkommt, schon im hier und jetzt eine Antwort zu finden scheint, nämlich: wohl kaum. Der junge Priester Joseph Ratzinger und spätere Papst Benedikt, hat sich indes bereits 1958 mit der Frage beschäftigt und kam zu dem Ergebnis, „im Herzen der Kirche“ wachse ein neues Heidentum. Aus dieser visionären Schrift, bringen wir nun den ersten Abschnitt und empfehlen Ihnen den Beitrag zur weiteren Lektüre. Unter dem Titel: „Die neuen Heiden und die Kirche“ erschien dieser Vortrag in der Zeitschrift „Hochland“ in der Oktoberausgabe 1958.

Es grüßt Sie herzlich, Ihr

Pater A. Fuisting


Nach der Religionstatistik ist das alte Europa noch immer ein fast vollständig christlicher Erdteil. Aber es gibt wohl kaum einen zweiten Fall, in dem jedermann so genau wie hier weiß, daß die Statistik täuscht: Dieses dem Namen nach christliche Europa ist seit rund vierhundert Jahren zur Geburtsstätte eines neuen Heidentums geworden, das im Herzen der Kirche selbst unaufhaltsam wächst und sie von innen her auszuhöhlen droht. Das Erscheinungsbild der Kirche der Neuzeit ist wesentlich davon bestimmt, daß sie auf eine ganz neue Weise Kirche der Heiden geworden ist und noch immer mehr wird: nicht wie einst, Kirche aus den Heiden, die zu Christen geworden sind, sondern Kirche von Heiden, die sich noch Christen nennen, aber in Wahrheit zu Heiden wurden. Das Heidentum sitzt heute in der Kirche selbst, und gerade das ist das Kennzeichnende sowohl der Kirche unserer Tage wie auch des neuen Heidentums, daß es sich um ein Heidentum in der Kirche handelt und um eine Kirche, in deren Herzen das Heidentum lebt. Der Mensch von heute kann also als Normalfall den Unglauben seines Nachbarn voraussetzen.