Das Gebet

von P. Andreas Lauer


„Ich lade alle ein, für die Opfer dieser Tragödien zu beten“, so und ähnlich hören, lesen wir immer wieder Gebetsaufrufe des hl. Vaters – und welche monatlichen Gebetsanliegen außerdem der hl. Vater hat, ist in unserem Rundbrief aufgeführt.

So manche fragen sich, was das denn nütze, was kann das Bitt-Gebet, was kann mein Gebet da bewirken; beispielsweise auch solche „utopische“ Gebete wie der Wettersegen, der ja doch keinen Einfluß auf die kosmischen Kräfte ausüben könne – es kommt, was kommen wird. Und mit dieser Einstellung wird das Gebet nicht mehr ernst genommen und Gott nicht mehr vorgetragen.

Wer so denkt, der macht sich wahrscheinlich zu wenig bewußt, daß Gott zum einen allmächtig ist, daß er all das kann, was sich nicht widerspricht. Er hat die Welt geschaffen und er erhält sie im Dasein; er lenkt die Geschichte und kann so auch bestimmte Dinge, Verhältnisse beeinflussen.

Allerdings will er manche Dinge wirken durch unser Zutun, durch unser Mitwirken – und wenn das beispielsweise „nur“ durch das Gebet ist; lehrt uns doch unser Herr selbst im Vaterunser um so elementare Dinge zu beten, wie das tägliche Brot, das der Beter nicht nur für sich, sondern für „uns“, für alle Menschen erbeten soll. „Gott liebt es, belästigt zu werden“, sagte der heilige Jean-Marie Vianney (1786-1859), der Pfarrer von Ars, einmal.

Und so gibt es tatsächlich viele geschichtliche Beispiele, historische Tatsachen, die bezeugen, wie aufgrund des Gebetes der „natürliche“ Verlauf der Dinge sich so gewandelt hat, wie man das natürlicherweise nicht erwartet hätte. Freilich, in unserem „aufgeklärten“, technischen Zeitalter werden solche Tatsachen, wenn nicht gar direkt abgelehnt, so doch stark ihre göttliche Fügung in Frage gestellt.

Grundsätzlich ist es die Gnade Gottes, die uns antreibt zu beten und die allen, auch den Sündern angeboten wird; und wenn der Betende im Stand der Gnade ist, dann wird in besonderer Weise der Wert seiner Gebete erhöht.

Das, um was wir bitten, sollen in erster Linie Güter sein, die zum ewigen Leben führen, vor allem übernatürliche Gnaden – erst an zweiter Stelle kommen zeitliche Güter, je nachdem sie unserem Seelenheil nützen, soweit wir sie zum Leben brauchen. Sagt doch der Herr selbst: „Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit und alles andere wird euch obendrein zugegeben werden.“ (Mt. 6, 33)

Und wenn wir um diese oder jene besondere Gnade beten, dürfen wir sie nicht anders als in Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes erbeten. Gott, der die Liebe ist, erkennt in seiner unendlichen Weisheit besser als wir, was jeder Seele frommt, je nach dem Stande und Grade ihrer Vollkommenheit. Er verteilt Gnaden des Trostes oder der Trockenheit, der Ruhe oder des Kampfes, je nach den Absichten seiner unendlichen Weisheit und den Bedürfnissen unserer Seele.

Und wenn der einzelne doch nicht das notwendige Vertrauen hat auf sein Gebet, so kann und soll er doch sein Gebet vereinen mit dem Gebet Jesu, mit dem Vertrauen, mit dem Er gebetet hat, dem himmlischen Vater das Gebet des Herrn. Oder der Gläubige möchte doch das Gebet der Kirche als solches vortragen, und ihn bitten, unseren gütigen Vater, die Kirche zu erhören – schließlich wird Er seinem Sohn und der vom Heiligen Geist gelenkten Kirche wohl keine Bitte abschlagen.

Die selige Katharina Emmerich hatte einmal eine Vision. Es wurden ihr vier Tafeln gezeigt, auf diese hat ein Engel Gebete aufgeschrieben. Auf die erste schrieb er Gebete mit funkelndem Gold, auf die zweite mit leuchtendem Silber, auf die dritt dunkler Farbe – und auf die vierte Gebete mit schwarzer Farbe, die hat er dann durchgestrichen. Da hat sie gefragt, was das zu bedeuten habe. Der Engel hat ihr erklärt, daß das, was mit Gold geschrieben ist, das Gebet jener sei, denen es wirklich ernst ist im Gebet. Mit anderen Worten, das Gebet jener, die wollen, daß der Name Gottes geheiligt werde, die wollen, daß sein Reich komme usw., und die ihren Willen, ihren Ernst vereinigen mit dem Verlangen, dem Ernst Christi, wie Er das gewollt hat. Sie haben ihr Gebet vereinigt mit dem Gebet des Herrn; und das sollen wir immer tun, unser ganzes Tun, unser Gebet, unsere Arbeit, unsere Leiden, wie ein Wassertropfen, den der Priester da bei der Vorbereitung der Opfergaben in den Kelch fallen läßt, vereinigen dem, was Jesus getan hat, dann wird unser Gebet, unser Tun zu einem Gefäß, das sich füllt mit dem Gebete Jesu.

Das Gebet, das mit Silber geschrieben ist, sei das Gebet jener, denen es auch ernst sei. Es ist gutes Gebet, es wird aufgeschrieben, es leuchtet vor Gott, aber nur in Silber, weil diese nicht im Bewußtsein ihres eigenen Unvermögens mit ganzem Ernst und Willen das Gebet des Herrn in Anspruch nehmen.

Das Gebet jener, das nur mit dunkler Farbe geschrieben ist, sei das Gebet jener, die zwar im Stand der Gnade sind, und einigermaßen noch aus der Liebe Gottes heraus beten. Es ist ihnen schon ein wenig ernst, aber in Wirklichkeit ist ihr ganzes Sinnen und Trachten und ihre Sehnsüchte auf ganz andere Dinge gerichtet als auf Gott: auf die irdischen Dinge, die Ehre, den Reichtum, das Ansehen bei den Menschen, die Befriedigung aller natürlichen Neigungen. Da ist nicht Gott an der ersten Stelle, sondern sie selbst. Nur soviel es ihnen dabei noch um Gott zu tun ist, wird das Gebet noch angenommen; es wird zwar nicht durchgestrichen, aber es hat keine Leuchtkraft vor Gott.

Das Gebet mit schwarzer Farbe, das durchgestrichen wird, das ist das Gebet jener, die im Stand der Todsünde sind. Sie sind getrennt von Gott, sie haben die Liebe nicht mehr in sich. Sie haben an die Stelle Gottes einen Götzen gesetzt, ob es nun das Geld ist oder die Ehre der Bauch usw. Ihnen geht es nicht um die Ehre Gottes, das Reich Gottes, den Willen Gottes in Wirklichkeit, auch wenn sie noch Gebetsformeln hersagen – drum ist kein wirkliches Gebet mehr, das wird durchgestrichen, mit schwarzer Farbe geschrieben.

So wollen wir klug sein und dafür sorgen, daß unser Gebet, und auch alles wir sonst tun, arbeiten und leiden, vereinigen mit dem, was Jesus getan hat, mit seinem Willen, mit seinem Vertrauen auf den himmlischen Vater, der ihn erhört.