„Gott mit uns“

Eine Betrachtung des seligen Kardinals J. H. Newman


Der heilige Johannes der Täufer war von der Welt getrennt; er war ein Nasiräer. Er zog sich von ihr zurück, wandte sich gegen sie, sprach zu ihr aus seiner Überlegenheit und rief sie zur Buße. Ganz Jerusalem ging zu ihm hinaus in die Wüste; er trat ihm Aug in Aug entgegen. In seiner Pre-digt aber sprach er von Einem, der zu den Menschen kommen und in ganz anderer Weise zu ihnen sprechen werde. Er werde sich nicht von ihnen trennen und als ein höheres Wesen zur Schau stellen, sondern ihr Bruder sein, Fleisch von ihrem Fleisch, einer unter vielen Brüdern, der aus ihrer Mitte kommt und zu ihnen gehört. Ja, er war schon unter ihnen. „In eurer Mitte steht er, den ihr nicht kennt.“ Dieser Größere nannte sich selbst den Menschensohn – er war zufrieden, in allem wie ein Mensch befunden zu werden, obwohl er der Allerhöchste war. Der heilige Johannes und die anderen Evangelisten, deren Berichte über ihn ihrem Charakter nach sonst so verschieden sind, stimmen darin auffallend überein. Der Täufer sagt: „In eurer Mitte steht er, den ihr nicht kennt.“ Weiter lesen wir, daß er aus-drücklich auf Jesus hinwies, nicht vor der Menge, sondern vor einem oder zweien seiner Jünger, die sich dann aufmachen, Jesus zu suchen, und die Erlaubnis erhalten, ihm nach Hause zu folgen. Allmählich fängt Jesus an, sich zu erkennen zu geben und seine Herrlichkeit in Wundern zu offenba-ren. Aber wo? Bei einer Hochzeit, wo es nicht selten zu Ausschweifungen kam, wie der Speisemeister andeutet. Und wie? Indem er den Wein ver-mehrt, das Mittel solcher Ausschwei-fungen. Er nahm an dieser Hochzeit nicht als Lehrer teil, sondern als Gast und sozusagen aus gesellschaftlichen Rücksichten, denn er war in Begleitung seiner Mutter. Man vergleiche das mit dem, was er im Matthäusevangelium von sich selbst sagt: „Johannes kam und aß und trank nicht – der Menschensohn kam und aß und trank, und sie sagten: Siehe, dieser Schlemmer und Weinsäufer!“ Johannes mochte gehaßt sein, aber er war geachtet. Jesus war verachtet. Siehe auch Markus 1, 22 u. 27 und 37 sowie 3, 21, wo alle sich über ihn wundern und aufregen. Der Einwand kommt noch einmal vor, 2, 16. Es muß ein bezeichnender Zug im Charakter und in der Sendung unseres Herrn gewesen sein, da ihn zwei Evangelisten so unabhängig in ihren Erzählungen erwähnen. Der Prophet hatte dasselbe gesagt (Jes. 53).

Dies alles geschah, o geliebtester Herr und Heiland, weil du die menschliche Natur, die Du ins Dasein gerufen, so sehr geliebt hast. Du hast uns nicht allein geliebt als deine Geschöpfe, als das Werk Deiner Hand, sondern als Menschen. Du liebst alle, denn alle hast Du erschaffen, den Menschen aber liebst Du über alles. Wie ist das möglich, o Herr? Was hat der Mensch voraus vor anderen? „Quid est homo, quod memor es eius?“ Doch „nusquam angelos apprehendit“ – „Was ist der Mensch, daß Du seiner gedenkst?“. . . „nie nahm er Engelsgestalt an“. Wer kann die Tiefe deiner Ratschlüsse und Pläne ergründen? Du hast die Menschen mehr geliebt als die Engel; darum hast Du nicht Engelsgestalt angenommen, als du Dich zu unserer Erlösung offenbartest; Du hast auch verschmäht, eine Gestalt, eine Lebensweise oder einen Beruf zu wählen, der über dem gewöhnlichen menschlichen Dasein lag – Du woll-test weder als Nasiräer noch als levitischer Priester, als Mönch oder Einsiedler zu uns kommen, sondern in der Fülle und im wahren Sinn der Menschennatur, die Du so sehr ge-liebt hast. Du bist nicht bloß als voll-kommener, sondern als eigentlicher Mensch gekommen, nicht mit einem neu aus Erde geformten und nicht mit dem vergeistigten Leib, den du jetzt hast, sondern in demselben wahren Fleisch, das in Adam gefallen ist, mit all unserer Gebrechlichkeit, unseren Gefühlen und Neigungen, die Sünde allein ausgenommen.

