Die Kirche in Deutschland auf dem Weg der Selbstzerstörung

von P. Bernhard Gerstle


Angesichts der Diskussionen und Beschlüsse des „synodalen Weges“ befürchten viele gläubige Katholiken, aber auch Bischöfe und Kardinäle, dass wir in Deutschland auf dem Weg in ein Schisma sind. Der Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet geht in einem Gastbeitrag für „katholisch.de“ vom 25.04.2022 schon weiter, indem er ein Schisma bereits als faktisch gegeben sieht. Für den modernistischen Theologen freilich kein Problem.

Bischof Bätzing übt sich hingegen noch in Beschwichtigungsversuchen. Die in Briefen offen geäußerte Sorge von amerikanischen und skandinavischen Bischöfen und Kardinälen, ebenso des Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Gadecki, vor einer drohenden Glaubensspaltung in Deutschland aufgrund der Mehrheitsbeschlüsse der Synodalenmitglieder, wischte er ohne sachliche Argumente zur Seite

Die Mehrheit sieht jedenfalls mit Bischof Bätzing offensichtlich kein Problem darin, dass die Kirche ihre bisherige Lehre in vielen Bereichen ändert. Für Dogmen ist in diesem Denksystem kein Platz mehr. Die Kirche kann nach diesem Verständnis weder verbindliche Glaubenslehren, noch eine bestimmte Sexualmoral vorschreiben. Zurecht hat dies Papst Franziskus kürzlich mit den Worten kommentiert: „Eine protestantische Kirche in Deutschland genügt.“

Dass sich der „Katholische Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transsexuellen-Verband“ mit den Forderungen der Reformbewegung „Maria 2.0“ solidarisierte, passt ins Bild. Wie sehr der Glaubensabfall innerhalb der Kirche fortgeschritten ist, offenbarte sich auch jüngst beim Stuttgarter Katholikentag, als der württembergischen Landtagspräsidentin Muhterem Aras, einer Muslimin, die hl. Kommunion gereicht wurde.

Der Glaube und die Sakramente als Billigware, angeboten zum Schleuderpreis. Sieht so die Zukunft der Kirche aus? Die Befürworter dieser Kirchenpolitik meinen, dass die Kirche nur dann wieder für die Menschen attraktiv wird, wenn sie sich deren Lebenswirklichkeit anpasst. Die Frage nach der Wahrheit hat in diesem System freilich keinen Platz mehr.

Der Dogmatiker Karl-Heinz Menke meint hingegen zurecht: „Der weitaus größte Teil der Katholiken in Deutschland hat sich der Kirche nicht deshalb entfremdet, weil sie sich zu wenig, sondern weil sie sich zu viel angepasst hat (Vatican-Magazin, Juni 2022).“ Und er schließt mit dem Resümee, dass es für die kirchliche Einheit der katholischen Kirche in Deutschland vielleicht schon zu spät ist, weil Rom es versäumt hat, rechtzeitig einzugreifen.

Zum 15. Sonntag nach Pfingsten (Lk 7, 11-17)

von P. Marc Brüllingen


»Bald darauf ging Jesus in eine Stadt namens Naim. Seine Jünger und viel Volk zogen mit ihm. Als er sich dem Stadttor näherte, wurde ein Toter herausgetragen, der einzige Sohn seiner Mutter, die Witwe war.Als der Herr sie sah, wurde er von Mitleid mit ihr erfüllt und sprach zu ihr: „Weine nicht!“ Dann trat er hinzu und berührte die Bahre. Die Träger blieben stehen, und er sprach: „Jüngling, ich sage dir, steh auf!“ Da richtete sich der Tote auf und begann zu sprechen, und er gab ihn seiner Mutter zurück. Furcht ergriff alle. Sie priesen Gott und sprachen: „Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden. Gott hat auf sein Volk herabgeschaut.“ Und die Kunde von ihm verbreitete sich im ganzen Judenlande und in der ganzen Umgegend.«

Es war ein Zeichen göttlicher Macht, als Jesus durch seinen bloßen Willen den Knecht des römischen Hauptmannes heilte. Aber nun steht er vor einer wirklich hoffnungslosen Situation. Ein junger Mensch ist tot. Er ist das einzige Kind seiner Mutter, und diese ist Witwe. Hier sind somit alle Fäden zerrissen. Es denkt auch keiner an Hilfe. Die Mutter, die hinter der Leiche schreitet, ist so völlig in ihr Leid verloren, daß sie nichts mehr denken und hoffen kann. Das Volk rüstet sich auf das Begräbnis. Was kann man sonst tun? Auch die Jünger denken nicht daran, sich an Jesus zu wenden; denn ein Toter ist nicht nur ein entblätterter, sondern ein entwurzelter Baum. Da gibt es keine Hilfe.

So geht denn hier die Initiative ausschließlich von Jesus aus. Er hat Mitleid, d. h. er leidet mit dem Leidenden. Und so will er helfen. Der römische Hauptmann hat die Befehlsgewalt Jesu betont. Von dieser Gewalt macht Christus hier Gebrauch. Er befiehlt dem Toten: „Ich sage dir, steh auf!“ Etwas Majestätisches, Herrisches liegt in diesem Wort. „Ich sage dir.“ Christus beruft sich nicht auf einen andern, bittet nicht den Vater im Himmel, sondern beruft sich auf sich selbst, auf sein eigenes Wollen und seine eigene Macht. Sein bloßes Wort, sein befehl „steh auf“ ruft den Toten zum Leben zurück. Das Wunder dieser Totenerweckung ist etwas derart Unerhörtes, daß ein Schrecken die Umstehenden befällt. „Furcht ergriff alle.“ Sie haben Glauben, denn sie preisen Gott, sind überzeugt, daß Gott sein Volk heimgesucht hat, d.h. daß er in seinem Volke wieder Zeichen und Wunder seiner Macht wirkt.

Und doch ist dieser Glaube noch ungenügend. Er stößt nicht bis zum eigentlich Entscheidenden vor. Das Ergebnis ist nur: „Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden.“ Sie erfassen im Glauben das eigentlich göttliche Wesen Jesu nicht, und so stehen diese Juden hinter dem römischen Heiden zurück. Wenn Jesus nur ein großer Prophet ist, dann ist durch ihn nichts wesentlich Neues geschehen. Dann bleibt alles auf der bisherigen Ebene Israels, in dessen Mitte von Zeit zu Zeit immer wieder Propheten aufgestanden sind. Es wird dann einfach die prophetische Linie verlängert. Es ist Erneuerung, nicht etwas Neues. Gott hat dann nicht selbst und persönlich und unmittelbar sein Volk heimgesucht, sondern er hat nur, wie früher auch schon, einen Boten gesandt und also durch Vermittlung seinem Volk geholfen. Während doch in Wirklichkeit mit Jesus das entscheidend Neue geschieht, ein Abschluß alles Bisherigen und ein Anfang von etwas ganz Anderem.

Die Juden haben also Glauben, aber nicht den eigentlich richtigen. Sie preisen Gott, aber sie erkennen seine eigentliche Größe zu wenig. Die Totenerweckung sollte ihnen zeigen, daß nun neues Leben aufbricht, weil der Herr über Tod und Leben in ihrer Mitte steht.

(nach: Richard Gutzwiller, Meditationen über Lukas I, Bonner Buchgemeinde, Benziger Verlag Einsiedeln Zürich Köln; 1954)