Vorwort zum November-Rundbrief

Liebe Gläubige,

auf einer Spruchkarte las ich einmal die Worte: “Wer früher stirbt, ist länger tot!” Das ist leider eine heute weit verbreitete Meinung, die auf die Überzeugung hinaus läuft: Mit dem Tod ist alles aus. Andere wiederum klammern sich an die Hoffnung auf eine Wiedergeburt und oder begnügen sich mit einer vagen Hoffnung auf ein Weiterleben im Jenseits. Fakt ist, dass viele Menschen die so entscheidende Frage verdrängen und einer Antwort ein Leben lang ausweichen. Diese Haltungen, so verschieden sie im Einzelnen sein mögen, laufen doch auf den gemeinsamen Nenner hinaus, dass der Glaube an ein Weiterleben nach christlichem Verständnis auch in katholischen Kreisen nur noch von einer Minderheit vertreten wird. Vielleicht klammern sich Manche noch an die Hoffnung auf den Himmel, doch die katholischen Wahrheiten eines Reinigungsortes (im Volksmund „Fegefeuer“ genannt) und erst recht einer ewigen Verdammnis (Hölle) werden weitgehend abgelehnt. Das hat natürlich weitreichende Folgen für das Leben hier auf Erden. Es wird nicht mehr als Vorbereitung auf das eigentliche, ewige Leben betrachtet, als eine Entscheidung für oder gegen Gott, sondern dieses Leben hier auf Erden wird als endgültig betrachtet (indirekt läuft auch der Reinkarnations­glaube darauf hinaus). Das erklärt die hastige Suche nach vollkommenem Glück und vollkommenem Genuss, einer Suche, die stets in neuen Enttäuschungen endet, weil alles Glück auf Erden begrenzt und vergänglich ist.  In diesem Sinne schreibt Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika Spe Salvi, Kap. 27:

“Wer Gott nicht kennt, kann zwar vielerlei Hoffnungen haben, die aber im letzten ohne Hoffnung, ohne die große, das ganze Leben tragende Hoffnung ist. Die wahre, die große und durch alle Brüche hindurch tragende Hoffnung des Menschen kann nur Gott sein – der Gott, der uns bis ans Ende, bis zur Vollendung geliebt hat und liebt.”

Das vollkommene Glück und die vollkommene Freude ist hier auf Erden nicht zu finden. Genau diese Sehnsucht hat aber Gott in unser Herz gelegt. In jedem Menschen lebt diese Hoffnung und Sehnsucht, was u.a. der hl. Augustinus als indirekten Beweis für die Existenz Gottes und das ewige Leben betrachtet. Gott hat diese Sehnsucht in uns hinein gelegt, damit wir dieses Glück suchen, nicht bei den Geschöpfen, sondern beim Schöpfer, bei Gott selbst. Erst wenn wir Ihn gefunden haben, kehrt Friede in unsere Seele ein. Es ist ein Glück, das tiefer geht und größer ist, als das Glück, das die Welt zu bieten hat. Das bestätigen mit Gott tief verbundene Menschen.

Wir sagen gewöhnlich, dass wir uns auf das ewige Leben vorbereiten. Das ist nicht völlig korrekt: eigentlich hat das ewige Leben mit unserer Taufe bereits begonnen. Es ist nur nicht vollendet und noch nicht endgültig. Wir können es wieder verlieren. Aber weil Gott in unserer Seele durch seine Gnade geheimnisvoll gegenwärtig ist (“Das Reich Gottes ist in Euch” Lk 17,41), tragen wir in gewissem Sinn den Himmel bereits in uns. Würde Gott uns einen tieferen Einblick in dieses wundervolle Geheimnis geben, wir würden uns in Sehnsucht nach Ihm verzehren. Deshalb kann kein Lebender (hier auf Erden) Gott unverhüllt schauen. Auch die Erscheinungen Jesu bei den Heiligen geschehen im Gewand der Verhüllung und vermitteln nur eine leise Vorahnung der Gottesschau der Seligen des Himmels.

Der Monat November, in dem die Natur sozusagen “im Sterben liegt”, lädt uns ganz besonders ein, uns mit dem zu beschäftigen, was uns nach dem irdischen Tod erwartet. Der gläubige Mensch verdrängt diesen Gedanken nicht. Täglich beten wir im “Ave Maria” um eine gute Sterbestunde. Die Konvertitin, Schriftstellerin und Ordensfrau Isa Vermehren, welche im Juli 2009 im Alter von 91 Jahren verstorben ist, schrieb wenige Jahre vor ihrem Heimgang:

“Herr, ich will nicht ausweichen. Ich weiß, dass mein Weg auf ein Ziel zugeht, ich weiß, dass er mich langsam herausführen wird aus dem großen Markttag auf Erden, der einfach ein Ende hat. Dessen Lichter erlöschen, dessen Drehorgeln verstummen, dessen Lautsprecher schweigen. Ich brauch jetzt eine Brücke, die mich über den Strom, über den Abgrund führt, hinüber zu dem anderen Ufer, wo einer steht und mich erwartet, wo Du stehst, Herr, um mich zu empfangen. Ich glaube, dass es so sein wird…”

Legen wir immer wieder Zeugnis ab vom Glauben an das ewige Leben und werden wir so zu Hoffnungsträgern für jene, die zweifeln oder sich noch auf der Suche nach dem Sinn und Ziel des Lebens befinden.

Es grüßt Sie im Gebet verbunden, auch von meinen Mitbrüdern

Ihr P. Bernhard Gerstle FSSP