O Jesus, großer Gott, es geziemt Dir, das Dir vom Vater übertragene Werk in solch überfließendem Maße und in solcher Vollkommenheit auszuführen. Du hast es nicht halb vollbracht. Die Größe und Herrlichkeit des Opfers gereicht Dir als Gott zur Verherrlichung und uns Sündern zum Trost und zur Hilfe. O liebster Herr, Du bist in vollkommenerem Sinne Mensch als der Täufer, als Johannes, der Apostel und Evangelist, als Deine liebe Mutter. Wie Du an göttlichem Wissen über mich sie alle übertriffst, so auch an Erfahrung und persönli-cher Kenntnis meiner Natur. Du bist mein älterer Bruder. Was sollte ich fürchten, warum sollte ich nicht mein Herz Dir hingeben, der Du so mild und liebevoll, so vertraut, anspruchs-los und bescheiden und so über alles natürlich und demütig bist! Du bist jetzt im Himmel noch derselbe wie einst auf Erden: der allmächtige Gott und doch das kleine Kind – der All-heilige und doch ein fühlender, ein ganzer Mensch.

Aus dem Englischen übertragen von Maria Knoepfler, Kösel-Verlag KG, München 1952)

Gott wird Mensch

von P. Andreas Fuisting


Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter,

Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung Gottes. Das wissen wir alle. Aber ist uns auch bewußt, daß bereits die Urkirche ein so prägnantes Christusbekenntnis abgelegt hat, wie beim hl. Paulus zu lesen steht?: „Dieser ist (ihm) dem Fleische nach aus dem Geschlechte Davids geboren worden. Seinem heiligen Geiste nach aber war er vorherbestimmt zum Sohne Gottes…“ (Röm. 1, 2 u.3). Was hier niedergelegt ist heißt folgendes: Jesus gehört auf die Seite Gottes und auf die Seite des Menschen. Die Tatsache der wahren Menschheit Christi wird durch die Bezeichnung „Sohn Davids“ ausgedrückt.

Die junge Kirche versuchte ihre gläubige Überzeugung in ihren Schriften durch entsprechende Belege zu untermauern. Die Evangelienstelle Matthäus 1, 1-17 beschäftigt sich mit dem Stammbaum Josephs. Durch diesen Stammbaum, der mehr theologische Absichten verfolgt, als den Anspruch erheben darf, einer geschichtlichen Prüfung standzuhalten, wird „bewiesen“, daß Joseph ein Sohn Davids ist. Damit ist die Davidssohnschaft Jesu noch nicht geklärt.

Um nun eine Antwort zu geben auf die Frage „wie kann Jesus, der in Maria durch den Heiligen Geist Mensch geworden ist, Sohn Davids sein?“ greifen wir auf die Stelle des Matthäusevangeliums zurück, die an der Vigil von Weihnachten verkündet wird (Matth. 1, 18-21). Der Evangelist argumentiert dabei so wie folgendermaßen: Durch die Namengebung hat Joseph, der aus dem Geschlechte Davids stammt, den von seiner rechtmäßigen Frau geborenen Sohn als seinen Sohn rechtlich anerkannt. Dadurch wird Jesus zum Sohn Davids. Diese besondere Art der Davidssohnschaft des Messias ist im AT bereits durch den Propheten vorausverkündet (Mt. 1,23; Is. 7, 14). Gott selbst drängt dann Joseph durch den Engel dazu, Maria zur rechtmäßigen Frau zu nehmen und das in ihr durch den Heiligen Geist Gewordene als eigenes Kind anzuerkennen.

Das ist das große Geheimnis des Weihnachtsfestes: Gott wird wirklich Mensch. Er teilt das Menschliche mir uns, damit wir das Göttliche mit ihm teilen. Er tritt auf unsere Seite, um uns auf die Seite Gottes zu holen. Ich möchte mich, auch im Namen meiner Mitbrüder, bei Ihnen allen ganz, ganz herzlich für Ihre im vergangenen Jahr geleisteten Wohltaten bedanken, sei es Ihr Gebet, Ihre ehrenamtliche Mitarbeit oder Ihre finanzielle Unterstützung gewesen. Ich versichere Ihnen: Auf diese drei sind wir nach wie vor dringend angewiesen! Wir werden Sie auch weiterhin in jedes hl. Meßopfer mit einschließen. Bleiben Sie uns verbunden, wie wir es Ihnen sind durch den ankommenden Heiland der Welt.

In diesem Sinne: GESEGNETE WEIHNACHT!

Ihr P. A. Fuisting


Foto: Heike Hannah Lux