Vorwort zum Rundbrief Juni / Juli

Liebe Gläubige,

als am 8. Mai Kardinal Mamberti gegen 19.30 Uhr auf der Loggia des Petersdoms Robert Francis Prevost als neuen Papst Leo XIV.  verkündigte, ging es wohl selbst gut informierten Kennern der Kirche ähnlich wie mir: wer ist dieser neue Papst Leo XIV.? Für mich war er jedenfalls ein unbeschriebenes Blatt. Sein Name fiel so gut wie nicht als Papstkandidat im Vorfeld des Konklave. Inzwischen wissen wir etwas mehr über den neuen Pontifex. Mein erster guter Eindruck hat sich mittlerweile verfestigt. Da war zunächst sein äußeres Erscheinungsbild: Anders als sein Vorgänger Papst Franziskus betonte er durch seine Kleidung die Würde des Papstamtes. Zum Zweiten die Wahl seines Namens: Nach eigener Aussage haben ihn vor allem zwei Päpste bewegt, sich den Namen Leo zuzulegen: der hl. Papst Leo der Große (+461), einer der bedeutendsten Päpste der Kirchengeschichte. Dieser verteidigte die wahre christliche Lehre über Jesus Christus auf dem Konzil von Chalcedon gegen Irrlehren und er bewahrte Rom vor der Zerstörung durch die Barbaren. Desweiteren Papst Leo XIII. (+1903), der die soziale Frage in der berühmten Enzyklika „Rerum Novarum“ wie kaum ein anderer Papst aufgriff, der aber auch eine tiefe Verehrung zur hl. Gottesmutter Maria und zum hl. Augustinus hatte, dessen Orden Papst Leo XIV. angehört und den er 12 Jahre als Generaloberer geleitet hatte. Besonders aber erfüllt mich seine erste Predigt am Tag nach seiner Wahl an die Kardinäle mit großer Hoffnung für dieses Pontifikat. Es zeichnen sich hier die ersten Grundlinien ab. Mit Papst Franziskus verbindet ihn ein großes Engagement für Arme und Notleidende, wie Berichte über seine missionarische Tätigkeit in Peru deutlich zeigen. Es spricht jedoch viel dafür, dass nicht nur ein menschlich angenehmer und bescheidener Papst gewählt wurde, der gut zuhören kann, ein engagierter Seelsorger, sondern zugleich ein versierter Theologe. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass er in seiner Autorität als Papst in aktuell innerkirchlich umstrittenen Fragen wieder für die notwendige Klarheit bezüglich der kirchlichen Lehre Sorge tragen wird.

Auffällig ist in seiner Predigt vom 9. Mai an die Kardinäle, dass er die Person Jesu Christi in den Mittelpunkt stellt, den er als „einzigen Erlöser“ bezeichnet und darum sich klar von allen Äußerungen abgrenzt, die man dahingehend interpretieren könnte, als ob es neben der christlichen Religion noch andere Religionen gibt, die in sich selbst heilskräftig sind. Leo XIV. spricht  ferner von der Bedeutung der Kirche: „In besonderer Weise vertraut Gott, indem er mich durch eure Wahl zum Nachfolger des Ersten der Apostel berufen hat, diesen Schatz mir an, damit ich mit seiner Hilfe ein treuer Verwalter (vgl. 1Kor 4,2) zum Wohl des gesamten mystischen Leibes der Kirche sei, auf dass sie immer mehr zu einer Stadt auf dem Berg wird (vgl. Offb 21,10), zu einer rettenden Arche, die durch die Wogen der Geschichte steuert, zu einem Leuchtturm, der die Nächte der Welt erhellt. Und dies weniger wegen der Großartigkeit ihrer Strukturen oder der Pracht ihrer Bauten – wie die Baudenkmäler, in denen wir uns befinden – , sondern durch die Heiligkeit ihrer Glieder…“

Er zitiert dann die Frage Jesu in Cäsarea Philippi: „Für wen halten die Leute den Menschensohn (Mt 16,13)?“ Für den neuen Papst ist das die entscheidende Frage und er stellt fest, dass Jesus eben leider für sehr viele Menschen, selbst für Getaufte, wohl ein besonderer Mensch gewesen sei, ein großer Wohltäter und Prediger, aber eben doch nur ein Mensch und nicht der menschgewordene Sohn Gottes. Er trifft mit dieser Aussage meines Erachtens einen sehr entscheidenden und wunden Punkt, der inzwischen auch in der katholischen Kirche offen zutage tritt: die Infragestellung der wahren Gottheit Jesu Christi. Viele Irrlehren, die seit Jahrzehnten in die Kirche eingedrungen sind und die einer dringenden Klärung bedürfen, haben letztlich ihre Wurzel in der Leugnung der wahren Gottheit Jesu Christi. Wir dürfen dankbar sein, dass Papst Leo XIV. diesen Punkt gleich zu Beginn seines Pontifikats so deutlich anspricht.

Der Papst fährt fort, nachdem er die vielfach üblichen Antworten der Welt über die Person Christi erwähnt hat: „Auch heute wird der christliche Glaube in nicht wenigen Fällen als etwas Absurdes angesehen, als etwas für schwache und wenig intelligente Menschen; vielfach werden andere Sicherheiten wie Technologie, Geld, Erfolg, Macht und Vergnügen bevorzugt. Es handelt sich um Umfelder, in denen es nicht leicht ist, das Evangelium zu bezeugen und zu verkünden, und in denen Gläubige verspottet, bekämpft, verachtet oder bestenfalls geduldet und bemitleidet werden. Doch gerade deshalb sind dies Orte, die dringend der Mission bedürfen, denn der Mangel an Glauben hat oft dramatische Begleiterscheinungen: dass etwa der Sinn des Lebens verloren geht, die Barmherzigkeit in Vergessenheit gerät, die Würde des Menschen in den dramatischsten Formen verletzt wird, die Krise der Familie und viele andere Wunden, unter denen unsere Gesellschaft nicht unerheblich leidet…“

Soweit Auszüge aus dieser überaus lesenswerten Predigt des Papstes vom 9. Mai, die Sie im Internet in voller Länge nachlesen können.

Man sprach im Vorfeld des Konklave von einer Richtungswahl. Wenn diese erste Predigt des Papstes und seine ersten Äußerungen die Richtung vorgeben, dann dürfen wir voller Hoffnung auf dieses Pontifikat sein. Vielleicht ist es der Papst, der nach einer Vision des hl. Don Bosco das Schiff der Kirche rettet, indem er es auf die beiden Säulen im Meer zusteuert, auf deren Spitze die hl. Eucharistie und die hl. Gottesmutter Maria zu sehen sind. Beten wir für Papst Leo XIV. und beten wir auch für den verstorbenen Papst Franziskus!

(Pater Gerstle)